Neues Stadthaus oder neue Pleite?
Kreuzlingen will’s nun endlich wissen: Am 27. November sollen die Stimmberechtigten über Bau oder Nicht-Bau eines neuen Stadthauses samt Tiefgarage und Festwiese für 47,5 Mio. Franken entscheiden. Ursprünglich war dieses Verwaltungsgebäude ein Teil der sogenannten Xentrums-Planung. Nachdem die anderen Xentrums-Teile scheiterten, scheint es nicht ausgeschlossen, dass auch der letzte Teil eine Pleite erlebt.
Zum „Xentrum“ gehörten ursprünglich ein neuer Busbahnhof, ein neues, großes Hallenbad und eben das Stadthaus. Den Busbahnhof versenkten die Stimmberechtigten, weil viele der Ansicht waren, dafür den bestehenden Mini-Park zwischen Bärenplatz und Ceha-Einkaufszentrum zu beschneiden, sei keine gute Idee. Das Hallenbad, das ein 50-Meter-Becken für die Kreuzlinger Wasserballer vorsah, ging baden: zu teuer, zu groß. Inzwischen hat die Schulgemeinde Kreuzlingen (Trägerschaft der Volksschulen) einen neuen, bescheideneren Anlauf genommen – und bisher motzt noch niemand.
Ungeliebter Standort
Hingegen häufen sich bereits die Leserbriefe gegen die neue Stadthausplanung. Dabei stößt vor allem der von Stadtrat (Exekutive) und Gemeinderat (Parlament) gewünschte neue Standort auf dem Bärenplatz bei nicht wenigen Kreuzlingern auf wenig Gegenliebe. Der Bärenplatz ist der große Parkplatz direkt neben der Dreispitz-Mehrzweckhalle und vor dem historischen Ensemble rund um die Kirche St. Ulrich. Der Blick auf diese Gebäude darf nicht verbaut werden. Deshalb soll das neue Stadthaus parallel und in unmittelbarer Nachbarschaft zum „Dreispitz“ entstehen (s. Planungsbild) Es muss relativ schmal bleiben und soll mehrheitlich zweistöckig, im Teil Richtung Kirche dreistöckig werden. Geplant wird auf einer Länge von rund 100 Metern.
Unter dem Stadthaus soll eine Tiefgarage mit 250 Stellplätzen entstehen, von denen wochentags aber nur 100 frei verfügbar sein sollen. Vor das Stadthaus soll eine „Festwiese“, damit auch künftig Zirkusse, Weihnachtsmärkte etc. wissen, wohin.
Kein Geldproblem
Die Kritik entzündet sich nicht an den 47,5 Mio. Franken, die das kosten soll. Auch wenn das viel Geld ist für eine Stadt mit 21 000 Einwohnern, würde es Kreuzlingen nicht ins finanzielle Verderben stürzen: Für die Tiefgarage steht bereits eine Finanzierung und auch sonst hat die Stadt in den vergangenen Jahren Überschüsse erwirtschaftet und fürs „Xentrum“ vorgesehen. Auch, dass ein neues Verwaltungsgebäude her soll, wird nicht grundsätzlich in Frage gestellt.
Nein, die Kritik entzündet sich am Standort und der dafür nötigen Architektur. Immer werde „verdichtetes Bauen“ verlangt, schreibt da jemand. Aber das gelte wohl nicht für die „Obrigkeit“. Da werde ein niedriger aber ellenlanger Bau geplant statt den Platz hinter dem jetzigen Stadthaus an der Hauptstraße und dem Haus der Sozialen Dienste samt Parkplatz zu überbauen. Andere monieren, der neue Bau komme außerhalb des Stadtzentrums zu stehen und die Anbindung an die Hauptstraße sei ungenügend. Es wird auch die Frage gestellt, weshalb in den Neubau ein Mehrzwecksaal eingeplant werde, der evtl. sogar vermietet werden solle, gleichzeitig das Stadtparlament aber weiterhin im historischen Rathaus tagen müsse.
Geprüft und abgelehnt
Den Plan, das neue Stadthaus quasi hinter das alte zu bauen, wurde vor der Präsentation der „Bärenplatz-Pläne“ geprüft: mit Einbezug des heutigen Stadthauses, ohne dieses und mit einer Auslagerung der Sozialen Dienste ins benachbarte Sallmann’sche Anwesen. Denn einer der wenigen Negativpunkte, die die Befürworter bei den Neubauplänen fanden, war die künftig schlechtere Anonymität für Besucher der Sozialabteilung. Allerdings mochten die Bärenplatz-Befürworter doch keiner der drei Varianten hinter dem heutigen Stadthaus folgen: Das Grundstück sei lang und schmal und die Wege in den Neubauten damit lang. Angesichts des 100 Meter langen Neubaus auf dem Bärenplatz vielleicht nicht das beste Argument.
Zumal beim Neubau auf dem Bärenplatz mit „Devestitionen“ durch den Verkauf des heutigen Stadthauses, dem Haus der Bauverwaltung und dem der Sozialen Dienste von bis zu sieben Mio. Franken gerechnet wurde. Nachdem aber vor allem SP und FDP im Frühjahr genauere Aussagen zur Verwendung dieser Häuser forderten, sprach der Stadtrat letzthin nicht mehr vom Verkauf, sondern davon, dass sie „im Eigentum der Stadt“ bleiben und für Wohnraum genutzt werden sollen. Das könnte zwar Pachteinnahmen bringen, aber es käme wohl kein Geld aus Verkäufen in die Kasse.
