Frontex: Rücktritt passend zur Abstimmung

Seebrücke KonstanzWer hätte je gedacht, dass es bei der EU etwas geben könnte, das einer Schweizer Abstimmung hilfreich unter die Arme greift? Jetzt schon: Am Wochenende des 15. Mai stimmen die SchweizerInnen darüber ab, ob sie ihren Beitrag zur EU-Grenzschutzorganisation Frontex aufstocken. Dass deren umstrittener Kommandant Fabrice Leggeri kürzlich zurückgetreten ist, wird der Vorlage helfen.

Die Schweiz gehört seit 2008 zum Schengen-Raum und beteiligt sich seit 2011 an Frontex. Durchschnittlich schickt sie jährlich sechs Angestellte zu Frontex und bezahlte im vergangenen Jahr 24 Millionen Franken an die Grenzschutzorganisation, die in den letzten Jahren vor allem negative Schlagzeilen machte: Illegale Pushbacks von an EU-Außengrenzen und im Mittelmeer einerseits und Korruptionsermittlungen andererseits machten Frontex zur umstrittenen Einrichtung. Bis 2027 soll der Schweizer Beitrag auf rund 61 Millionen Franken jährlich steigen. Weigert sich die Schweiz, den Frontex-Ausbau mitzufinanzieren, fällt sie eigentlich automatisch aus dem Schengenraum – es sei denn, die EU würde aus Kulanzgründen etwas anderes beschließen.

Gegen die stärkere Frontex-Beteiligung hat sich eine unheilige Allianz gebildet: Ursprünglich erzwangen linke NGO´s die Abstimmung (inzwischen erhalten sie auch Unterstützung von der SP) – Unterstützung erhalten sie mittlerweile aber auch von der rechtskonservativen SVP, die bekanntlich prinzipiell gegen alles ist, was mit der EU zu tun hat.

Die Ablehnungsgründe sind aber diametral entgegengesetzt: Während die Linken Frontex als eigentliches Mittel sehen, Flüchtlinge aus dem Schengenraum raus zu halten, kreidet die SVP Frontex an, genau dafür viel zu wenig zu tun. Während Erstere sicher sind, dass die EU die Schweiz auch bei einer Frontex-Ablehnung nicht aus dem Schengen-Raum werfen wird, wünscht sich das die SVP: Sie würde gerne die Schweizer Grenzkontrollen blick- und luftdicht gestalten. Könnte gut sein, dass man sich darüber keine Gedanken machen muss: Es sieht so aus, als ob die stärkere Frontex-Beteiligung angenommen würde.

Der Streit um die Organe

Die zweite – und heftig diskutierte – Abstimmungsvorlage soll die Frage klären, ob künftig jede und jeder SchweizerIn im Falle seines/ihres Todes prinzipiell OrganspenderIn sein soll oder ob das weiterhin nur jene sein werden, die sich zuvor einen Organspendeausweis besorgt haben. In Deutschland wurde genau diese Entscheidung 2020 vom Bundestag getroffen: Nach hitziger Diskussion in und außerhalb des Parlamentes blieb er bei der sogenannten Entscheidungslösung: SpenderIn ist nur, wer sich selbst dafür entschieden hat. Bisher ist das in der Schweiz gleich geregelt. Geht es aber nach der Parlamentsmehrheit, wird sich die Schweiz zu jenen Ländern gesellen, in denen die Widerspruchslösung Gesetz wird: Nur wer widerspricht, wird nicht automatisch OrganspenderIn.

Um solche Ablehnungen zu dokumentieren, muss aber noch ein entsprechendes Register aufgebaut werden. Dazu wird eine elektronische Identifikation notwendig werden, die es bisher noch nicht gibt. Das bisherige Register, bei dem die Bereitschaft zur Organspende hinterlegt werden konnte, wies gravierende Sicherheitslücken auf und muss deshalb ersetzt werden. Trotz dieser „Registerlücke“ hat das Gesetz gute Chancen, angenommen zu werden.

Vier Prozent fürs heimische Schaffen

Bei der dritten Vorlage wird darüber gestritten, ob Streamingdienste künftig auch dazu verpflichtet werden sollen, vier Prozent ihres Umsatzes dafür aufzuwenden, Schweizer Serien oder Filme zu drehen. Für die bestehenden Fernsehsender gilt diese Regel bereits, sie soll lediglich auch auf Netflix und Konsorten ausgedehnt werden. Außerdem muss das Angebot dieser Dienste zu 30 Prozent aus Filmen bestehen, die in Europa produziert wurden. Diese Regel ist eine, die in der EU bereits gilt.

Die GegnerInnen der Vorlage sehen durch die Vorschriften die Gewerbefreiheit verletzt und fürchten, künftig hätten Filme aus aller Welt weniger Chancen in die Programmangebote für die Schweiz zu kommen. Noch größer ist die Angst, die Streamingdienste könnten die neuen Kosten auf die Abo-Gebühren schlagen, denn diese sind in der Schweiz deutlich teurer als beispielsweise in Deutschland.

Text: Lieselotte Schiesser
Bild: Seebrücke Konstanz