Kantone sparen sich kaputt
In Zürich und Basel-Stadt wird am 17. Juni über Steuersenkungen abgestimmt – und PolitikerInnen werben für die Steuergeschenke, als ob sie die Entwicklungen nicht kennen würden. Die Folgen des Steuerwettbewerbs, des nicht enden wollenden Buhlens um Reiche und Unternehmen, erfahren die BewohnerInnen in Schaffhausen und St.?Gallen hautnah.
Beide Kantone haben in den letzten Jahren eine konsequente Steuersenkungspolitik zugunsten von Gutverdienenden und Unternehmen verfolgt, worauf nun Löcher in der Kantonskasse klaffen, die gestopft werden wollen: Der St.?Galler Kantonsrat hat soeben ein 210 Millionen Franken dickes Sparpaket verabschiedet. Die Schaffhauser Regierung stellte unlängst die Maßnahmen vor, mit denen jährlich 25 Millionen Franken eingespart werden sollen. Gespart wird in beiden Kantonen zuvorderst bei der Bildung. In Schaffhausen stehen zudem gravierende Leistungskürzungen im Sozialbereich und bei öffentlichen Dienstleistungen an – ebensolche hat der Kanton St.?Gallen mit einem ersten Sparpaket bereits vor einem Jahr verabschiedet.
Die Sparmaßnahmen treffen vor allem jene BürgerInnen, die sonst schon keinen Franken zu viel haben. Und mit dem Kahlschlag bei der Bildung setzt die bürgerliche Sparpolitik den Hebel genau dort an, wo nicht nur die Zukunft des Nachwuchses, sondern – insbesondere im Hochschulkanton St.?Gallen – auch ein wichtiger Standortfaktor auf dem Spiel steht.
Abstimmung an diesem Sonntag
Der Kanton Zürich schickt sich an, in dieselbe Falle zu tappen: Die von Bundesrat Hans-Rudolf Merz verbrochene Unternehmenssteuerreform II – die den Staat Milliarden Franken kosten wird, obwohl vor der Abstimmung nur von Millionen die Rede war – überlässt es den Kantonen, ob sie den ansässigen Unternehmen die Anrechnung der Kapital- an die Gewinnsteuer gewähren wollen oder nicht. Ob der Kanton Zürich will, entscheidet sich an diesem Sonntag, wenn die ZürcherInnen über die entsprechende Unternehmenssteuerrevision abstimmen.
Konkret würde ein Ja an der Urne bedeuten: Wenn die Gewinne eines Unternehmens einen bestimmten Anteil des Eigenkapitals übersteigen, fällt die Kapitalsteuer faktisch weg. Wie damals schon Bundesrat Merz behaupten die bürgerlichen BefürworterInnen, mit der Maßnahme würden vor allem kleinere und mittlere Unternehmen entlastet, was aber nicht stimmt. Von der Entlastung profitieren vor allem große Firmen mit hohen Gewinnerträgen – Banken, Versicherungen und Konzerne. Die Folgen für Kanton und Gemeinden: Steuerausfälle in der Höhe von geschätzten 120 Millionen Franken jährlich. Dass dies zum Problem werden kann, hat zumindest die Stadt Zürich gemerkt, die mit etwa 50 Millionen Franken den Großteil der Steuerausfälle verkraften müsste. Der Gemeinderat verpflichtete die Stadtregierung, die Vorlage zu bekämpfen.
Perfider ist die Situation im Kanton Basel-Stadt: Da will eine linke Regierungsmehrheit mit einem grünen Regierungspräsidenten unter Federführung einer SP-Finanzdirektorin den maximalen Gewinnsteuersatz für Unternehmen um zwei Prozent senken. Dies sei – so die Regierung – moderat und verkraftbar, würde doch Basel nach der Steuersenkung im nationalen Vergleich bei den Gewinnsteuern immer noch auf den hinteren Rängen verbleiben. Die Basler Regierung greift immerhin nicht auf das Märchen der profitierenden Klein- und Mittelbetriebe zurück – es würde genauso wenig ziehen wie in Zürich.
Nur die Konzerne profitieren
Von der «moderaten» Steuersenkung profitieren auch in Basel Unternehmen wie der Pharmamulti Novartis, der jene hohen Gewinnsummen ausweist, bei denen der tiefere Steuersatz überhaupt erst zum Tragen kommt. Der Grundsteuersatz, den die kleinsten Unternehmen zu entrichten haben, bleibt indes unverändert. Die Basler Regierung wiederholt zwar gebetsmühlenartig, Investitionen und Infrastruktur würden durch die Steuersenkung nicht gefährdet – doch die Erfahrung aus anderen Kantonen, wie aktuell St.?Gallen oder Schaffhausen, lassen Gegenteiliges befürchten.
BefürworterInnen der Steuersenkungen holen immer wieder gern das Schlagwort «Standortfaktor Steuerfuss» aus der Mottenkiste und zeichnen das Drohszenario, nach dem Neuzuzüge ausbleiben respektive Personen und Kapital abwandern würden – langfristig werden jedoch keine Unternehmen, keine noch so guten SteuerzahlerInnen an einen Ort ziehen wollen, wo die Gebühren für öffentliche Leistungen hoch, das Bildungsangebot mies ist und die Infrastruktur verlottert.
StadtbaslerInnen und ZürcherInnen sollten sich gut überlegen, ob sie an den Abstimmungen vom kommenden Sonntag jenen Maßnahmen zum Durchbruch verhelfen wollen, die das Risiko bergen, dass ihre Kantone kaputt gespart werden.
Autorin: Susi Stühlinger/WOZ