Komturei Tobel: Kunst in verfallendem Gemäuer

Mit einer eher ungewöhnlichen Aktion macht jetzt die Komturei Tobel auf sich aufmerksam. „Unter die Haut ins Herz“ ist Titel einer Ausstellung rund um das Thema Tattoo, die bis 7. Oktober in einem Seitentrakt der seit Jahren immer mehr verfallenden, geschichtsträchtigen Anlage im Hinterthurgau gezeigt wird. Mit Bildern, Aktionen, Geschichten will der Schweizer „Hautkünstler“ Gass Rupp das Verständnis fördern für die Welt des Tattoos.

Mit einem interdisziplinären Kunst- und Kulturprojekt versucht eine Gruppe engagierter Schweizer Künstler seit zwei Jahren, wenigstens zeitweise wieder ein wenig Leben in die seit inzwischen rund 25 Jahren verlassene, eigentlich idyllische Anlage zu bringen. “Tatort Komturei“ nennt sich das Projekt, das mit Ausstellungen und einem vielfältigen Rahmenprogramm auch einen Bezug herstellen will zur wechselvollen Geschichte dieses im Kern fast 300 Jahre alten Baudenkmals.

Barockbau von Bagnato

Man kennt das auch hierzulande: Während Privateigentümer historisch wertvoller Gebäude notfalls zur Instandhaltung verpflichtet werden können, darf der Staat denkmalgeschützte Bausubstanz ungestraft verlottern lassen. Die Folge: Hohe Sanierungskosten schrecken mögliche Kaufinteressenten ab, neue Nutzungen werden erschwert, die Gebäude stehen leer und verfallen weiter.

Ein geradezu exemplarisches Beispiel für einen solchen Ablauf ist die ehemalige Kommende des Johanniterordens in Tobel. 1226 – 28 gegründet, war sie eine von acht Niederlassungen geistiger und ritterlicher Orden, die sich im 13. Jahrhundert auf Thurgauer Gebiet niederließen. Die Komturei diente vor allem als Pilgerherberge für Wanderer auf ihrem Weg von Konstanz nach Einsiedeln. Von den Gebäuden aus der Gründerzeit jedoch ist heute nichts mehr vorhanden, sie wurden im 18. Jahrhundert abgebrochen. Die Kirche entstand an ihrem heutigen Standort oberhalb der Anlage neu, die Ökonomiegebäude wurden 1744-76 durch einen dreiflügeligen Bau ersetzt, geschaffen von keinem Geringeren als dem süddeutschen Barockbaumeister Johann Caspar Bagnato, auf den unter anderem die Barockanlage auf der Insel Mainau zurück geht.

Ein Armutszeugnis

Im Zuge der Säkularisation wurde die Kommende Tobel aufgehoben, die Güter gingen an den damals noch jungen Kanton Thurgau, der hier 1809 eine „Zucht- und Arbeitsanstalt“ sowie einen Landwirtschaftsbetrieb einrichtete. Das Gefängnis wurde 1973 verlegt, in der Folge wurden einige Gebäude abgebrochen, darunter auch der rechte Seitenflügel des Bagnato-Baus. 1986 wurde auch der Landwirtschaftsbetrieb aufgegeben. Seither steht das gesamte, insgesamt rund fünf Hektar große Anwesen weitgehend leer.

Ein erster Anlauf für eine neue Nutzung scheiterte 1991, die Thurgauer Stimmbürger lehnten die Einrichtung eines Museums für Bauern- und Dorfkultur in der Komturei Tobel ab. Auch die Suche nach Investoren blieb wegen der auf 20 bis 40 Millionen Franken geschätzten Sanierungskosten und der eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten erfolglos. In der Folge wurden im Kanton die Stimmen immer lauter, die für die einfachste Lösung plädierten: das Ganze einfach „platt“ machen. Doch dem steht bis heute der Denkmalschutz entgegen. Immerhin werden in der Inventarliste der Kantonalen Denkmalpflege zumindest Teile der Anlage, vor allem natürlich der Barockbau, als „besonders wertvoll“ eingestuft. Wörtlich heißt es da: „Die Komturei Tobel gehört zu den gut erforschten, aber vernachlässigten Kunstdenkmälern im Thurgau“, womit der Kanton sich sozusagen selbst ein Armutszeugnis ausstellt.

