Gabriele erklärt Ihnen die Welt
Einige wenige mussten am vergangenen Freitagabend entsetzt mit ansehen, wie die Mehrheit der rund 100 Anwesenden im Kreuzlinger Ulrichshaus die düsteren Ausführungen von Gabriele Kuby zustimmend aufnahmen. Die erzkonservative Publizistin sprach auf einer offiziell von der Kirchengemeinde im Rahmen der Erwachsenenbildungsreihe „Ring 2000“ organisierten Veranstaltung.
Am Anfang wurden die Medienvertreter zurechtgewiesen: Erst Pfarreirats-Präsident Martin Beck in seiner Begrüßung und dann die Rednerin selbst beklagten sich über eine angeblich nicht objektive Berichterstattung in den Medien (hier geht’s zur Stellungnahme). Vor allem auf nationaler Ebene werde sie falsch wiedergegeben, ließ Gabriele Kuby wissen. Mit Erfolg sei ihr Anwalt beispielsweise gegen das öffentlich-rechtliche „Deutschlandradio Kultur“ vorgegangen. Der Sender hatte kritisch über Kuby berichtet, die sogar laut „Fokus“ der katholischen Fundamentalistenszene zugerechnet wird.
Auch für Kirchgänger ziemlich krass
In der Tat scheint die Vortragsreisende öfter mal Probleme zu haben, wenn weltliche Medien abseits einer selbst für Kirchenkreise krassen Szene über sie schreiben. Nicht hinterfragt wird sie dafür auf Plattformen wie dem privaten Online-Magazin „Kath.net“.
Das ermöglicht Kuby, sich auch an diesem Abend als Unerschrockene darzustellen, die ans Licht bringt, was die „Mainstream-Medien“ verschweigen – ein von Verschwörungstheoretikern und der rechten Szene her bekannter Topos (beliebt ist es übrigens auch, einen „Kritiker aus den eigenen Reihen“ aufzutreiben). Sie stellt sich als Opfer dar und beschreibt ein düsteres Bild der Gegenwart: Wir befänden uns angeblich in einem „Kulturkampf“ und bewegten uns auf den Abgrund zu. In ihre Rede streut sie zudem immer wieder pauschale Kritik am Islam ein.
Kuby nimmt das Publikum mit auf einen wilden Ritt, bei dem sie alles streift und überall für ihre Thesen Passendes aus dem Kontext reißt, um es möglichst reißerisch und gespickt zu präsentieren. Sie sieht die „Religion, die Liebe zum eigenen Land und zur Familie“ heute bedroht. Kuby bringt eigene Anekdoten an den Mann, von traurigen, mit ihrem Geschlecht unsicheren und vom Zeitgeist fehlgeleiteten Menschen, und zitiert gegenüber ihrer Zuhörerschaft – von der sie doch annimmt, noch nie etwas von „Gender“ gehört zu haben – Größen aus der Kulturwissenschaft wie Judith Butler oder Herbert Marcuse. Nichts weniger als „Inzest und Pädophilie“ propagierten ihre Gegner, die „Genderisten“, unterstützt von den „Eliten der Welt“. Da schlackern einem die Ohren.
Kubys „Diktatur des Relativismus“
„Begriffe wie „Freiheit“, „Toleranz“ und „Diskriminierung“ werden heute ausgehöhlt“, sagt sie, und ärgert sich: „Was einst Sünde und Unzucht war, soll heute Option sein.“ Sie spricht von der „Diktatur des Relativismus“ und pocht auf alte Werte, auf die Unterscheidung in richtig und falsch.
Alle Ausführungen haben indes nur ein Ziel: Homosexuellen zu unterstellen, schlechte Eltern zu sein und ihnen die „Homo-Ehe“ zu verwehren. „Die Homo-Ehe ist kein Ausdruck von Gerechtigkeit“, verkündet Kuby. „Wenn wir alle gleich behandeln, beerdigen wir die Gerechtigkeit.“ Nur um in Anschluss zu konstatieren: „Christen werden heute zunehmend ausgegrenzt und diskriminiert.“ Homosexualität hingegen, da ist sich Kuby sicher, könne geheilt werden.
