Da ist der Wurm drin

Für einmal darf man, ohne der Stimmungs­mache geziehen zu werden, sagen: Bei den Schweizer Rechtspopulisten der SVP ist der Wurm drin. Und zwar nicht nur, weil sie für die Wahlen im Oktober Stimmen­verluste befürchten müssen, sondern weil sie das anscheinend derart verschreckt hat, dass sie mit einem Plakat werben, auf dem alle Kon­kurrentInnen als Würmer dargestellt werden.

Um genau zu sein: Die EU und die Schweizer Konkurrenzparteien werden nicht als Würmer, sondern als Maden dargestellt (weil Würmer nicht in Äpfel kriechen). Und sie sind alle links und nett. „Sollen Linke und Nette die Schweiz zerstören?“ fragt die SVP rhetorisch auf ihrem Wahlplakat, das einen roten Apfel mit weißem Schweizerkreuz zeigt, durch den sich eklige Maden mit „Bauchbinden“ in den Farben der anderen Schweizer Parteien durchfressen. Die dickste Made trägt aber eine blaue, besternte EU-Bauchbinde und macht sich erst daran, den bereits madenbefallenen, aber immer noch knackig rotglänzenden Apfel anzunagen. Die vier übrigen Würmer/Maden – glänzend fett – symbolisieren die Sozialdemokraten (SP), die Grünen, die Christdemokraten (CVP) und die Freisinnigen (FDP).

Alle Ungeziefer – außer der SVP

Dass SP, Grüne und EU SVP-Feindbilder erster Güte sind, erstaunt nicht. Aber die CVP, die politisch gewöhnlich in zwei Teile zerfällt, wovon der eine nicht weit von der FDP entfernt ist? Und erst die FDP, die oft genug in allen Parlamenten mit der SVP stimmt? Mit der die SVP auch diverse wirtschaftspolitische Vorstellungen teilt? Die FDP ist nun also auch „links und nett“. Nun ist für die SVP alles links, was nicht SVP ist. Aber dass sie jene Partei als Made darstellt, mit der sie oft genug koaliert und in den Kantonen auch mal Listenverbindungen eingeht, das erstaunt nicht nur FDPler. Auch den einen oder anderen SVPler trieb das auf die Barrikaden. Der dann auch gleich noch monierte, es könne nicht angehen, politische Gegner als Ungeziefer darzustellen.

Nun ist man in der Schweiz von SVP-Plakaten einiges gewöhnt. Da trat schon ein weißes Schäfchen ein schwarzes (Ausländer-)Schaf aus dem Schweizerland. Oder riesige schwarze Schuhe trampelten von außen kommend in die Schweiz. Da wurden auch schon aus Minaretten Raketen, die hinter einer bis zur Unkenntlichkeit verschleierten Frau aufragten. Es griffen schwarze, braune und gelbe Hände gierig nach Schweizer Pässen. Immer das illustrierend, womit die SVP bevorzugt Politik (und Stimmung) macht: Die bösen Ausländer werden die perfekte Schweiz zerstören. Ausland ist Elend – und das Elend drängt in die Schweiz, um ihr alles zu nehmen, was die Schweiz eben zur Schweiz macht.

Im Begleittext zum Apfel-Inserat wird dann auch klar, dass – nach Meinung der SVP – die „Linken und Netten“ helfen, die Bedrohung Realität werden zu lassen. Freiheit und Unabhängigkeit geben sie für ein Rahmenabkommen mit der EU auf und lassen zu viele Ausländer ins Land.

Kantonalparteien unglücklich, aber machtlos

Inhaltlich widerspricht der Bundespartei – Auftraggeberin für das Plakat – kein SVP-Parlamentskandidat und auch keine Kantonalpartei. Aber mit dem Plakat selbst tun sich viele schwer. Bei den Thurgauer SVPlern ist das nicht überraschend.: Ihr Kanton ist das größte Apfelanbaugebiet der Schweiz und man hat keine Lust, mit wurmstichigen Äpfeln assoziiert zu werden. Zudem sind viele Obstbauern Mitglieder der SVP Thurgau – einer davon kandidiert für den Nationalrat und wirbt auch mit einem roten Apfel. Aber: „garantiert nöd (nicht) wurmstichig“.

Die Kantonalpartei ist sich mit jenen aus Basel, dem Aargau, Baselland und Appenzell Ausserrhoden einig: Das Plakat ist Mist. Man wolle es nicht im Kanton sehen. Pech gehabt. Denn das bestimmt die nationale SVP – und die wird es aufhängen. Pikant daran: Die SVP vertritt sonst militant die Linie, die Kantone seien im Staat autonom und Zentralisierung sei des Teufels.

Die SVP-Granden wiederum, die das Inserate-/Plakate-Sujet ausgewählt haben, sind sich nicht einig, was darauf zu sehen ist. Der Eine behauptet, die Made mit der orangen Bauchbinde habe gar keine orange, sondern eher eine gelbe Binde – deshalb könne damit gar nicht die CVP gemeint sein. Für den Anderen dagegen ist klar, dass sich auch die CVP in den Apfel frisst.

Die SVP als Opfer

Darauf angesprochen, dass die Nazis im „Stürmer“ mit ähnlichen Bildern – aufgeschnittener Apfel mit Würmern – gegen Juden hetzten, reagierten SVP-Herren erschrocken. Davon hätten sie nichts gewusst und selbstverständlich sei niemand in der SVP antisemitisch. Überhaupt sei die ganze Kritik „unanständig und ein Komplott der anderen Parteien“, so der SVP-Wahlleiter. Womit sich die SVP in die Opferrolle katapultiert – eine Strategie, die auch in Deutschland von der AfD gerne angewandt wird: Erst selber draufhauen und wenn der andere sich wehrt, behauptet man, selbst das Opfer zu sein.

Was die SVP aber irgendwie übersehen haben muss: Auf dem Apfelbild haben drei der bösen Maden ihr Zerstörungswerk in der Schweiz offenbar bereits vollendet, denn sie verlassen den Apfel gerade. Die fette grüne, die eher magere blaue und die mittelfette orange Made haben sich offenbar die Bäuche schon vollgeschlagen und wollen nur noch weg. Schmeckt die Apfel-Schweiz innen nicht so lecker, wie sie von außen aussieht?

Lieselotte Schiesser (Bild: Wahlwerbung SVP)