„Fritz Bauer – oder Auschwitz vor Gericht“
Anlässlich des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus kommt der Fritz-Bauer-Biograf Ronen Steinke am 27. Januar 2022 nach Konstanz. Er spricht im Kulturzentrum am Münster über den Mann, der strafrechtliche Ermittlungen gegen eine große Zahl von einstigen NS-Funktionären in Gang setzte und als hessischer Generalstaatsanwalt den Frankfurter Auschwitz-Prozess erstritt.
Fritz Bauer (1903–1968) war Jude, Sozialdemokrat und Emigrant. Nach seinem Studium der Rechts- und Volkswirtschaftslehre wurde er 1930 in seiner Heimatstadt Stuttgart Amtsrichter, mit 26 Jahren der jüngste in ganz Deutschland. Er war Mitgründer des Republikanischen Richterbundes in Württemberg und leitete die Stuttgarter Ortsgruppe des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, das die Weimarer Republik gegen ihre Feinde verteidigte. Am 23. März 1933 wurde Bauer aus seinem Amtszimmer im Stuttgarter Amtsgericht abgeführt und in das KZ Heuberg gebracht, wo er mehrere Monate inhaftiert war. Bauer flüchtete 1936 nach Dänemark, von dort einige Jahre später nach Schweden, wo er unter anderem mit dem jungen Willy Brandt und anderen die Zeitschrift „Sozialistische Tribüne“ gründete.
Im Jahr 1949 kehrte Fritz Bauer mit Unterstützung des SPD-Parteivorsitzenden Kurt Schumacher nach Deutschland zurück. Den Aufbau eines demokratischen Justizwesens machte er zu seiner Lebensaufgabe. Zunächst war er als Landgerichtsdirektor, ab 1950 als Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht Braunschweig tätig. Der hessische Ministerpräsident Georg August Zinn (SPD) berief ihn 1956 in das Amt des hessischen Generalstaatsanwalts und holte ihn nach Frankfurt.
Fritz Bauer zwang die Deutschen zum Hinsehen: Inmitten einer Justiz, die in der jungen Bundesrepublik noch immer von braunen Seilschaften geprägt war, setzte er strafrechtliche Ermittlungen gegen eine große Zahl von einstigen NS-Funktionären in Gang. Dem israelischen Geheimdienst Mossad gab er den entscheidenden Hinweis auf den Aufenthaltsort Adolf Eichmanns in Argentinien, der daraufhin gefasst und 1961 in Jerusalem vor Gericht gestellt werden konnte. Fritz Bauer war zudem der maßgebliche Initiator des Frankfurter Auschwitz-Prozesses (1963 bis 1965). Bevor er die Vorbereitungen des von ihm angestoßenen großen Prozesses gegen die Schreibtischtäter der „Euthanasie“-Morde weiter vorantreiben konnte, starb er in der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 1968.
Der Referent der Veranstaltung Ronen Steinke schrieb unter Verwendung zahlreicher bis dahin unbekannter Quellen die im Jahr 2013 veröffentlichte Biografie „Fritz Bauer – oder Auschwitz vor Gericht“.
MM/sb
Ronen Steinke: „Fritz Bauer – oder Auschwitz vor Gericht“
Termin: 27. Januar 2022. Uhrzeit: 19.30 Uhr. Ort: Wolkensteinsaal, Kulturzentrum am Münster.
Eine Veranstaltung der Initiative „Stolpersteine für Konstanz – Gegen Vergessen und Intoleranz“ in Kooperation mit Deutsch Israelische Gesellschaft Bodensee Region (DIG), Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Konstanz e.V., Konstanzer Friedensinitiative, Kulturamt der Stadt Konstanz, seemoz e.V., Synagogengemeinde Konstanz, Volkshochschule Landkreis Konstanz e.V., VVN-BdA Kreisvereinigung Konstanz.
Die VeranstalterInnen weisen darauf hin, dass derzeit die 2G+-Regelung gilt, die erforderlichen Dokumente mitzubringen sind und bitten um frühzeitiges Erscheinen, so dass trotz Prüfung der Formalitäten pünktlich begonnen werden kann.
Dr. Ronen Steinke
Jahrgang 1983, Jura und Kriminologiestudium, im Völkerstrafrecht promoviert. Seit 2011 bei der Süddeutschen Zeitung, zwischendurch Gastwissenschaftler am Fritz-Bauer-Institut für Holocaustforschung, seit 2016 SZ-Innenpolitik-Redakteur für Sicherheit und Recht. Buchautor. Im Piper Verlag erschien 2013 seine Biografie über Fritz Bauer.