Identitätsausweis durch Großkonzerne

Die bürgerlichen Parteien in der Schweiz wollen, dass der neue elektronische Iden­ti­täts­ausweis von Privaten vertrieben wird. In nicht allzu ferner Zukunft soll nach dem Willen des Bundes jede Schweizerin, jeder Schweizer über einen elektronischen Ausweis verfügen. Das soll Behördengänge oder solche zur Post sowie jeden Verkehr mit Amtsstellen oder Privaten abkürzen. Doch das ist wohl nicht alles, argwöhnt unser Berichterstatter.

Zum Reisen allerdings wird sich der neue Ausweis nicht eignen, dafür wird man nach wie vor die traditionelle Identitätskarte (ID) oder einen Pass benötigen. Dieser Umstand allein könnte nahelegen, dass nicht nur der Umgang mit jeder Art von Bürokratie, sondern auch die Überwachung der Bürger vereinfacht werden soll.

Denn ausgegeben werden soll die neue E-ID nicht vom Bund selber, sondern von Privatfirmen, namentlich Konzernen wie die Zürich-Versicherung, die Grossbanken UBS oder Crédit Suisse (CS), dazu Autovermieter wie Six oder der ehemals staatliche Telefon- und TV- Gigant Swisscom. Die Bundesverwaltung sehe sich außerstande, diese Aufgabe zu übernehmen, heißt es. Das allerdings wäre eine Bankrotterklärung, es sei denn, sie wäre, was zu vermuten ist, lediglich vorgeschoben.

Die Ausstellung von Dokumenten (wie Pass, Personalausweis und Urkunden) ist eine hoheitliche Aufgabe, die bislang zu Recht allein der Staat übernehmen durfte. Nun soll die Privatisierung (die bislang außer Teuerungen für den Konsumenten und Profite für Private nichts gebracht hat), auch auf den hoheitlichen Bereich des Staats ausgeweitet werden. Dass ausgerechnet Banken und Versicherungen zum Zug kommen sollen, ist logisch: Unsere Daten sind (nicht nur) für sie der Rohstoff der Zukunft, das Gold der Gegenwart, wertvoller beinahe als alle Rohstoffe zusammen.

FDP-Nationalrat Dobler, selbst IT-Unternehmer, hält die Bedenken gegen diese private Lösung für „fake news“. Na klar. Wir wollen nur eure Daten, liebe Bürger, mit allem anderen kommen wir schon zurecht. Das glaubt man ihm gerne. Unterdessen aber haben verschiedene Bürgerkomitees mit der Unterschriftensammlung begonnen, um ein Referendum gegen die Privatisierung, den Transfer unserer Daten vom Staat zu Konzernen zu lancieren.

Die Sozialdemokratische Partei (SP) unterstützt das Referendum, auch wenn es nicht ganz oben auf ihrer Agenda steht, ebenso die Grüne Partei (GP), allerdings möchte sie, dass der Bürger zwischen einer staatlichen und einer privaten E-ID wählen kann. Das ist wohl, trotz aller Radikalität in ökologischen Fragen, der Anfälligkeit der Grünen für neoliberale Politik – auch im Sozialbereich – geschuldet.

Für das Referendum müssen 50.000 Unterschriften zusammenkommen. Das dürfte auch mit der Unterstützung von SP und Grünen kein Problem darstellen. Nach Umfragen sind angeblich 87 Prozent aller BürgerInnen gegen einen privaten elektronischen Identitätsausweis. Bleibt abzuwarten, ob am Schluss zumindest eine Mehrheit bei der Volksabstimmung heraus schaut. Dringend zu wünschen wäre es.

Jochen Kelter