Cleverer Schachzug

Doch mit einem wahrhaft cleveren Schachzug gelang es dem Kanton schließlich, sich des Problemfalles „Komturei“ doch noch zu entledigen. Auf der Basis eines vermeintlich tragfähigen Nutzungskonzeptes wurde 2006 eine Stiftung gegründet, in welche die gesamte Anlage, also rund fünf Hektar Land und elf mehr oder weniger baufällige Gebäude eingebracht wurden, dazu 2,9 Millionen Franken als Stiftungskapital. Unter dem Motto „Wo Generationen sich finden“ sollten etappenweise eine Schule mit Internat für verhaltensauffällige Jugendliche entstehen, eine Seniorenresidenz sowie zu einem späteren Zeitpunkt noch ein Hotel. Ein Verein wurde gegründet, auch ein Stiftungsrat ins Leben gerufen, mit einigen Politikern an der Spitze.

Doch bereits zwei Jahre später war der Traum von der Neubelebung der Komturei ausgeträumt. Das Schulprojekt ließ sich nicht realisieren und damit fiel das gesamte Konzept wie ein Kartenhaus in sich zusammen. In der Folge zogen Banken ihre Finanzierungszusagen zurück und auch die Politiker, die sich viel für ihr eigenes Renommee versprochen hatten, verschwanden. Schon bald war das Stiftungskapital weitgehend aufgebraucht,. die Komturei Tobel geriet wieder in die Schlagzeilen, die Diskussion begann von vorn, doch weitere Hilfe vom Kanton ist nicht zu erwarten.

Seither versuchen einige Engagierte von Stiftungsrat und Verein zusammen mit Freunden und Helfern, in ehrenamtlichem Einsatz zu retten, was noch zu retten ist Und es ist auch einiges geschehen: die Pilgerherberge wurde wieder benutzbar gemacht, da die Komturei immer noch eine Station ist auf dem „Schwabenweg“ von Konstanz nach Einsiedeln. Einige Räumlichkeiten wurden renoviert und vermietet, ein Stück Land verkauft. Die „Komturei-Beiz“ ist einmal wöchentlich geöffnet, die unregelmäßig überwiegend im einstigen Gefängnistrakt stattfindenden kulturellen Veranstaltungen ziehen teilweise Publikum aus der ganzen Deutschschweiz an.

Dennoch macht die im Grunde idyllisch gelegene Anlage insgesamt einen recht verwahrlosten Eindruck Am deutlichsten wahrzunehmen am Bagnato-Bau, statt barockem Glanz rieselt hier der Putz von Decken und Wänden. Dennoch schaut der einsatzfreudige Stiftungsrat inzwischen zuversichtlich in die Zukunft. Man wolle den begonnenen „langsamen Weg der kleinen Schritte“ weiter gehen, heißt es, auch in der Hoffnung, dass irgend wann doch noch ein Wunder geschieht.

Autorin: Regine Klett

Anreise: Tobel liegt an der Bahnstrecke Weinfelden – Wil. In Wil und Weinfelden fahren halbstündlich Schnellzüge von und nach Zürich, Winterthur und St. Gallen. Zwischen Wil und Weinfelden verkehrt der THURBO (Bahn) jede halbe Stunde entweder nach Wil oder nach Weinfelden. Station: Tobel-Affeltrangen. Die Station ist 800 Meter entfernt. Alternative: Ab dem Bahnhof Tobel-Affeltrangen besteht eine stündliche Postautoverbindung von und nach Frauenfeld. Mit dem Auto erreichen Sie Tobel über die A1 ab der Autobahnausfahrt Münchwilen in 10 Min. und ab jener von Wil in 15 Min.

Weiterer Link: www.komturei.ch