3000 reichen
Die Befürworter des Neubaus auf dem Bärenplatz – allen voran der Stadtrat – sind sich der Gefahr bewußt, dass das Projekt Schiffbruch erleiden könnte. Sie haben deshalb Ende September die Pläne im Foyer der Dreispitz-Halle öffentlich ausgelegt. Und am 1. Oktober will die Verwaltung ihre jetzigen Büros präsentieren, um auch ungläubigen Seelen die beengten Raumverhältnisse und die fehlende Behindertengängigkeit der Häuser deutlich zu machen.
Es hat sich auch bereits ein Komitee um bekannte Kreuzlinger gebildet, das für den Neubau wirbt. Ob das alles die Gegner des neuen Standortes befrieden wird, ist aber fraglich. Eine Befragung der Stimmberechtigten zum bevorzugten Bauplatz im Vorfeld der Planung hatten aber weder Stadt- noch Gemeinderat gewollt. Da in Kreuzlingen üblicherweise schon unter 3000 Stimmen für eine Entscheidung Pro oder Contra reichen, haben nun beide Seiten noch knapp zwei Monate Zeit für ihre Überzeugungsarbeit.
Lieselotte Schiesser
45 Millionen, um die Aussicht auf die Kirche zu verbauen?
Nein zum Gemeindehaus!!!!
Kreuzlingen hat eine rund 900-jährige Geschichte, fixiert man diese auf die ersten Klosterbauten gegenüber dem Konstanzer Stadtteil Stadelhofen. Das Wort „cruzelin“, aus dem „Kreuzlingen“ abgeleitet wird, führt zurück auf den Konstanzer Münsterhügel. Von dort aus wurde über die Grenze hinweg eine Klosterentwicklung eingeleitet, die ihren Abschluss mit der heute noch existierenden, 1803 säkularisierten augustinischen Klosteranlage fand (heute: Stadtkirche und (kantonale) „Pädagogische Maturitätsschule“). Die Stadt hat sich sehr langsam über einige kleine Ansiedlungen (Dörfchen) entwickelt, die sich letztlich zu „Kreuzlingen“ vereinten.
Die Siedlung hat bis heute nicht ein Stadtbild, das man sich mit eng zusammenhängenden Häusern vorstellen kann. Daher galt Kreuzlingen lange als „Gartenstadt“. Inzwischen sind im Kernbereich viele Gärten – und selbst Parks (z.B. „Bellevue“) – verschwunden. Noch vor gut 100 Jahren wuchsen (Abbildung) vom unteren zum oberen Bildrand Reben. Hinterm Friedhof (unterer Bildrand) liegt das Klosterensemble mit der Basilika St. Ulrich.
„Weise Verantwortliche der Stadt“ bewahrten früh die freie Fläche zwischen dem heutigen bebauten Stadtkern (anschliessend dem oberer Bildrand) und der Klosteranlage vor einer Überbauung. Sie schufen dazu den „Dreispitzpark“ (oberer Bildrand), sowie die damit zusammenhängende, so genannte „Festwiese“ im Bild-Mittelgrund.
Das Stadthaus befindet sich bis heute im Stadtkern an der Hauptstrasse (neudeutsch „Boulevard“ genannt). Die Idee, das Stadthaus funktionell besser zu konzipieren, ist nicht neu. Dazu wurde tatsächlich mal versucht, den „Dreispitzpark“ dieser Idee zu opfern. Als man merkte, dass der Platz nicht ausreichen würde, respektive der Denkmalschutz den Park als „erhaltenswert“ einstufte, kam die selbe Behörde auf die Idee, dafür die Festwiese „zum Abschuss“ frei zu geben, wohlwissend, dass damit u.a. eine Beeinflussung der breiten historischen Sichtachse auf das einzige markante Stadtmerkmal, der Klosteranlage, stark beeinträchtigt würde.
Kreuzlingen ist bis heute elementar durch die grosse, offene Fläche „Dreispitzpark mit Festwiese“ bis zur Klosteranlage hin profiliert. Dieser freie Raum bildet die Essenz des Stadtzentrums. Ihn nun mit einem „100-Meter-Stadthausbau mit Pergola“ zu zertrümmern, – auf diese Idee muss man zuerst mal kommen! Hier wir ein historisches Bewusstsein in vielen Bezügen missachtet. Die Besetzung dieses Raums käme einer „Jahrhundertsünde“ gleich, wäre eine rund 50 Millionen schwere Fehlplanung ausserordentlichen Maßstabes, ganz abgesehen davon, dass keine andere Varianten der Öffentlichkeit vorgelegt wurden.
Kreuzlingens Geschäftszentrum plagen derzeit – und wohl noch sehr, sehr lange – grosse Sorgen, u.a. – nicht nur – durch die nachbarschaftliche Konkurrenz . Flieht nun noch das Stadthaus aus dem Geschäftszentrum, wird dieses noch stärker gelähmt. Umgekehrt kann eine Neukonzipierung des Stadthauses am derzeitigen Platz den notwendigen Investitionsschub für das Geschäftszentrum einleiten.
Und was ist mit den Fahrzeugen die heute noch – unschön – auf der Festwiese parken? Antwort: Ein unterirdischer Parkraum unterhalb der Festwiese, sowohl für die Belange des „Sport- und Kulturzentrums Dreispitz“, wie auch für die Bedürfnisse des „Campus“ (Schulzentrum) ist jederzeit machbar, trägt sich selbst, wobei sich hier auch der Kanton als Betreiber der „Pädagogischen Hochschule“ und der „Pädagogischen Maturitätsschule“ zu beteiligen hätte!
Und über dem unterirdischen Parkraum? Antwort: Vergrösserung der grünen Parkfläche analog dem „Dreispitzpark“ unter Beibehaltung eines befestigten Streifens für die verschiedenen Jahresveranstaltungen entlang der Strasse am linken Bildrand bei Vermeidung stadtraumbeeinflussender Bauten auf der bis heute grosszügigen, letzten zentralen freien Fläche der Stadt.