„Highlander“-Suche in Katholisch-Kreuzlingen

Religionen haben’s üblicherweise nicht so mit der Toleranz – sie huldigen eher dem „Highlander“-Bekenntnis: Es kann nur Einen geben. Innerhalb der Kirchen wird dann um die einzig richtige Anwendung von Glaubenssätzen gestritten. Das kann Gemeinden entzweien, wie in Kreuzlingen. Dort tobt ein eidgenössischer Glaubenskrieg besonderer Art.

In Katholisch-Kreuzlingen (eine Gemeinde mit zwei Pfarreien) könnte nun nach jahrelangem Streit ein solcher Richtungsstreit zu Ende gehen. Hauptdarsteller: ein vor fünf Jahren aus dem Vatikan gekommener Pfarradministrator, Nebendarsteller: eine „Dialoggruppe“ liberaler Gläubiger, die (weltliche) Kirchgemeindeleitung und ein weiblicher Fanclub des Pfarrers.

Ende Oktober muss der umstrittene konservative Pfarrer zwar das Feld räumen, aber der Fanclub ist noch immer höchst verärgert. Denn er wollte, dass „sein“ streng nach vatikanischen Vorschriften agierender Pfarrer die Gesamtleitung der beiden Pfarreien bekommt.

Dagegen – und gegen die Amtsführung des Pfarradministrators – wehrte sich seit Jahren die „Dialoggruppe“, war ihr doch der erzkonservative Pfarrherr ein Dorn im Auge. Denn unter dessen Leitung – lange unterstützt durch die Kirchgemeindeleitung – verkrachte sich der Kirchenchor, das gute Verhältnis zu den Protestanten zerbröselte und Gläubige beschwerten sich über verweigerte Kommunionen, abgelehnte Hochzeits-Lieder und Vieles mehr.

Von der Glaubenskongregation nach Kreuzlingen

Das Spektakel begann wenige Monate nach dem Amtsantritt des Pfarradministrators 2012. Der Mann kam direkt aus dem Vatikan, wo er 18 Jahre als Kirchenrechtler in der Glaubenskongregation gearbeitet hatte – auch unter Kardinal Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI. Das hätte die Kreuzlinger warnen sollen, denn Ratzinger war als erzkonservativ bekannt.

Aber vermutlich fanden es die Einen gut, dass einer kam, der dieser „neumodischen Reformiererei“ entgegenträte – und die Anderen dachten, notfalls werde man ihn einfach nicht zum Pfarrer wählen. Denn das ist eine schweizerische Besonderheit, die dem Vatikan schon lange gegen den Strich geht: Schweizerische katholische Gemeinden entscheiden per Wahl selbst, ob sie einen vom Bischof Vorgeschlagenen auch wirklich als Pfarrer wollen. In Kreuzlingen allerdings funktionierte das nicht, denn das Bistum schickte den Neuen als Administrator – eigentlich ein Übergangsamt ohne Laienwahlrecht. Allerdings kann dieser „Übergang“ nach kirchlichem Recht unendlich dauern. Womit Bistum und Vatikan das ungeliebte Wahlrecht aushebeln.

Der Neue kehrte in seiner Pfarrei mit eisernem Besen alles, das nicht nach traditionellem Katholizismus und nach strenger Befolgung der vatikanischen Vorschriften roch, aus der Kirche. Gleichzeitig kündigte die ebenfalls neue (weltliche) Gemeindeleitung Mitarbeitern – woraufhin andere den Bettel selbst hinwarfen. Der Pfarradministrator selbst sah bei sich keine Schuld, er verkünde den Glauben genau nach vatikanischer Auslegung. Und wer kann dagegen als Katholik schon etwas haben?

Das beruhigte die „Modernisten“ nicht. Sie hofften, mit einer „Dialoggruppe“ die (weltliche) Gemeindeleitung zu Gesprächen darüber zu bewegen, wie man die Bedürfnisse der konservativen und der liberalen Gemeindemitglieder unter einen Hut bekommen könnte. Die Gemeindeleitung aber machte auf Rajoy und mauerte.

Falsche Taktik

Dann aber verspekulierte sie sich: Sie versuchte, die Kirchbürger zu übertölpeln, indem sie einen frei gewordenen Sitz im Kirchgemeinderat nicht ausschrieb, sondern dafür klammheimlich einen Bewerber – ehemaliger SVP-Stadtrat – suchte. Das ging schief: Die Gegenseite bekam Wind von dem Vorhaben, suchte blitzartig einen eigenen Kandidaten und war erfolgreich. Das verkraftete der Kirchgemeinde-Präsident gar nicht und trat zurück.

Die Aufständischen holten seinen Amtsvorgänger aus dem „Ruhestand“, der sofort daran ging, eine Lösung zu suchen. Die schien greifbar, als der Kirchgemeinderat einen neuen Gesamtleiter für beide Gemeinden bestimmen musste. Man wählte einen von dem Streit unbelasteten, eben erst aus Österreich gekommenen polnischen Redemptoristen-Mönch für diesen Posten. Der umstrittene Pfarradministrator sollte seine Gemeinde behalten, allerdings unter dem neuen Gemeindeleiter.

Offiziell erklärte er sein Einverständnis. Inoffiziell war er anscheinend not amused. Jedenfalls trat plötzlich ein weiblicher Fanclub an die Öffentlichkeit. Weil die Kirchgemeindevorsteherschaft für den Wunsch nach Gemeindeleitung für den Verehrten kein Gehör hatte, veröffentlichten die Getreuen einen Leserbrief mit subtilen Unterstellungen gegen den „Neuen“. Dann starteten sie eine Petition, die jeder und jede unterschreiben konnten, die eben des Weges kamen. Nur taten sie so, als ob es sich um über 700 Unterschriften von Gemeindemitgliedern handle.

Da muss bei der Gemeindeleitung der Ofen aus gewesen sein. Die Verhandlungen mit dem glaubensstrengen Pfarrer endeten jedenfalls mit der Kündigung auf Mitte 2018 und der Freistellung zum Monatsende. Noch allerdings grummelt der Fanclub. Dabei sollten sie sich doch wenig Sorgen machen: polnische Katholiken gelten nicht gerade als „westlich lasch“ – und der bekannteste polnische Redemptorist betreibt das notorisch reaktionäre „Radio Maryja“.

Lieselotte Schiesser