Von Gold und reichen Ausländern wie Fahrer Vettel
Es gibt Klischees der Schweiz, die im Ausland allgegenwärtig sind. Außer Schokolade und Uhren gehören dazu auch niedrige Steuern für Reiche und eine geradezu unerschütterliche Stabilität gepaart mit Wohlstand. Am 30. November macht die Schweiz diesen Klischees wieder einmal alle Ehre: Sie stimmt über die Abschaffung der Pauschalbesteuerung für reiche Ausländer und eine Aufstockung der Goldreserven ihrer Nationalbank ab
Diese beiden Volksinitiativen segeln im Schatten der Ecopop-Volksinitiative (über die seemoz bereits berichtete). Die Gold-Initiative und die Initiative zur landesweiten Abschaffung der Pauschalbesteuerung kommen aus völlig unterschiedlichen politischen Ecken: Wenig überraschend, sind es die Linken, die die Möglichkeit zur Pauschalbesteuerung reicher, nicht in der Schweiz erwerbstätiger Ausländer abschaffen wollen. Den Goldbestand der Nationalbank auf 20 Prozent erhöhen wollen dagegen ziemlich weit rechts stehende Politiker.
Besteuert nach Lebensaufwand
Beginnen wir mit dem Inbegriff der steuerlichen Attraktivität der Schweiz für sehr wohlhabende Ausländer: der Pauschalbesteuerung. Dabei wird nicht das tatsächliche Einkommen des/der Steuerpflichtigen besteuert, sondern er/sie zahlt einen Pauschalbetrag, der sich – je nach Kanton – an der fünf- bis zehnfachen Höhe seiner Aufwendungen für den Lebensunterhalt (vor allem fürs Wohnen) bemisst. Von dieser meistens sehr günstigen Steuer-Variante können nur Ausländer profitieren, die auch nicht in der Schweiz erwerbstätig sind. Deshalb sind beispielsweise Autorennfahrer wie Michael Schumacher und Sebastian Vettel geradezu prädestiniert für solche Steuerwohltaten: In der Schweiz werden keine Formel 1-Rennen ausgetragen. Kürzlich standen denn auch Unterstützer der Abschaffungs-Initiative vor Vettels Anwesen im Thurgau und behaupteten, er zahle bei etwa 23 Mio. Franken Einkommen nur 220.000 Franken Steuern (s. Foto).
Die Initiative fordert eine Abschaffung dieser Steuersparmöglichkeit, weil sie darin eine Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen sieht, da sie nur für Ausländer gilt. Lanciert wurde die Initiative, weil der Versuch, die Pauschalbesteuerung abzuschaffen, in mehreren Kantonen gescheitert ist. In der Schweiz ist das Erheben von Steuern in der Mehrheit der Fälle eine kantonale Angelegenheit. Der Bund schreibt lediglich einzelne Steuerarten vor und erhebt noch weniger davon selbst. Die Initiative strebt nun an, dass er allen Kantonen die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung verbieten solle.
In fünf Kantonen abgeschafft
Bereits abgeschafft wurde sie in Basel-Stadt, Basel-Land, Zürich, Appenzell-Ausserrhoden und Schaffhausen. Im Thurgau wurde die Abschaffung abgelehnt, nachdem die Regierung die Ansätze für die Besteuerung verschärft hatte. Gar nichts von einer Abschaffung wissen wollen die Kantone, in denen die meisten Pauschalbesteuerten wohnen: Waadt am Genfer See (wo z:b. Michael Schumacher wohnt), Wallis (z.B. mit Zermatt), Graubünden (St. Moritz, Engadin). Aber auch wenn beispielsweise in der Waadt 1396 Pauschalbesteuerte zusammen 153,5 Mio. Franken Steuern jährlich bezahlen, so sind das doch nur 1,9 Prozent des Kantonshaushaltes. Der Kanton Zürich hat inzwischen die Erfahrung gemacht, dass die Abschaffung der Pauschalbesteuerung kein Loch in seine Kasse gerissen hat. Im Gegenteil – die betroffenen Gemeinden haben inzwischen mehr Steuern eingenommen.
Zwar sind an in einzelnen Gemeinden Pauschalbesteuerte weggezogen, aber die verbliebenen zahlen deutlich mehr Steuern als zuvor. Zudem blieben die Villen der Weggezogenen nicht lange leer – und die neu Zugezogenen zahlen ebenfalls mehr Steuern als die „Geflohenen“. Dass der Initiative trotzdem kaum Chancen eingeräumt werden, liegt einerseits an der trotzdem vorhandenen Angst der verbliebenen Gemeinden und Kantone vor sinkenden Einnahmen, andererseits daran, dass die Kantone Eingriffe in ihre Steuerhoheit vehement ablehnen.
Der Glaube ans Gold
Ebenfalls wenig Chancen auf Annahme hat die Gold-Initiative. Rechtsaußen-Politiker verlangen mit ihr, dass die Nationalbank ihren Goldbestand auf 20 Prozent der gesamten Währungsreserven erhöhen müsse und die danach vorhandenen Goldmengen niemals verkaufen dürfe. Nur so sei der Franken wirklich stabil zu halten und die Schweiz unabhängig von „ausländischen Erpressungsversuchen“ und den Kursschwankungen fremder Währungen wie dem Euro.
Der „Anti-Auslands-Reflex“ richtet sich nicht (nur) gegen Deutschland, sondern vor allem gegen die USA. Von diesen wird vermutet, sie würden die bei ihr lagernden Schweizer Goldreserven nicht rausrücken, sollte die Schweiz sie einmal wollen – oder sie habe gar einen Teil davon bereits (unrechtmäßig) verscherbelt. Hier treffen sich Schweizer Rechtsaußen-Politiker mit deutschen Verschwörungstheoretikern, die für das deutsche Gold in den USA ähnliche Befürchtungen hegen.
Müsste die Schweizer Nationalbank, die vor ein paar Jahren erst 1300 Tonnen ihrer Goldreserven verkaufte und den 21-Milliarden-Erlös an Bund und Kantone auszahlte, die Initiativebedingung erfüllen, müsste sie Gold für mindestens 60 Milliarden Franken dazukaufen. Derzeit sind 7,5 Prozent der Schweizer Währungsreserven in Gold vorhanden, was über 500 Milliarden Franken entspricht. Was die Initianten nicht sehen wollen, ist die Tatsache, dass auch Gold immer wieder Wertschwankungen unterliegt: 2013 hatte die Nationalbank einen Verlust von über 9 Mrd. eingefahren, weil der Goldpreis gesunken und die Goldreserven deshalb über 15 Mrd. weniger wert waren als ein Jahr zuvor. Dieses Jahr fährt sie nun wieder Rekordgewinne ein, die aber nur zum kleineren Teil auf dem wieder gestiegenen Goldpreis beruhen.
Nationalbank und Politik halten auch nichts von der Initiativen-Vorschrift, dass das Gold auf keinen Fall je verkauft werden dürfte. Ein Kommentator befand, das könne im Notfall so herauskommen, wie wenn man bei einer Hungersnot vor einem gefüllten Vorratsregal verhungere, weil man die vorhandenen Konserven nicht öffnen dürfe. Keine der größeren Parteien will etwas von dieser Initiative wissen – nicht einmal die Schweizerische Volkspartei SVP, aus deren rechtem Flügel die Initianten stammen.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autorin: Lieselotte Schiesser