Gegner beschwören Angst vor Planwirtschaft

Das Neue Jahr ist noch jung und schon stehen in der benachbarten Schweiz wieder die nächsten Abstimmungen an. Am 9. Februar wird landesweit über die Initiative „für bezahlbare Wohnungen“ und das Referendum gegen ein Verbot von Diskriminierungen auf Grund der sexuellen Orientierung entschieden. Unsere Berichterstatterin erklärt, worum es dabei genau geht.

Das Thema der Volksinitiative „für bezahlbare Wohnungen“ des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbands ist auch in Deutschland in aller Munde: Wie sorgt man dafür, dass auch Menschen mit tieferen Einkommen in Ballungsgebieten noch bezahlbare Wohnungen finden? KonstanzerInnen können davon ein Lied singen. Während es Berlin mit einer Obergrenze der Quadratmeterpreise versucht und Konstanz länger leerstehende Wohnungen erfasst, will die Mieterverbands-Initiative in der Schweiz den Bund verpflichten, den gemeinnützigen Wohnungsbau zu fördern: Mindestens zehn Prozent der neu gebauten Wohnungen sollen gemeinnützigen Bauträgern – meistens Genossenschaften – gehören. Zudem sollen sich Kantone und Gemeinden ein Vorkaufsrecht auf Grundstücksverkäufe einräumen können. Letzteres kennen z.B. in Baden-Württemberg viele Kommunen – auch die Stadt Konstanz.

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Unterschiedliche Ausgangslage

In der Schweiz präsentiert sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt ähnlich wie in Deutschland: In den Ballungsräumen Zürich, Genf, Lausanne, Basel sind die Mieten der auf den Markt kommenden Wohnungen in den letzten zehn Jahren stark angestiegen: in Genf (laut dem Immobilienportal Homegate) um fast 25 Prozent, in Zürich innerhalb von drei Jahren um sieben. Gleichzeitig gibt es dort kaum freie Wohnungen.

Die Leerwohnungsbestände bewegen sich laut Bundesamt für Statistik in diesen Zentren nahe Null – in Genf liegen sie bei 0,54, in Zürich bei 0,89 Prozent. Dagegen steigt der Leerwohnungsbestand in ländlichen Regionen – beispielsweise liegt er im Thurgau mit 2,65 und in Schaffhausen mit 2,56 Prozent deutlich über dem Landesdurchschnitt von 1,66 Prozent.

So unterschiedlich wie die Ausgangslage am Wohnungsmarkt, so unterschiedlich wird auch die Dringlichkeit der Initiative „für bezahlbare Wohnungen“ beurteilt. Auf der linken Seite des politischen Spektrums wird sie unterstützt, von der Mitte bis nach weit rechts wird sie abgelehnt. Während sich die einen durch die staatliche Unterstützung des genossenschaftlichen Wohnungsbaus eine Entspannung an den (städtischen) Mietfronten erwarten, beschwören die anderen die „Verstaatlichung des Wohnungsmarkts“, „kontraproduktive Markteingriffe“ und „Planwirtschaft“.

Da Volksinitiativen, um als angenommen zu gelten, nicht nur die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen müssen, sondern auch die Mehrheit der Kantone brauchen, kann man davon ausgehen, dass diese Initiative wenig Chancen hat auf Zustimmung.

„Das wird man doch noch sagen dürfen“

Die zweite Abstimmung am 9. Februar haben die Eidgenössisch Demokratische Union (EDU) – beliebt in Freikirchenkreisen – und die Jungendorganisation der Schweizerischen Volkspartei (JSVP) ausgelöst, weil sie das Referendum gegen eine Erweiterung der Straftatbestände im bestehenden Antirassismus-Gesetz ergriffen. Unterstützt werden sie von der „Stiftung Zukunft Schweiz“, die auch gegen die „Ehe für alle“ kämpft.

Das Parlament hat mit großer Mehrheit zugestimmt, neu auch Diskriminierung auf Grund der sexuellen Orientierung in den Strafkatalog des Gesetzes aufzunehmen. Dieses stellt bisher Aufrufe zu Hass und Diskriminierung auf Grund von „Rasse, Ethnie oder Religion“ unter Strafe. Auch mit der geplanten Erweiterung sind nur öffentliche Äußerungen oder Handlungen strafbar – daheim oder am Stammtisch darf jeder, der will, weiterhin seinen Vorurteilen freien Lauf lassen.

Trotzdem sehen EDU und JSVP durch die neue Strafnorm ihre Meinungsfreiheit bedroht – wie sie und ihre „Mutterpartei“ SVP und weitere rechte Parteien diese schon 1995 durch die Einführung der Antirassismusstrafnorm bedroht sahen (und immer noch beklagen). Bisher sieht es nicht so aus, als ob diese „das wird man doch noch sagen dürfen“-Argumentation bei der Abstimmung erfolgreich sein wird.

Lieselotte Schiesser (Bild: zvg)