Kreuzlingen: Wahl ohne Auswahl
Kreuzlingen bekommt am 21. Januar ein neues Stadtoberhaupt – es wird Thomas Niederberger heißen. Auch wenn die Wahl erst in ein paar Tagen ist, kann man das Ergebnis bereits heute risikolos vorhersagen. Der Mann hat nämlich keine Mitbewerber mehr. Das einzig Spannende an dieser Wahl ist die Frage, ob die Wahlbeteiligung über oder unter 20 Prozent liegen wird.
Als die KreuzlingerInnen im Mai 2017 von der Nachricht überrascht wurden, dass „ihr“ Stadtpräsident (Oberbürgermeister) Andreas Netzle drei Monate später den Bettel hinschmeißen und einen Posten als Pressesprecher eines Bau-Generalunternehmens antreten werde, war schnell klar: Kandidatenmangel für die Nachfolge bestand nicht. Am Ende traten fünf Kandidaten und eine Kandidatin zur ersten Wahlrunde im November an.
Nicht unbedingt überraschend war, dass der einzige parteilose Kandidat Thomas Niederberger, bisher Stadtschreiber – also Chef der städtischen Verwaltung – diese erste Runde gewann (seemoz berichtete). Überraschend war nur, dass er mit 1417 Stimmen fast doppelt so viele Stimmen geholt hatte wie die Zweitplatzierte Edith Wohlfender (SP). Zur Wahl hatte es aber trotzdem nicht gereicht – er blieb fast 500 Stimmen unter der absoluten Mehrheit, die im 1. Wahlgang für einen Sieg nötig gewesen wäre.
Nun gelten gewöhnlich für 2. Wahlgänge andere Gesetze, Nicht nur, weil dieses Mal gewinnt, wer die meisten Stimmen hat, sondern weil sich mehrere unterlegene Parteien auf einen einzigen Kandidaten einigen und so ihre Stimmen bündeln können. In Kreuzlingen kam diese Möglichkeit aber nicht zum Tragen. Das lag nicht nur am großen Abstand des Siegers, sondern auch daran, dass sich die „bürgerlichen“ Parteien SVP, FDP und CVP niemals auf die Sozialdemokratin als gemeinsame Kandidatin eingelassen hätten. So was wie GroKo-Feeling kommt da nicht auf. Die eigenen Kandidaten waren aber derart unter „ferner liefen“ gelandet, dass eine erneute Kandidatur aussichtslos war.
Und so zogen alle fünf Unterlegenen nach und nach ihre Bewerbung zurück. Übrig blieb eben Thomas Niederberger – immer noch parteilos, immer noch gewillt, nach der Wahl einer Partei beizutreten, aber auch immer noch nicht bereit, den WählerInnen mitzuteilen, ob das nun die CVP oder die FDP sein wird.
Bei dieser Ausgangslage ist damit zu rechnen, dass viele der sowieso schon wenigen Kreuzlinger Wahlberechtigten gar nicht erst wählen werden. Einerseits, weil der Kandidat ja auch gewählt wäre, wenn nur ein Wähler zur Wahl geht, dieser dann aber für den einzigen Kandidaten stimmt. Andererseits, weil der Kandidat nicht so geliebt wird, dass alle begeistert zur Wahl schreiten würden. Auch wenn der Kandidat den Spruch der Musketiere bemüht: „Alle für Einen“, sind eben nicht alle davon überzeugt, dass die zweite Hälfte des Spruches „Einer für alle“ ebenso gilt.
So war Niederberger vor dem 1. Wahlgang der einzige Kandidierende, der sich gegen die „Ehe für alle“ ausgesprochen hatte. Nicht mal der gut katholische Kandidat der rechtskonservativen SVP hatte diese Haltung geteilt. Andere wieder befürchten, dass von einem bisher ausschließlich in der Verwaltung tätigen Stadtpräsidenten kaum innovative Ideen zur Stadtentwicklung zu erwarten sind, sondern eher ein „weiter wie bisher“. Er selbst übrigens wünscht sich eine Wahlbeteiligung von 30 Prozent, damit er wenigstens mit 2000 Stimmen gewählt würde. Eine echte Minderheitenwahl in einer Stadt mit 21 000 Einwohnern.
Lieselotte Schiesser