Stürmische Zeiten in der Wessenberg Galerie
Ohne die Zeitschrift „Der Sturm“ hätte es der Expressionismus in Deutschland schwer gehabt. Ob in der darstellenden Kunst, in der Literatur oder der Musik – ohne die Zeitschrift und die gleichnamige Galerie hätte die Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts kein Forum gehabt. An diese stürmischen Zeiten, an diese stürmischen Künstler erinnert die städtische Wessenberg Galerie Konstanz in einer Schau, die am 8. September beginnt und bis Ende November zu sehen sein wird
Kandinsky, Feininger, Klee, Chagall und Kokoschka, was die Maler angeht, aber auch die Dichter Alfred Döblin, Theodor Däubler und August Stramm sowie die Komponisten Schönberg und Schreyer fanden im „Sturm“ ihr erstes Forum. Ohne Herwarth Walden und seine Zeitschrift, ohne die Lesungen und Aufführungen in seiner Berliner Galerie, hätten die „Brücke“-Künstler und die Maler des „Blauen Reiter“ kaum ihren Durchbruch in die Kunstwelt des 20. Jahrhunderts geschafft.
Auch Ernst Ludwig Kirchner – sein Holzschnitt „Tanzlokal“ ziert den Flyer zur Konstanzer Ausstellung und schmückt als Teaserbild auch diesen Text – zählt zu den Nutznießern der „Sturm“-Zeiten von 1912 bis 1932. Nicht zufällig darum diese Schau 100 Jahre später: Die Konstanzer Ausstellung zeigt rund 100 Originaldruckgrafiken – vorwiegend Titelblätter und Illustrationen der „Sturm“-Zeitschrift – sowie Dokumente, die zum größten Teil aus einer Schweizer Privatsammlung stammen. In Bild und Wort wird so die stürmische Epoche des Expressionismus‘ im Konstanzer Kulturzentrum wieder lebendig.
Selbstverständnis und Stellenwert, den „Der Sturm“ im frühen 20. Jahrhundert weit über Berlin und Deutschland hinaus hatte, wird vielleicht am besten deutlich in einem Zitat von Herwarth Walden 1910 aus einem Prospekt zur Abonnentenwerbung für seine Zeitschrift: „DER STURM ist das Blatt der Unabhängigen. Kultur und Kunst der heutigen Zeit werden kritisch bewertet. In dieser Zeitschrift äußern sich nur Persönlichkeiten, die eigene Gedanken und eigene Anschauungen haben. Ausgeschlossen ist jede Art von Journalismus und Feuilletonismus. Die Wochenschrift DER STURM enthält in jeder Nummer Essays über Fragen der Kunst und Kultur. Die produktive Kunst erscheint in Romanen, Novellen und Gedichten bedeutender zeitgenössischer Autoren. Der Polemik und der Kritik in Wort und Linie wird weitester Raum gewährt“.
Zur Konstanzer Ausstellung aber sind Journalisten und andere Zeitgenossen allzeit zugelassen. Ich zumindest werde mir diese viel versprechende Schau nicht entgehen lassen.
Autor: hpk