Schweizer Schützen gegen die EU

Die EU muss von der Schweiz etwas ganz Fürchterliches wollen – zumindest wenn man den Plakaten glaubt (siehe nebenstehendes Bild), die derzeit entlang der eidgenössischen Straßen hängen: Mehrheitlich junge Frauen mit strengem Blick und abwehrend ausgestrecktem Arm verkünden: „Unrecht – Freiheitsfeindlich – Gefährlich – Unschweizerisch“. Grund: Die Schweiz soll das geänderte EU-Waffenrecht übernehmen.

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Als „Schengen“-Staat, ist die Schweiz verpflichtet, die 2017 in Kraft getretene neue Waffenrichtlinie der EU bis Ende Mai 2019 zu übernehmen. Deshalb wird am 14. Mai darüber abgestimmt. Lehnt die Schweiz die Übernahme ab, muss sie den Schengen-Verbund verlassen – es sei denn, der zuständige Ausschuss stimmt innerhalb von 30 Tagen zu, die Schweiz trotzdem im Verbund zu behalten.

Extrawürste für die Schweiz

Daran glauben (angeblich) die Gegner, nicht aber die Bundesregierung. Denn die anderen Schengen-Mitglieder haben der Schweiz Sonderrechte eingeräumt. Vor einem Austritt aus „Schengen“ graut es nicht nur Polizei und Justiz, sondern auch den Wirtschafts- und Tourismusverbänden. Letztere fürchten einen Besucherrückgang, wenn beispielsweise Touristen aus China oder Indien nicht mehr mit dem Schengen-Visum auch in die Schweiz reisen könnten.

Prinzipiell hat die EU mit der neuen Richtlinie halbautomatische Waffen in Privatbesitz verboten. Da die SchweizerInnen aber zu Waffen ein ähnliches Verhältnis haben wie die US-Amerikaner, und ein gänzliches Besitzverbot für halbautomatische Waffen nicht durchzusetzen wäre, handelte sie Sonderrechte aus.

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So darf auch nach der neuen Regelung jeder Soldat, der will, sein Sturmgewehr – und Offiziere auch ihre Pistole – weiterhin mit ins Zivilleben nehmen und es/sie nach Ende der Dienstpflicht der Armee abkaufen. Das tut inzwischen nur noch eine Minderheit. Für die zwischen den militärischen Wiederholungskursen vorgeschriebenen Schießübungen auf zivilen Schießständen, muss inzwischen aber die Munition bei den Schützenvereinen gekauft werden. Die Armee gibt seit einigen Jahren den Militärangehörigen keine Munition mehr mit nach Hause.

Training nachweisen

An all dem würde sich nichts ändern. Wer aus dem Militär ausscheidet, kann weiterhin sein Sturmgewehr der Armee abkaufen. Neu wird nur, dass er Mitglied eines Schützenvereins sein und dort regelmäßig trainieren muss. Halbautomatische Waffen dürfen nur noch mit kleinen Magazinen (zehn Schuss bei Gewehren, 20 bei Pistolen) besessen werden. Durch die Neuregelung will man verhindern, dass bei Anschlägen oder Amokläufen die Opfer unter Dauerbeschuss genommen werden können.

Künftig sollen Sportschützen, die eine halbautomatische Waffe besitzen, nachweisen müssen, dass sie Mitglieder eines Schützenvereins sind und regelmäßig schießen. Waffenhändler müssen alle Käufe und Verkäufe den kantonalen Waffenbüros melden. Und bisher nicht gemeldete halbautomatische Waffen müssen den Waffenbüros innerhalb von drei Jahren gemeldet werden. Bisher sind nämlich vor allem ältere Sturmgewehre nicht registriert, weil die Meldepflicht noch nicht allzu lang gilt.

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Viele Schusswaffenopfer in der Schweiz

Das alles ist, so die Gegner „freiheitsfeindlich, gefährlich und unschweizerisch“. Keine Rolle spielt für die Kritiker des Vorhabens, darunter Schützenvereine, SVP und Schweizerische Offiziersgesellschaft, die Zahl der jährlich durch Schusswaffen ums Leben kommenden Menschen in der Schweiz. Denn die gerne kolportierte Aussage „obwohl jeder ein Gewehr daheim hat, passiert nichts“, stimmt nicht. Man liest nur selten etwas darüber in den Zeitungen, weil diese über Suizide nicht berichten – und rund 91 Prozent sind Suizidopfer. Der Rest sind meist Bekannte oder Familienangehörige, was dann als „Familientragödie“ gilt.

2016 gab es in der Schweiz noch 226 Tote durch Schusswaffen. Das waren rund 7,7 Tote pro Million Einwohner. In Deutschland waren es 900 Tote oder 1,9 Opfer pro eine Million Einwohner. Seit die Schweiz 1999 erstmals ein nationales Waffengesetz erließ (und die Armee verkleinert wurde und keine Munition mehr mit nach Hause genommen werden darf), sank die Zahl der Schusswaffenopfer kontinuierlich von 392 bis zum Schengen-Beitritt 2008 (mit schärferen Vorschriften) auf 241.

Lieselotte Schiesser (Grafik: AUNS)