Die Zürcher WOZ (Wochenzeitung) schrieb im Mai 2008:

Offenbar haben viele auf diese Initiative gewartet. Offenbar geben sich am westlichen Bodensee bei Konstanz immer weniger Menschen mit dem zufrieden, was ihnen die konservative Monopolzeitung «Südkurier» an Nachrichten, Hintergrundberichten und Veranstaltungshinweisen vorsetzt. Denn anders ist die erstaunliche Entwicklung des regionalen, gerade mal von drei Leuten betriebenen und finanziell nur dürftig ausgestatteten Onlinemagazins « Seemoz » nicht zu erklären, das vor einem Jahr – am 1. Mai 2007 – aufs Web ging.

Eine kleine Erfolgsgeschichte (…) – und das verdientermassen und ohne jede Aussenwerbung. Während der «Südkurier» zunehmend Infotainment betreibt, seine Lokalseiten mit Umfragen, langen Texten über selber organisierte Kulturveranstaltungen und andere Belanglosigkeiten füllt, greift « Seemoz » Themen auf, über die sonst niemand berichtet: die Umtriebe der Neofaschisten in der Region, die kleinen und grossen Arbeitskämpfe, die verstohlenen Bemühungen religiöser Sekten, die Initiativen der Konstanzer Linken.

«Selbst die, die uns nicht leiden können, lesen uns fleissig. Haben die nichts Besseres zu tun?», schrieb das « Seemoz »-Trio zum einjährigen Bestehen. Ein Seitenhieb auf den «Südkurier»: Der Zeitungsverlag hatte vor kurzem eine Sekretärin aus ihrem Job gemobbt. Reiles Berichte über den darauffolgenden Arbeitsprozess wurden vor allem von «Südkurier»-Managern aufmerksam gelesen. Die Verlagsleitung der «Schwäbischen Zeitung» – ein Monopolblatt am nördlichen Bodenseeufer – blockierte ihren RedaktorInnen sogar einmal den Zugang zur « Seemoz »-Website.

An Lob und Wissbegier von der einen oder anderen Seite fehlt es nicht. Und doch stösst das Projekt an seine Grenzen. Die Bannerwerbung deckt gerade mal die Telefonkosten für die Recherche und die Servermiete. Die Verantwortlichen, alle drei sind Profis auf ihren Gebieten, arbeiten unentgeltlich und betreiben die Website in der Freizeit. Ihren ursprünglichen Plan für eine professionell gestaltete gedruckte Monatszeitung – daher das «moz» im Namen – legten sie aufgrund der absehbar horrenden Kosten beiseite. Eine ökonomisch vernünftige Entscheidung. Aber auch ein Beschluss mit weitreichenden Folgen. Denn wer – ausser hartgesottenen linken Publizistikfreaks – engagiert sich schon für ein flüchtiges Webmedium, das im lokalen Rahmen aufklären will?

Die UnistudentInnen jedenfalls nicht. Reile trifft sich immer wieder mit Studierenden des Fachbereichs Medien an der Uni Konstanz, offeriert ihnen auch Raum für visuelle Experimente, doch der Funke sprang bisher nicht über. Zu gestresst sind die StudentInnen und zu desinteressiert am lokalen Geschehen. Das Konzept einer regionalen Gegenöffentlichkeit, das vor zwei Jahrzehnten Projekte wie das «Nebelhorn» beflügelt hatte und damals auch viele Studis mitriss, interessiert heute nicht mehr. Und so fehlen dem Onlinemagazin die Freiwilligen. Niemand mag die langweiligen, lokalpolitisch aber so wichtigen Sitzungen des Konstanzer Gemeinderats beobachten. Niemand stochert im Unterholz der Stadtverwaltung und der lokalen Vereine.

Das ist ein Manko, mit dem nicht nur die « Seemoz »-Macher zu kämpfen haben. Wo gibt es heute noch einen engagierten, kritischen Lokaljournalismus, betrieben von Leuten, die ehrenamtlich arbeiten? So gesehen ist « Seemoz » – trotz aller seiner Schwächen – ein Projekt, das im Bereich der neuen Medien auslotet, was vor Ort möglich ist. «Wir können machen, was wir wollen», schrieb das « Seemoz »-Trio zum Jubiläum. «Wir sind unabhängig, frei und unterbezahlt, nur unseren eigenen Flausen gegenüber verantwortlich.» Man könne auch jederzeit aufhören. Aber das wäre fatal – nicht nur für Konstanz.

Autor: P.Wuhrer