Nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung
Nach dem Spiel ist bekanntlich vor dem Spiel. Oder, übertragen auf die Schweiz: Nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung. Kaum ist die September-Abstimmung vorbei, steht Ende November die nächste bevor. Wieder drei Bundesvorlagen – und in Kreuzlingen bald auch noch Wahlen für die städtische Exekutive und den Schulpräsidenten.
Auf Bundesebene geht’s um die „Hornkuh-Initiative“, die „Selbstbestimmungs-Initiative“ der SVP und das Referendum gegen ein Gesetz zum Einsatz von Sozialdetektiven. Wir starten hier mit der „Hornkuh-Initiative“, die so wunderbar zum Image der Schweiz als Hort der Alm-Öhis passt, die sich um Käse und Schokolade kümmern. Schweizern graust’s vor diesem Image – zuallererst, weil das in der Schweiz „Alp-“ und nicht „Alm“-Öhi heißt.
Für Kühe, die ihre Hörner behalten dürfen
Ziel der „Hornkuh-Initiative“ ist es, Bauern finanziell zu fördern, die ihren Kühen, Stieren und Ziegen die Hörner nicht entfernen. Bei insgesamt jährlich etwa 3,6 Milliarden Franken Zahlungen an die Landwirtschaft fiele das nicht groß ins Gewicht.
Vielen Leuten ist gar nicht bewusst, dass etwa 90 Prozent aller Kühe eigentlich Hörner hätten, würden die ihnen von den Bauern nicht entfernt. Die restlichen 10 Prozent gehören zu Rassen, die hornlos gezüchtet sind. Die Hörner wiederum sind kein „totes Holz“ – sie sind mit Nerven versehen, durchblutet und dienen den Kühen zur Verständigung mit ihren Artgenossinnen, aber auch als Waffe.
Kühe mit Hörnern zeigen ein anderes Sozialverhalten als solche ohne. Aber sie brauchen auch mehr Platz in den Ställen und verletzen sich hin und wieder gegenseitig. Die meisten Bauern entfernen deshalb die Hörner. Was die Initianten als Eingriff in die Würde der Tiere betrachten.
In der Bevölkerung genoss und genießt die „Hornkuh-Initiative“ viel Sympathie. Bei Regierung und Parlament allerdings nicht. Die Ablehnung wird einerseits damit begründet, dass man nicht in die „unternehmerische Freiheit“ der Landwirte eingreifen wolle. Andererseits wird befürchtet, Bauern könnten vermehrt dazu übergehen, die Kühe dauernd anzubinden, statt sie frei laufen zu lassen. So könnten sie einen eher niederen Subventionsbetrag abgreifen, ohne gleichzeitig die Ställe vergrößern zu müssen. Die Initiative schreibt nämlich keine Haltungsform für die Tiere vor. Da die Schweizer Stimmberechtigten aber für den Tierschutz gewöhnlich ein offenes Ohr haben, ist die Initiative nicht chancenlos.
Lieselotte Schiesser (Foto: H. Reile)