Eine ganz große Gefahr sieht sie von der Sexualerziehung ausgehen und fürchtet, dass „unsere Kinder“ zu Homosexuellen erzogen werden. Danach berichtet sie vom Widerstand, der sich in Europa bemerkbar mache, und findet lobende Worte nicht nur für die Vorgänge in Russland – einem Land wohlgemerkt, in dem Gewalt gegen Menschen, die anders lieben und leben, heute eine reale Gefahr ist.
Roger wer..?
Um Zustimmung für derart Unglaubliches zu erheischen, reicht indes die bloße Erwähnung vom „Chefredakteur der Weltwoche, wie heißt er noch, Roger … ?“. Und schon bekommt Kuby mit einem „Köppel“ aus mehreren Kehlen die wohlwollende Unterstützung für ihren kompletten Vortrag. Bizarre Szenen. (Roger Köppel ist Chefredakteur und Verleger der rechtskonservativen Weltwoche und seit 2015 Nationalrat für die fremdenfeindliche Schweizerische Volkspartei SVP, Anm.d.Red.). „Das Volk lässt sich nicht länger in einen Wahn hineinführen“, ruft Kuby ihrem Publikum am Ende aufwieglerisch zu: „Die Zeit zu schweigen, alles laufen zu lassen, ist vorbei! Die Natur, die Vernunft und Gott sind auf unserer Seite.“
Für ihre Abkanzelung Andersdenkender erntet sie lauten Applaus und von einigen Standing Ovations. Denen hingegen, die sich angesprochen fühlten, steht der Schock über das Erlebte ins Gesicht geschrieben. Sie schleichen hinaus und versuchen beim anschließenden Apéro zu ergründen, was hier gerade geschah.
Stefan Böker
Schräg und gefährlich: „Kuby-isten“
(sb) Alles gar nicht so schlimm? Von wegen: Gabriele Kuby gehört zur Sorte professioneller Meinungsmacher, die all ihre Zeit darauf verwenden, so viel Öffentlichkeit wie möglich zu bekommen für ihre hinter unschuldig erscheinenden Begrifflichkeiten versteckten radikalen Ansichten. Sie spricht von Wahrhaftigkeit, wobei unklar bleibt, was sie meint, aber: Sie hat sie auf alle Fälle gepachtet. Selten wird sie konkret, spielt dafür mit Emotionen und verbreitet Angst. Dabei kann sie es selbst in ihrer Stellungnahme auf meinen Artikel nicht lassen, zu zündeln und macht klar, dass Schwulsein für sie vergleichbar ist mit der schlechten, ungesunden Angewohnheit Rauchen.
Das könne man sich abgewöhnen, ist ihr perfider Umkehrschluss (dass sie Homosexualität als Störung ansieht, dem wollte sie übrigens nicht widersprechen). Im Anschluss an die Veranstaltung sprach ich mit einer Zuhörerin, die, nach christlichen Werten gefragt, allein „Familie“ formulieren konnte. Familie, war die Frau überzeugt, geht nur heterosexuell. Mit hektischen Handbewegungen malte sich ihre 16-jährige Tochter derweil die schlimmsten Folgen aus, wenn nicht-heterosexuelle Paare Kinder großziehen. „Aber eigentlich nützt es nichts, mit jemandem, der nicht glaubt, zu diskutieren“, sagte ihre Mutter.
Da sah auch ich ein, dass unter diesen Voraussetzungen kein fruchtbarer Austausch mehr möglich ist. Was diese Leute antreibt, ist tatsächlich die Angst, dass ihre Kinder sich einst in die oder den Falschen verlieben. Nicht auszudenken, was passiert, sollte ihr Nachwuchs es wagen, gar nicht erst zu glauben. Gabriele Kuby hat in ihrem Vortrag gesagt, es wird Zeit, dass dieser „Wahnsinn zu einem Ende kommt“. Da hat sie recht.
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