Ring frei für Blocher und den „Südkurier“

Christoph Blocher und der „Südkurier“ als Konkurrenten in unserer Nachbarstadt Kreuzlingen. Hört sich bekloppt an? Aber nicht doch. Genau um diese beiden Namen und ihre Aus- und Einwirkungen auf die lokalen Blättchen geht es derzeit in Kreuzlingen, wo der Stadtrat zum Jahresende entscheiden muss, in welchem Blatt 2019 amtliche Mitteilungen erscheinen werden. Und wer dafür jeweils etwa 49.000 Franken bekommt.

Es geht also wieder einmal ums Geld – und um Medien, um Politik und ein paar gepflegte Antipathien. SVP-Übervater Blocher gegen einen deutschen Verlag, das lockt immer KommentatorInnen aus den Büschen. Ein bisschen Vorgeschichte muss sein, will man verstehen, was da gerade zu brodeln beginnt.

Lokale Konkurrenz

Der Thurgau hatte mal eine Vielzahl von Lokal- und Regionalzeitungen, die alle – über Um- und Irrwege – von der NZZ-Mediengruppe geschluckt wurden, die heute noch die „Thurgauer Zeitung (TZ)“ herausgibt. Deren Berichtsschwerpunkt lag und liegt nicht in Kreuzlingen. Deshalb entstand das wöchentlich erscheinende Gratis-Lokalblatt „Kreuzlinger Zeitung“, herausgegeben von einem örtlichen Kleinverlag. Dieses finanziert sich zum Teil über die Zahlungen der Stadt für amtliche Inserate und Veröffentlichungen – eben als Amtsblatt.

Daneben existier(t)en im Thurgau seit Jahrzehnten wöchentlich erscheinende Gratisblätter der Zehnder Verlagsgruppe aus Will SG. Ein „Ableger“ davon waren und sind die „Kreuzlinger Nachrichten“. Deren Verlag lag im Dauerclinch mit den Gewerkschaften, und die Redaktionslinie war immer sehr konservativ und manchmal auch so unjournalistisch, dass es Rüffel des schweizerischen Presserats gab.

Ein Amtsblatt, zwei Amtsblätter

Ende 2016 entschied der Kreuzlinger Stadtrat (Exekutive), neben der „Kreuzlinger Zeitung“ auch die „Nachrichten“ zum Amtsblatt zu machen – und damit auch zu bezahlen. Die Freude bei den „Nachrichten“ war aber bald wieder beendet – der Stadtrat kündigte zum Jahresende 2017 den Vertrag mit den „Nachrichten“ wieder.

Was war passiert? Milliardär und SVP-Vordenker Christoph Blocher hatte alle 24 Blätter des Zehnder Verlages mit einer Gesamtauflage von fast 700.000 Exemplaren gekauft. Gleichzeitig war der politisch zwischen FDP und SVP positionierte Kreuzlinger Stadtpräsident zurück getreten – und der verbleibende Stadtrat hatte subito entschieden, das Blocher-Blatt 2018 nicht mehr für amtliche Veröffentlichungen bezahlen zu wollen.

Der städtischen SVP schmeckte diese Kündigung natürlich nicht und sie beklagte sich über den „politischen Entscheid“. Die „Kreuzlinger Zeitung“ war ihr eindeutig zu links. Wobei dazu ja nicht viel gehört, weil man von der SVP aus eh nur nach links schauen kann – rechts davon ist politisch bekanntlich die Wand.

Dann aber kaufte zum 1. Januar 2018 der Konstanzer „Südkurier“ die „Kreuzlinger Zeitung“. Quel horreur! SVP-Anhänger beklagten sofort in Leserbriefen diese quasi feindliche Übernahme des Lokalblatts durch das Ausland. (Okay, wenn’s ein britischer Verlag gewesen wäre… – aber ein deutscher – unmöglich. Auch wenn er nur drei Kilometer entfernt ist). Der „Südkurier“ tat natürlich, als sei das eine Entscheidung aus reiner Nächstenliebe. Genau wie Blocher beim Kauf der Zehnder-Blätter.

Blocher in fast jedem Haushalt

Bei Letzteren ist das zusammen gewachsen, was zusammen gehörte. Inhaltlich-politisch waren da keine großen Verschiebungen zu erwarten. Neu war und ist aber, dass ein Parteipolitiker mit dieser Übernahme ein schweizweites Sprachrohr bekam, denn die Zehnder-, neu Blocher-Blätter gibt es in der halben Schweiz. Auch wenn sie zu – sagen wir mal – 60 Prozent direkt im Altpapier landen, bleibt eine Leserzahl, die über der jeder anderen Zeitung liegt.

Für einen sendungsbewussten Politiker wie Blocher (er behauptet ja gerne, von Gott selbst den Auftrag zur Rettung der Schweiz bekommen zu haben) das ideale Feld. Zumal sein Versuch, eine Tageszeitung für seine Interessen zu instrumentalisieren, in die Hosen ging. Die „Basler Zeitung“ verlor nach dem Blocher-Kurswechsel so rapide Abonnenten, dass sie dieses Jahr an den Tamedia-Verlag („Tagesanzeiger“) verkauft wurde. Ausgerechnet die liberal-linken Basler auf SVP-Linie bringen zu wollen, war eben doch ein bisschen vermessen. Und die „Weltwoche“ mit Roger Köppel an der Spitze – der kürzlich in Chemnitz in der Demo der Rechten mitlief – erreicht einfach keine breite Leserschaft.

Und so kam es, wie es kommen musste: Auf „Wunsch der Leserschaft“ (erinnert irgendwie an der Prager Frühling, wo ja die Russen angeblich auf Wunsch der Bevölkerung…) – so Blocher – lässt er diese neuerdings an seiner „Lebenserfahrung“ teilhaben. Bisher sind das Beiträge über Blochers Lieblingskünstler Ferdinand Hodler und Albert Anker (Blocher besitzt die größte Privatsammlung von Anker-Bildern). Man darf gespannt warten, wann seine Begeisterung über Ankers Bilder nicht nur mit populär-philosophischen, sondern auch mit politischen Bemerkungen garniert werden wird. Logischerweise finden sich in den Blocher-Blättern auch immer mehr entsprechende politische Inserate.

Und der Kreuzlinger Stadtrat wird entscheiden müssen, ob er den Milliardär Blocher durch Zahlungen für amtliche Inserate bei der Verbreitung seiner (parteipolitischen) Ideen unterstützen will. Ein Redakteur der „Kreuzlinger Zeitung“ hat sich jedenfalls schon mal bitterböse Leserbriefe eingehandelt, weil er eben diese Frage auch gestellt hat. Und natürlich musste der „Südkurier“ dafür herhalten, dass die „Kreuzlinger Zeitung“ als Amtsblatt fehl am Platz sei.

Lieselotte Schiesser (Foto: Holger Reile)