Fluglärmstreit: Schweizer schlagen zurück

Wo einst Peer Steinbrück mit der Kavallerie einrücken wollte, wird jetzt zurück geschlagen. Jedenfalls fahren einige Zürcher Mandatsträger in Sachen Fluglärm inzwischen schwere Geschütze auf, um die „Schwaben“ zum Einlenken zu zwingen. Schließlich dürfe die Schweiz „die Druckversuche nicht einfach hinnehmen“, gegen diese „ausländischen Repressionen“ müssten Gegenmaßnahmen ergriffen werden, so Mitglieder des Zürcher Kantonsparlamentes.

Seit rund zehn Jahren schwelt die Diskussion um die vom Flughafen Zürich ausgehende Belastung des Süddeutschen Raums. Geführt zunächst vor allem zwischen Zürich und den Landkreisen an Hochrhein und Bodensee, inzwischen verlagert auf die höchste politische Ebene, Ping-Pong zwischen Bern und Berlin, auch Stuttgart will jetzt mitspielen. Nach vielen vergeblichen Einigungsversuchen will man auf deutscher Seite jetzt Nägel mit Köpfen machen. Unter anderem soll die Zahl der Anflüge auf Zürich über den südbadischen Raum von heute über 100 000 auf maximal 80 000 jährlich beschränkt werden, so die Forderung, die bis zum Jahresende umgesetzt werden soll, mit oder notfalls auch ohne Einverständnis der Schweiz.

Powerplay mit den Schwaben

Und da scheint nun endgültig einigen Eidgenossen der Kragen zu platzen. Man habe die „Großmachtallüren“ des Nachbarlandes satt, heißt es da unter anderem, die „Druckversuche“ müssten mit „Retorsionsmaßnahmen“, also mit Vergeltung, beantwortet werden. Massiv unterstützt werden diese Attacken von der Schweizer „Weltwoche“, einst eine renommierte Wochenzeitung, inzwischen zu einer reaktionären Kampfpostille mutiert, die auf alles eindrischt, was nicht in ihr SVP-nahes rechtes Weltbild passt. Zum Beispiel auch auf die Deutschen, in diesem Fall auf deren Haltung zum Fluglärm, „den es gar nicht gibt“, so das Blatt.

Zunächst aber werden die eigenen Leute beschimpft. Die eidgenössische Bundesregierung ebenso wie der Kanton Zürich und schließlich auch die zur deutschen Lufthansa gehörende Fluggesellschaft „Swiss“ – alle hätten in Sachen Flughafenproblem „kläglich versagt“, was die „süddeutschen Politiker“ geradezu einlade, ihre Forderungen gegen die Schweiz immer weiter hochzuschrauben. Dabei habe die Schweiz viele Möglichkeiten, „um die deutsche Blockade gegen den Flughafen Zürich zu bekämpfen“, so die „Weltwoche“ in einer ihrer jüngsten Ausgaben. Zumal Skrupel „im Powerplay mit den Schwaben“ absolut fehl am Platz seien, da das deutsche Diktat jede Fairness vermissen lasse.

30 000 Grenzgänger fallen ein

Und geradezu genüsslich listet das Blatt eine Reihe solcher möglichen Kampf-, Gegen- oder Vergeltungsmaßnahmen gegen Deutschland auf, zusammen gestellt von vier Mitgliedern des Züricher Kantonsparlaments für eine parlamentarische Anfrage nach der Sommerpause. Und allein schon Ausdruck und Wortwahl machen wieder einmal deutlich, wie „gut-nachbarschaftlich“ das Verhältnis zwischen Eidgenossen und „Schwaben“ tatsächlich ist – nicht nur in Sachen Fluglärm. Neben Forderungen etwa nach „einer Lärmsteuer für deutsche Staatsbürger, die Zürich anfliegen“, nach der Beschränkung des grenzüberschreitenden Schwerverkehrs oder massiv verschärften Zollkontrollen an der Grenze mit der Folge von „kilometerlangen Staus“ gibt es da noch ganz andere Ideen.

Zum Beispiel: „Die über 30 000 Grenzgänger, die täglich von Süddeutschland her in den Kanton Zürich einfallen, unterstehen nicht der Personenfreizügigkeit“. Man müsse sich fragen, ob derartige Pendlerfahrten hinsichtlich Lärm und Umweltbelastung noch zu verantworten seien. Oder: „Süddeutsche Handwerker, die in der Schweiz zu Dumpingpreisen und unter Umgehung der Mehrwertsteuer arbeiten, sind ein zunehmendes Phänomen, das sich mit bürokratischen Kontrollen (vielleicht vollständig) eindämmen ließe“. Besonders bemerkenswert schließlich auch diese Überlegung: „Wenn die Süddeutschen sich um die Bedürfnisse der Schweiz foutieren (das ist schweizerisch und heißt etwa „sich nicht kümmern“), braucht die Schweiz beim Bau des geplanten Endlagers für hoch radioaktive Abfälle in Benken auch keine Rücksicht auf die notorischen Atomängste der Deutschen zu nehmen“.

Fazit der „Weltwoche“ zu diesen wahrhaft martialischen Ansätzen, die deutschen Nachbarn in die Knie zu zwingen: diese noch erweiterungsfähige Liste zeige, dass die Schweiz im Flughafen-Poker „durchaus ein paar Joker in der Hand hätte. Man müsste nur den Mut haben, sie auszuspielen“. Oder wie wär`s denn damit: Einfach den Grenzzaum wieder hochziehen.

Einvernehmliche Lösung erwartet

Doch nicht aus allen Ecken kommen derart bösartig-militante Töne. So erwartet man beim Eidgenössischen Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) in Sachen Fluglärmstreit bis zum Jahresende zumindest „Eckwerte für eine vertragliche Lösung“. Auch der (deutsche) Chef der „Swiss“ geht davon aus, dass die Partner aufeinander zugehen und bis Ende 2011 eine einvernehmliche Lösung auf dem Tisch liegt. Zumal, so macht der „Swiss“-Chef deutlich, auf deutscher Seite durchaus ein Interesse daran bestehen müsse, die Funktionsfähigkeit des Zürcher Flughafens zu erhalten, da täglich zahlreiche Flugzeuge deutscher Fluglinien in Zürich starten und landen, außerdem fast ein Fünftel der dort ins Flugzeug steigenden Passagiere aus Baden-Württemberg komme. Das wären nach derzeitigem Stand immerhin rund 4,5 Millionen im Jahr.

Womit ein anderer Blick auf das Thema Fluglärm frei wird: Diese Belastung kommt nicht einfach irgendwo her, wir verursachen sie durch unser Reiseverhalten mit.

Autorin: Regine Klett