Was noch auf die SchweizerInnen zukommt, und was nicht
Die SchweizerInnen lieben und loben ihre halbdirekte Demokratie. Auch im Ausland ist sie, vor allem in Sonntagsreden und Parteiprogrammen, hoch geschätzt und wird oft zur Nachahmung empfohlen. Und sie ist wirklich ein Recht, das es zu verteidigen gilt. Manchmal aber ist man dann doch ganz froh, dass nicht über jedes Volksbegehren, das mal lanciert wurde, auch abgestimmt werden muss.
Derzeit sind noch – abzüglich jener, über die am 9. Februar befunden wird – neun Volksinitiativen in der politischen Pipeline, die (mehr oder weniger) abstimmungsreif sind. Das reicht von solchen, die vom Parlament bereits beraten und verabschiedet wurden, bis hin zu solchen, zu denen erst die Bundesregierung (Bundesrat) Stellung genommen hat.
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Schon wieder gegen die Bilateralen
Im Mai 2020 werden die SchweizerInnen über eine neue Anti-Ausländer/Anti-EU-Initiative der SVP entscheiden: Mit der „Begrenzungs-Initiative“ will die Partei (wieder einmal) die Personenfreizügigkeit abschaffen und damit die Bilateralen Verträge der Schweiz mit der EU kippen. Zudem werden die SchweizerInnen 2020 voraussichtlich auch über die Konzernverantwortungs- und eine „Burka-Initiative“ (Ja zum Verhüllungsverbot) entscheiden müssen/dürfen. Bei Ersterer geht es darum, in der Schweiz ansässige Großkonzerne juristisch dafür haftbar zu machen, dass sie und ihre Subunternehmen auch im Ausland Menschen- und Sozialrechte einhalten. Ansonsten stehen noch Entscheidungen zu Initiativen zur Organisation der Pflege, zu einem Pestizidverbot, gegen prophylaktischen Antibiotika-Einsatz in der Landwirtschaft, gegen Massentierhaltung, für mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung und gegen Staatsgarantien für Waffenexporteure an.
Kreative Namensgebungen
Für weitere 16 Initiativen müssen noch Unterschriften gesammelt werden, bevor sie dem Stimmvolk vorgelegt werden können. Das reicht vom Wunsch, das Rentenalter schrittweise (ohne Obergrenze) zu erhöhen, über die Ablehnung von 5G beim Mobilfunk, die Aufhebung der Kranken-Pflichtversicherung, die Senkung bestehender Pensionszahlungen bis zum Ansinnen, Flüchtlinge im Ausland zu internieren, bis über ihr Asylgesuch entschieden ist.
Bei diesen Initiativen muss man die Kreativität der Namensgeber bewundern. So wie ein Atom-Mülllager inzwischen gerne mal „Entsorgungspark“ heißt oder aus einem Verlust das „Negativwachstum“ wird, so verpacken die Initianten ihre Anliegen gerne dann besonders hübsch, wenn abzusehen ist, dass die klare Nennung des Ziels vermutlich auf wenig Gegenliebe stoßen könnte. Statt „Erhöhung des Rentenalters ohne Obergrenze“ heißt das dann „für eine sichere und nachhaltige Altersversorgung“. Und „lasst verdammt nochmal diese Asylanten nicht ins Land“, nennt sich vordergründig unverdächtig „Hilfe vor Ort im Asylbereich“.
Manchmal ist Dilettantismus erfreulich
Und dann sind da auch noch acht Initiativen, die in den letzten drei Jahren zwar gestartet wurden, aber nie zustande kamen. Meistens weil die Unterschriftensammlung maximal dilettantisch angegangen wurde. Bei manchen ist man darüber dann maximal froh.
Beim Ansinnen, beispielsweise jedem Kanton die Art der Krankenversicherung seiner BewohnerInnen selbst zu überlassen. Oder beim Ziel „Ausschaffung krimineller Männer“: Kriminelle Männer mit oder ohne Schweizer Staatsangehörigkeit sollten das Land verlassen müssen. Frauen dagegen hätten keine Ausweisung zu befürchten gehabt – auch nicht, wenn sie kriminell geworden wären.
Lieselotte Schiesser (Foto: H.Reile)