Erdbeben am Bodensee: Das Bohr-Wunder findet ganz anders statt

Die Erdbeben während des Wochenendes am Bodensee waren mit einer Stärke von 3,8 nicht sonderlich schwer, dennoch sind die Folgen groß: Das Geothermie-Projekt nahe St. Gallen (seemoz berichtete) wurde vorerst gestoppt. Forscher vermuten einen Zusammenhang zwischen der Bohrung und den Erdstößen. Eine Entscheidung, die angesichts der Fracking-Diskussion in unserer Region von gehöriger Tragweite sein kann

Nach mehreren Erdbeben in der Schweiz – das stärkste mit der Stärke 3,8 am frühen Samstagmorgen – ist ein Geothermieprojekt nahe dem Bodensee vorerst gestoppt worden. Das Beben im St. Galler Vorort Sittertobel (s. Foto: Die Bohrstelle) sei auf das Geothermie-Projekt zurückzuführen, teilte der Schweizerische Erdbebendienst (SED) mit. Auch das Erdbebenzentrum der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) vermutet einen „direkten Zusammenhang“.

Das heftigste Beben ereignete sich am Samstagmorgen gegen 5.30 Uhr in rund vier Kilometern Tiefe. Nach Angaben der Polizei verursachte es keine oberirdische Schäden. In St. Gallen waren schon in den vergangenen Tagen mehrere Erschütterungen kleineren Ausmaßes gemessen worden. Das neuerliche Beben sei nun in der ganzen Region zu spüren gewesen, teilte die ETH mit. „Weitere Erdbeben in den kommenden Tagen können nicht ausgeschlossen werden“, meinen die Erdbeben-Experten aus Zürich. Denn auch im Kanton Appenzell Ausserrhoden nahe Herisau wurde am Wochenende ein Erdbeben der Stärke 3,8 gemessen.

Die Betreiber des Geothermie-Projekts von Global Geotherm Ltd. teilten mit, die Arbeiten seien vorerst ausgesetzt worden, um die Situation zu analysieren und das Bohrloch zu stabilisieren. Über die Zukunft des Projekts soll noch in dieser Woche entschieden werden.

Das Erdbeben könnte nach Angaben der Betreiber durch die Einleitung von 650 Kubikmetern Wasser verursacht worden sein. Wie die Schweizer Nachrichtenagentur SDA unter Berufung auf einen der verantwortlichen Ingenieure berichtete, war am Freitag während der Vorbereitungen für Tests in mehr als 4000 Metern Tiefe überraschend Gas mit hohem Druck in das Bohrloch gelangt. Als Gegenmaßnahme seien Wasser und eine schwere Bohrspülung in das Loch gepumpt worden, was die Erdstöße ausgelöst haben könnte. Ziel der Bohrungen ist es, 140 Grad Celsius heißes Wasser in 4,5 Kilometer Tiefe zu finden. Das daraus entstehende Kraftwerk sollte einmal die Hälfte der Häuser in der Stadt St. Gallen mit Wärme versorgen.

Es ist nicht der erste Rückschlag für die Geothermie-Technologie: Vor sechseinhalb Jahren hatten Bohrungen für den Bau eines Geothermie-Kraftwerks in Basel mehrere Erdbeben ausgelöst. Das Vorhaben wurde daraufhin ausgesetzt. Auch in der deutschen Stadt Landau hatte Mitte August 2009 die Erde gebebt – auch hier besteht der Verdacht, dass der Auslöser ein Geothermiekraftwerk am südlichen Stadtrand war. Und auch im südbadischen Staufen wollte man mit Erdwärme heizen – kurz nach Beginn der Bohrungen taten sich überall in der Stadt tiefe Risse auf. Die Schadenersatz-Forderungen der Hausbesitzer sind bis heute nicht geregelt.

Autor: hpk (mit Material von: AFP/dpa und S.P.O.N.)

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