Blog-Zeitung und Tageszeitung – eine Frage der Glaubwürdigkeit

Blogleser sind unzufrieden mit dem Journalismus der Tageszeitung: Das ist das wichtigste Ergebnis einer Studie von Sola Hülsewig. Die Studentin am Institut für Journalistik der TU Dortmund befragte 1260 Blog-Leser und -Macher (darunter auch NachDenkSeiten und seemoz) nicht nur nach Lesegewohnheiten – vor allem ging es ihr um die Frage der Glaubwürdigkeit. Und da schneiden Tageszeitungsredakteure schlecht ab: 85 Prozent der Leser fühlen sich bei denen nicht ausreichend informiert

Für die Umfrage wurde zunächst die hypothetische These formuliert: Die befragten Blogleser sind in der Mehrheit mit dem professionellen Journalismus unzufrieden. Diese Hypothese wird nach Auswertung des Datensatzes weitestgehend bestätigt. Die Sichtweise der Befragten auf den professionellen Journalismus übertrifft in ihrer Negativität sogar die Ergebnisse vorangegangener Studien zum selben Thema. So ergibt die Untersuchung, dass der Tageszeitungs-Journalismus bei den Befragten massiv an Vertrauens eingebüßt hat. Die große Mehrheit der Befragten (85%) fühlt sich eher nicht ausreichend informiert. Sie sind der Ansicht, wichtige Themen würden ausgelassen oder nicht in ausreichendem Maße behandelt.

Zeitungen schreiben für die Interessen von Machteliten

Die Kritikpunkte sind unter anderem, dass Tageszeitungs-Journalisten sich nicht gut genug mit den Themen auskennen, über die sie berichten. Weder ein besonders hohes intellektuelles Niveau noch ein breiteres Meinungsspektrum zu vertreten als Internet-Zeitungen, sind Attribute, welche die Befragten dem professionellen Journalismus attestieren. Zudem werfen sie den traditionellen Massenmedien mehrheitlich vor, in der Berichterstattung nicht unabhängig von politischen oder wirtschaftlichen Interessen zu sein und teilweise sogar bewusst Stimmung für die Interessen von Machteliten zu machen.

An die Hypothese anschließend, wurde die Frage formuliert: „In welchem Maße vertrauen die Leser den Informationen, die sie aus den von ihnen regelmäßig konsumierten Blogs beziehen?“ Verallgemeinernd kann festgestellt werden, dass die Blogleser die von ihnen regelmäßig verfolgten Blogs als wesentlich glaubwürdiger einschätzten als den Profijournalismus. So hielten nur 3% den Tageszeitungs-Journalismus für glaubwürdiger. Gleichzeitig räumen sie auch die Existenz von unglaubwürdigen Blogs ein.

Im Großen und Ganzen heben die Befragten die Blogger in fast allen den Aspekten positiv hervor, die sie bei den professionellen Journalisten bemängeln. So attestieren sie den Bloggern größere thematische Kompetenzen, Unabhängigkeit und Interaktion mit den Konsumenten.Außerdem sind sie der Ansicht, Blogs behandelten wichtige Themen, die der Zeitungs-Journalismus auslasse oder falsch darstelle.

12% der Blogleser haben ein Zeitungs- oder Zeitschriftenabonnement abbestellt

Eine weitere Frage lautete: „Hat sich die Einstellung gegenüber Produkten des professionellen Journalismus und ihr Konsum bei den Befragten (nach eigenen Angaben) verändert, seit sie Blogs lesen?“ Auch diese Frage lässt sich verallgemeinernd bejahen. Über die Hälfte der Befragten gibt an, den Zeitungsjournalismus weniger zu schätzen, seit sie Blogs für sich entdeckt haben. Dies schlägt sich auch in ihrem Medienkonsum nieder: 66% nutzten nach eigener Aussage weniger konventionelle Medienprodukte als vor ihrer Bloglektüre. 12% der Blogleser haben ein Zeitungs- oder Zeitschriftenabonnement abbestellt, seit sie Blogs lesen.

Aufgrund der Charakteristiken einer Ad-hoc-Stichprobe müssen die gewonnenen Daten als nicht-repräsentativ angesehen werden, weder für die Grundgesamtheiten der Leser deutscher, politischer Blogs noch für die der Leser der Blogs, die die vorliegende Untersuchung unterstützt haben. Ein grundsätzliches Problem ist bei schriftlichen Umfragen ohne Interviewer, dass Fragen missverstanden werden können. Um diesem Problem entgegen zu wirken, wurden Pretests des Fragebogens mit drei verschiedenen Testpersonen durchgeführt. Unklarheiten in der Formulierung der Fragen, die hierbei auffielen, wurden beseitigt.

Zudem war es im begrenzten Rahmen dieser Studienarbeit nicht vorgesehen, einen Fragenkatalog zusammenzustellen, dessen Beantwortung länger als 15 Minuten in Anspruch genommen hätte. Manche Fragestellungen, beispielsweise nach der generellen Glaubwürdigkeit von Informationen und im Speziellen der Informationen aus verschiedenen Quellen, hätten jedoch weiter ausdifferenzierter Fragen bedurft.

Dennoch gibt die Untersuchung mit ihrer einigermaßen großen Zahl an ausgefüllten Interviews (1260) ein Stimmungsbild ab, welches als Indikator für bestimmte medienkritische Haltungen in der deutschen Bevölkerung dienen kann und deswegen Beachtung verdient.

Autor: SH/hpk