St. Gallen: Projekt gescheitert – Bohrloch geschützt

Das vor drei Jahren mit viel Vorschusslorbeeren gestartete Geothermie-Projekt der Stadt St.Gallen wird aufgegeben, das Bohrloch allerdings bleibt vorerst bestehen. Das entschied gestern der Stadtrat von St. Gallen. Offensichtlich ist den Gemeinderäten das Erdbebenrisiko zu groß, denn 2013 bebte der Boden rund um den Bodensee. Und die Gefahr scheint nicht gebannt, wie eine aktuelle Studie aus den Niederlanden belegt

4450 Meter tief reicht das Bohrloch im Sittertobel am Stadtrand St. Gallens in den Untergrund – jetzt gesichert und provisorisch verschlossen. Eigentlich sollte hier 145 Grad heißes Wasser aus dem Untergrund gefördert und ein Heizkraftwerk betrieben werden. Doch im Juli 2013 bebte die Erde am Bodensee – wohl als Folge der Bohrungen (seemoz berichtete), außerdem erwies sich die in der Tiefe fließende Wassermenge als zu gering für eine rentable Nutzung. Inzwischen hat das St. Galler Stadtparlament das Geothermieprojekt abgeschrieben. Die Kosten belaufen sich auf 60 Millionen Franken.

Erdbebenrisiken durch Gasförderung

Ungeklärt bleibt jedoch weiterhin, ob sich das unerwartet aufgetretene Gasvorkommen über das Bohrloch nutzen und ins Netz einspeisen lässt. Derzeit sind die St. Galler Verantwortlichen auf der Suche nach Investoren für eine solche Nutzung, doch die Prüfung der vorhandenen Daten nimmt nach Auskunft von Stadtrat Fredy Brunner mehr Zeit als erwartet in Anspruch. Um sich alle Optionen offen zu halten, soll das Bohrloch im provisorisch konservierten Zustand bleiben. Es könne auch erst in einigen Jahren definitiv mit Beton gefüllt und verschlossen werden, entschied der Stadtrat.

Zu groß sind den Gemeinderäten also die Risiken. Dazu passt eine gestern in den Niederlanden veröffentlichte Studie des Dutch Safety Boards. Danach sei der Zusammenhang zwischen Gasförderung und Erdbeben seit den 1990iger Jahren bekannt, doch die Energiekonzerne hätten die Risiken kleingeredet, so der Vorwurf. Konkret ging es bei der Untersuchung um Beben in der Region Groningen. Dort befindet sich das größte Erdgasvorkommen in der EU mit einer jährlichen Förderleistung von bis zu 40 Milliarden Kubikmetern. Dort kamen aber auch verschiedene Beben vor, bei denen 35 000 Häuser beschädigt worden seien.

Und was heißt das für das Fracking am Bodensee?

Die Gefahren seien nicht ernst genommen worden, schreiben die Gutachter. Das Konsortium um Royal Dutch Shell und Exxon Mobil habe mit Unterstützung des Wirtschaftsministeriums nur die Maximierung der Gasförderung im Auge gehabt und die Risiken „klein geredet“. Nun aber hat das Ministerium reagiert und die Förderleistung auf 16,5 Milliarden Kubikmeter (!) pro Jahr reduziert.

Auch in Norddeutschland haben Geoforscher bereits Erdbeben beobachtet, die auf die Erdgasförderung zurück zuführen sind. Erkenntnisse, die für die aktuelle Diskussion um das Fracking am Bodensee nicht in Vergessenheit geraten dürfen.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

Autor: hpk (mit Material von SWR, NZZ, SPON)