Das Geld bleibt hier

Fast „unschweizerisch“ emotional wird derzeit in der Schweiz um 250 Millionen Franken und Internetsperren gestritten. Ein Geldspielchips kotzender oder mit Zensur­balken versehener Smiley beschwört von Plakatwänden herab PassantInnen, „Nein zum Geldspielgesetz“ zu stimmen. Mit „Weil ich lieber Schweizer Kultur unterstütze als die Mafia“ fordert die politisch andere Fraktion dagegen ein Ja zum selben Gesetz.

Bis zum 10. Juni haben die Schweizer Stimmberechtigten noch Zeit, sich für eine der beiden Positionen zu entscheiden. Ziel des Gesetzes ist es, Glücksspiel und Geldwetten in der Schweiz auch im Internet zuzulassen. Derzeit dürfen Glücksspiele nur von den konzessionierten (terrestrischen) Casinos angeboten werden oder in der „familientauglichen“ Variante als Lotto/Toto von der staatlichen Lotteriegesellschaft.

Der Staat kassiert

Die Gewinne fließen auf jeden Fall – wie in Deutschland – an den Staat bzw. an die Kantone. Die finanzieren damit einen großen Teil ihrer Ausgaben für Kultur. Letzteres erklärt den Zusammenhang zwischen Geldspielgesetz und plakatierter Kulturunterstützung.

Nun gibt es in der Schweiz eine (protestantisch) tief verwurzelte Skepsis gegenüber Glücksspiel. Aber eine noch tiefer verwurzelte Neigung zu Geld. Und nachdem auch der Frömmste nicht mehr übersehen konnte, dass ein einheimisches Casino-Verbot nicht zu spielerischer Enthaltsamkeit führte, sondern nur dazu, dass Schweizer Glücksspieler ihr Geld in die Casinos von Konstanz, Bregenz oder Campione trugen, ließ man Casinos zu. Verboten blieb Schweizer Anbietern das Internet.

Stärkung der heimischen Geldwirtschaft

Da aber nur das Anbieten strafbar ist, nicht aber das Teilnehmen, verspielen die Schweizer jährlich rund 250 Mio. Franken via ausländische Internet-Glücksspielangebote. Und so setzte wieder die Liebe zum Geld ein: Diese Millionen sollen möglichst im Land bleiben und nicht ins Ausland abwandern.

So wurde das nun vorliegende neue Geldspielgesetz geboren: Lizensierte Anbieter sollen virtuelle Casinos einrichten können. Gleichzeitig sollen aber Schweizer SpielerInnen ihr Geld nicht mehr auf ausländischen Internetplattformen verzocken dürfen, weshalb das Gesetz vorsieht, diese Angebote im Internet zu blocken.

Angst vor Zensur

Gegen dieses Vorhaben ergriffen einige Jungparteien das Referendum. Sie fürchten, damit beginne die Internetzensur, denn bisher ist nicht klar, in welcher Form diese Internetsperren errichtet werden sollen. Einzelne Varianten könnten durchaus zu ausgedehnteren Internet-„Behinderungen“ führen. Unterstützung beim Unterschriften-Sammeln bekamen sie von eben den ausländischen Internetcasino-Betreibern – daher der plakatierte Verweis auf die Mafia. Pikant an der „Auslandsabneigung“ ist nur, dass auch die terrestrischen Casinos in der Schweiz starke ausländische Gesellschafter haben – drei gehören beispielsweise der Casino Austria, die wiederum mehrheitlich in tschechischem Besitz ist.

Die Gegner des Gesetzes beanstanden zudem, Parlament und Regierung hätten sich zu bereitwillig vor den Karren der inländischen Casino-Betreiber spannen lassen, die mit dem Internetangebot die massiv gesunkenen Umsätze in den real existierenden Schweizer Casinos wettmachen wollten. Und was für den Thurgauer Einzelhandel der Einkaufstourismus nach Konstanz, ist für die Casinobetreiber die Internet-Konkurrenz: ein rotes Tuch. Das dort ausgegebene Geld würde man schon lieber selbst einnehmen.

Lieselotte Schiesser