„Superwahlsonntag“ im Thurgau
Nach der Abstimmung ist – dieses Mal – nicht vor der Abstimmung, sondern vor den Wahlen. Zumindest im Thurgau. Dort steht am 15. März zum ersten Mal in der Kantonsgeschichte ein „Super-Wahlsonntag“ ins Haus: Regierung und Parlament werden am selben Tag gewählt. Man hofft, damit die Wahlbeteiligung zu steigern, die bei den Grossratswahlen jeweils nur knapp 30 Prozent überstieg, bei den Regierungsratswahlen aber bei etwas unter 45 Prozent lag.
Das Amtsjahr sowohl des Kantonsparlamentes – des Grossen Rates – als auch der Regierung – des Regierungsrates – beginnt am 1. Juni. Bisher wurde der 130-köpfige Grosse Rat üblicherweise im April, der fünfköpfige Regierungsrat im Februar gewählt. Trotz dieser Premiere will keine rechte Wahlkampf-Spannung aufkommen.
Im Fall des Regierungsrates liegt das daran, dass keine der Regierungsparteien eine Neigung zeigt, an der bisherigen Sitzverteilung zu rütteln und demzufolge nur ein Sitz frei wird. Die fünf Sitze verteilen sich auf 2 SVP- und je eine/einen auf CVP, SP, und FDP (momentan drei Frauen und zwei Männer). Einer der SVP-Sitze wird dieses Jahr frei, weil der bisher amtierende Finanz- und Sozialchef Jakob Stark (SVP) in den Ständerat gewählt wurde und Doppelmandate nicht mehr erwünscht sind.
Flexibler SVP-Hardliner
Die rechtspopulistische SVP hat als Kandidaten für die Nachfolge Urs Martin aus Romanshorn nominiert. Martin sitzt seit Jahren im Grossen Rat – und markiert dort (zusammen mit ein paar weiteren) den rechten Rand der SVP-Fraktion. Jahrelang verweigerte er jeder Einbürgerung von AusländerInnen seine Zustimmung und verzögerte auch Einbürgerungen nach besten Kräften. Heute lobt sich Martin in einem Interview in der „Thurgauer Zeitung (TZ)“ dafür, dass die Einbürgerungspraxis schärfer geworden sei, seit er selbst die zuständige Kommission präsidiere.
Martin war auch eine treibende Kraft hinter den Angriffen auf die kantonale Kulturstiftung. Seine Hardliner-Haltung wird aber in anderen Bereichen neuerdings flexibler: Seit er beruflich die größte Schweizer Privatklinik-Gruppe vertritt, ist er gegen eine Kündigung der Bilateralen Verträge mit der EU, die der SVP sonst ein arger Dorn im Auge sind. Aber: Auch eine Privatklinik-Gruppe braucht Pflegepersonal.
Inzwischen haben zwar die Grünen (Karin Bétrisey) und die Grünliberalen (Ueli Fisch) GegenkandidatInnen aufgestellt. Deren Wahlchancen dürften aber eher klein sein, was einerseits mit der Stärke der SVP im Thurgau zu tun hat, andererseits aber auch damit, dass sich die drei anderen Regierungsparteien zurückhalten – auch die SP. Die wohl befürchtet, Schützenhilfe für die/den Gegenkandatin/-kandidaten könnte die eigene Regierungsrätin gefährden.
Wird die SVP Stimmen verlieren?
Bei den Grossratswahlen ist die einzige spannende Frage, ob die kantonale SVP ihre Stellung halten kann oder wie kürzlich in anderen Kantonen und dem Bund Stimmen einbüßt. Im Thurgau stellt sie derzeit mit 44 der 130 Sitze die weitaus größte Fraktion. 2016 hatte sie noch 3 Sitze dazu gewonnen.
Mit deutlichem Abstand folgen FDP und CVP mit je 20 Sitzen. Die SP war 2016 mit 17 Sitzen gestartet – inzwischen hat einer ihrer Kantonsräte zu den Grünen gewechselt, weshalb die SP nur noch 16, die Grünen aber 10 Sitze haben. Die Grünliberalen (GLP) stellen 7, die Eidg. Demokratische Union (EDU – eine Art SVP mit evangelikalem Anstrich), kommt ebenso auf 5 Sitze wie die Evangelische Volkspartei (EVP). Das Schlusslicht bildet die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP), eine liberale Abspaltung der SVP. Vor vier Jahren waren SVP, FDP und GLP die Wahlgewinner gewesen, SP, CVP, BDP und EDU hatten Sitze verloren.
Listenverbindungen, kumulieren, panaschieren
Die Wählerinnen und Wähler haben jedenfalls die Auswahl unter 998 Kandidierenden – 74 mehr als noch 2016. Die 363 Frauen und 625 Männer kandidieren auf insgesamt 51 Wahllisten. Wobei das meistens die gleichen Parteilisten sind, denn gewählt wird in den fünf thurgauischen Bezirken, in denen natürlich jeweils eigene KandidatInnen antreten. Die damit durchschnittlich 10 Listen pro Bezirk umfassen dann auch gerne mal Stadt- und Landlisten der selben Partei – oder Listen der Jugendorganisationen der Parteien. Diese Listen gehen untereinander Verbindungen ein – womit sie sich nicht konkurrenzieren, sondern darauf angelegt sind, bestimmte Wählergruppen besser einzubinden. Aber auch Parteien schließen solche Bündnisse. Bei der Stimmenauszählung bestimmt dann zuerst die gesamte, untereinander verbundene Listengruppe die Zahl der eroberten Sitze. Diese werden dann auf die einzelnen Listen – entsprechend deren Stimmenzahl – verteilt.
Jeder Wähler/jede Wählerin hat so viele Stimmen, wie dem Bezirk Sitze zustehen – also zwischen 22 (Bezirk Münchwilen) und 32 (Bezirk Frauenfeld). Die Stimmen können kumuliert (maximal zwei Stimmen pro Kandierendem/r) und panaschiert werden. Wie bei Kommunal- und Landtagswahlen in Baden-Württemberg auch.
Lieselotte Schiesser