Die Kunst, einen Museumsbau richtig zu versemmeln

seemoz-Kartause1Die Thurgauer Regierung traut den eigenen Stimmberechtigten nicht über den Weg, wenn es um Ausgaben für das Kunstmuseum geht. Dieser Eindruck beschleicht einen, wenn man sich das Debakel um die Sanierung und einen Erweiterungsbau eben dieses Museums anschaut. Dabei bewegen sich die Kosten mit insgesamt knapp 16 Millionen Franken nicht in stratosphärischen Höhen.

In der Posse um die Bauvorhaben rund um das seit 30 Jahren in der Kartause Ittingen nahe Frauenfeld untergebrachten Kunstmuseums (s. Fotos) tauchen etliche Ungereimtheiten auf: eine Regierung, die einfach „den Schuss“ nicht hören will, eine Stiftung, die mit dem Kanton und dessen Institutionen verbandelt ist, Kantonsobere, die meinen, die Grenzen des (Finanz-)Rechts ein bisschen dehnen zu können und ein paar Bürger, die stur in die andere Richtung ziehen als die Regierung.

Die Räume gehören nicht dem Kanton

Damit man das ganze Schlamassel so richtig würdigen kann, muss die Ausgangslage erklärt werden. Erstens: Die Räume des Kunstmuseums des Kantons Thurgau gehören der privatrechtlichen Stiftung Kartause Ittingen. In dieser Stiftung ist zwar auch der Kanton vertreten, aber sie gehört ihm nicht. Zweitens: Regierung und Parlament können nicht einfach nach eigenem Gutdünken Geld ausgeben. Überschreiten neue Vorhaben die Grenze von drei Millionen Franken oder kosten sie jährlich wiederkehrend mehr als 0,6 Millionen, so muss das Volk gefragt werden. Drittens: Entfällt dieser Abstimmungszwang, wenn Geld gebraucht wird, um Bestehendes zu unterhalten. Viertens: Verfügt die Regierung über das Recht, finanzielle Mittel aus dem Lotteriefonds (Geld, das der Kanton aus staatlichen Lotterie-Erträgen erhält) vergeben zu können. Und last but not least gilt auch im Thurgau die Pflicht für öffentliche Betriebe, große (Bau-)Vorhaben öffentlich auszuschreiben.

… trotzdem will er für den Neubau zahlen

Nach 30 Jahren Museumsbetrieb und angewachsenen Museumsbeständen entstanden zwei Projekte: einerseits möchte man einen Teil des bestehenden Museums für 4,6 Millionen Franken sanieren, andererseits sollte es einen Erweiterungsbau für 14 Millionen Franken geben – knapp 12 Millionen davon wollte der Kanton zahlen.

Der Neubau wäre nun klar die Sache der Stiftung. Diese wiederum hatte geplant, dem Kanton für die großzügige Bauhilfe die Museumsmiete erlassen. Regierung und Parlament aber fanden, die Sanierungskosten seien „gebundene Ausgaben“, weil sie dem Unterhalt des Museums dienten und müssten deshalb nicht der Volksabstimmung unterzogen werden. Gleichzeitig wollte auch die Regierung keine Volksabstimmung über den Kantonsanteil an den Neubaukosten, weshalb sie die nötige Summe dem Lotteriefonds zu entnehmen dachte. Damit das möglich würde, interpretierte sie die Zahlungskriterien etwas ungewöhnlich – man könnte auch sagen, sie dehnte die Grenzen so lange, bis das Vorhaben hineinpasste.

Man nimmt, wen man kennt

Dann kam auch noch heraus, dass Kanton und Stiftung die Architekturplanungen für beide Vorhaben still und leise einfach dem Architekturbüro vergeben hatten, mit dem die Stiftung bereits einmal zusammengearbeitet hatte. Von öffentlicher Ausschreibung war plötzlich keine Rede mehr. Begründung: die Stiftung sei ja privatrechtlich.

seemoz-Kartause2Alles zusammen hatte schon in der Parlamentsdebatte Gegner auf den Plan gerufen, die aber  großzügig überstimmt worden waren. Es sah so aus, als ob der Versuch, die Mitsprache der Stimmberechtigten auszuschalten, klappen würde.

Dann aber zogen acht Bürger vor das Bundesgericht. Dieses stoppte blitzartig jede weitere Ausgabe für die Vorhaben und entschied kürzlich, dass die geplante Sanierung keine gebundene Ausgabe sei. Sie sei, so das Urteil, derart mit dem gewünschten Neubau verkuppelt, dass sie keinesfalls nur als „Reparaturvorhaben“ gesehen werden könne. Sie sei nirgends so dargestellt worden, als ob sie auch ohne den Neubau durchgeführt werde bzw. werden müsste. Der nötige Baukredit dafür müsse also zwingend dem Volk unterbreitet werden. Der Neubaukredit spielte bei der Entscheidung keine Rolle.

Späte Einsichten und wilde Mutmaßungen

Voraussichtlich wird das auch nicht so bald nötig sein. Denn inzwischen spricht die mittlerweile zuständige Regierungsrätin (kantonale Ministerin) gar von einem Abbruch der Übung, womit auch der Neubau „gestorben“ wäre. Und der Gesamtregierungsrat hat bekundet, er wolle künftig das Parlament in bestimmten Fällen bei der Vergabe von Geldern aus dem Lotteriefonds mitreden lassen. Das Kunstmuseum jedenfalls muss erst einmal warten.

Selbstverständlich kursieren im Kanton manche Mutmaßungen darüber, wieso es überhaupt zu diesem Kuddelmuddel kommen konnte. Die eine oder andere Stimme verweist dabei darauf, dass der derzeitige Stiftungspräsident Roland Eberle (SVP) und Stiftungsratsmitglied Philipp Stähelin (CVP) nicht nur miteinander früher in der Kantonsregierung saßen (wobei der Erste den Zweiten als Finanzchef  „beerbte“), sondern dass sie auch gleichzeitig den Kanton im Ständerat vertraten. Außerdem betrieben Stähelin und Stiftungsratsmitglied (und früherer Stiftungsratspräsident) Robert Fürer (CVP) ihre Anwaltskanzleien Tür an Tür. Fürer wiederum folgte in anderen Gremien – auch solchen, die der Kanton zu vergeben hatte – gerne mal auf Stähelin nach. Da lägen „kurze Wege“ sozusagen nahe. Aber wie gesagt: Das sind alles Mutmaßungen und Gerüchte, die wohl jeder Grundlage entbehren.

Lieselotte Schiesser