Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (74)

Der lästige Bildungsermöglicher

In London, Rom, Lissabon, Berlin, Brüssel und Zürich hatte die Polizei alle Hände voll zu tun, die aufgebrachten DemonstrantInnen von den spanischen Botschaften fernzuhalten; in Paris gab es sogar Verletzte und einen Toten. Das Militärgericht würde es doch wohl nicht wagen, das Urteil gegen den Reformpädagogen zu vollstrecken! Doch „die feigen Mörder in Madrid“ wagten es tatsächlich. Die Anklage lautete auf „geistige Urheberschaft an einem Arbeiteraufstand“, verteidigen durfte er sich nicht. Am 13. Oktober 1909 wurde er, fünfzigjährig, erschossen.

Natürlich hatte der 1859 bei Barcelona geborene Freimaurer sozialistische Ideen im Kopf! Wegen seiner Teilnahme an einem Aufstand hatte er bereits fünfzehn Jahre im französischen Exil verbracht. In dieser Zeit machte er sich ausgiebig Gedanken um das von der Kirche dominierte spanische Schulsystem. Und baute, kaum zurückgekehrt, eine erste Reformschule auf. Dass hier statt religiöser Dogmen wissenschaftliche Erkenntnisse gelehrt wurden, galt im „Land der Analphabeten und Mönche“ allerdings als ungeheure Provokation.

Schlimmer war jedoch, dass diese auf Vernunft, Freiwilligkeit und Solidarität basierende moderne Schule großen Zuspruch und bald auch Nachahmer fand – bereits fünf Jahre später gab es in Spanien sechzig solcher Einrichtungen. Deshalb griff die Justiz zu, als sich die Möglichkeit bot, den Freidenker auszuschalten: Nach einem Attentat auf das spanische Königspaar verhaftete man ihn wegen angeblicher Mitwisserschaft.

Eine katholische Zeitung bejubelte damals seine Festnahme und mahnte: „Solange man in Spanien die Freiheit des Lesens, der Lehre und des Denkens“ aufrechterhalte, würden sich solche Verbrechen wiederholen. Beweise fanden sich allerdings keine gegen den „Staats- und Kirchenfeind Nr. 1“; schweren Herzens musste man ihn laufen lassen. Bis sich im Sommer 1909 der Zorn der katalanischen ArbeiterInnen gegen den Marokkokrieg in einer Revolte entlud – und man ihn – kurzerhand und ohne jeglichen Beweis als Drahtzieher ausgemacht – vor das Kriegsgericht stellte und exekutierte.

Wie heißt der gelernte Buchhalter, der die ArbeiterInnen stets aufgefordert hatte, sich selbst um ihre Bildung zu kümmern, da der Staat sich nur an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientiere?

Text und Bildcollage: Brigitte Matern

Die Auflösung erscheint am kommenden Montag.