Deutsche Wohnen & Co auf Expansionskurs
Von wegen Krise: Die großen Wohnungskonzerne und ihre international tätigen Großaktionäre wie der Finanzorganisator BlackRock erzielen auch in der Krise Profite – und zwar kräftig. Vorne mit dabei beim Handel mit lukrativem Betongold ist neben Deutsche Wohnen auch der expandierende Wohnungskonzern Vonovia, vielen leidgeplagten MieterInnen in Konstanz ebenfalls bestens bekannt.
Mietendeckel, Corona-Lockdown, Wirtschaftseinbruch, steigende Arbeitslosigkeit – bestimmten Leuten macht das alles gar nichts. Deutsche Wohnen, der größte Wohnungseigentümer in Berlin, der zweitgrößte Wohnungskonzern in Deutschland, setzt seine jahrelange Expansion fort. Im Juni 2020 stieg er in den DAX auf, in die erste deutsche Liga für Aktiengesellschaften. Dafür flog die Deutsche Lufthansa raus: Der Krisen-Verlierer wird derweil vom deutschen Steuerzahler gerettet und will 26.000 Beschäftigte entlassen.
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Der Aufstieg des Wohnungskonzerns ist dem Staat mit zu verdanken. Den Grundstein legte bekanntlich der Berliner SPD-Senat unter Klaus Wowereit und Finanzsenator Thilo Sarrazin: Die größte landeseigene Berliner Wohnungsgesellschaft GSW mit 65.000 Wohnungen wurde an die „Heuschrecken“ Whitehall und Cerberus verschleudert. Die rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder, SPD, hatte die neuen US-Schattenbanken zur Kauftour in Deutschland eingeladen, Steuervorteile selbstverständlich garantiert. Danach hat Deutsche Wohnen den GSW-Bestand übernommen und noch einiges zugekauft, besitzt jetzt in Berlin 114.000 Wohnungen und in ganz Deutschland 164.000 Immobilien-Einheiten.
Und die Gewinne steigen
Mit den gesteigerten Mieten und Nebenkosten hat der Konzern in den letzten Jahren immer besser verdient. 2019 wurde der operative Gewinn auf eine halbe Milliarde Euro erhöht, auf 538 Millionen. Das waren 11,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor: Im bereits einsetzenden Wirtschaftseinbruch eine sagenhafte Rendite. „Deutsche Wohnen profitierte vom kräftigen Anstieg der Immobilienpreise in Berlin“, lobte das Handelsblatt. Da machen auch der seit Februar 2020 in Berlin geltende Mietendeckel und jetzt die Geldnöte einiger Mieter nichts aus: Für 2020 erwartet Vorstandschef Michael Zahn zwar leider keine weitere Steigerung, aber doch etwa dasselbe Ergebnis: 540 Millionen. Mit den Gewinnen geht Deutsche Wohnen auf weitere Einkaufstour. Jetzt sind erstmal 400 Wohnungen und dazu noch 40 Gewerbeeinheiten im Visier, die meisten in Berlin, in Milieuschutz-Gebieten. „Wo es möglich ist, werden Land Berlin und Bezirke alle Mittel ausschöpfen, um die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten und Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung zu schützen“, teilt die Senatsverwaltung mit. Sehr offensiv klingt das nicht.
Lukratives Schlupfloch im Mietendeckel
Deutsche Wohnen hat sich mit dem Mietendeckel keineswegs abgefunden. Man setzt auf das Urteil des Landgerichts Berlin aus dem Jahr 2019. Die Richter hatten dem Land bescheinigt, dass es dafür gar keine Gesetzgebungs-Kompetenz habe. Die liege allein beim Bundestag. Der Bundesgerichtshof werde deshalb den Mietendeckel dann endgültig für rechtswidrig erklären, so die Erwartung auch der anderen Wohnungskonzerne wie Vonovia, Grand City Properties, LEG&Co., die sich dafür lobbymäßig kräftig ins Zeug legen.
Deutsche Wohnen umgeht den Mietendeckel sowieso schon. Der hat freundlicherweise ein eingebautes Schlupfloch: Neubauten sind nicht betroffen. Also wird jetzt mit den Gewinnen kräftig neu gebaut. Bisher hat der Konzern höchstens 400 Wohnungen jährlich neu gebaut, ab sofort sollen es mindestens 1.000 werden. Dafür hat Deutsche Wohnen in München den Projektentwickler ISARIA Wohnbau gekauft, für 600 Millionen Euro. Da sind 2.700 Wohnungen und einige Gewerbeimmobilien im Bau. Das ist aber nur der Anfang, Teil einer „strategischen Neuausrichtung“: hin zu mehr Neubau und hinein in schon hochpreisige Städte wie München, aber auch Frankfurt/Main und Hamburg. Dort sympathisieren die Politiker*innen nicht mit Mietendeckeln oder noch Ärgerem.
Zur strategischen Neuausrichtung gehört noch mehr. 2016 kaufte der Konzern für 420 Millionen Euro 28 Pflegeheime mit 4.100 Betten, verteilt über Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Die Heime gehörten der Berliner Immobilien-Holding Berlinovo, einer ausgelagerten Bad Bank (Schrottbank) der maroden Berliner Bankgesellschaft. 2018 wurde noch die „Pflegen und Wohnen Hamburg“ dazugekauft: Jetzt sind es schon 12.000 Betten.
Das Monopol mit BlackRock & Co
Wer verdient eigentlich am asozialen Aufstieg von Deutsche Wohnen? Die größten Aktionäre sind: an erster Stelle der größte Kapitalorganisator der westlichen Welt, BlackRock aus New York mit 10,2 Prozent. Dann folgt Massachusetts Financial aus Boston mit 9,9 Prozent. Auf dem dritten Platz befindet sich der norwegische Staatskonzern Norges mit 6,9 Prozent, der sein Geld mit Ölbohrungen in der Nordsee verdient und auch an BlackRock beteiligt ist. Nebenbei: BlackRock & Co sind auch die Hauptaktionäre beim größten Wohnungskonzern in Deutschland, Vonovia mit über 400.000 Wohnungen, und übrigens auch beim dritt- und viert- und fünftgrößten. Allen geht es in der Krise ähnlich gut wie Deutsche Wohnen. Und das soll nicht der Endzustand sein. BlackRock&Co haben mit Vonovia die 2016 gescheiterte Übernahme von Deutsche Wohnen noch keineswegs aufgegeben.
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Wenn wir schon dabei sind: Der Krisen-Verlierer Lufthansa ist mit 9 Milliarden der große Gewinner bei den derzeitigen Staatshilfen der Bundesregierung. Aber wer profitiert eigentlich von dieser Staatshilfe, die damit verbunden ist, dass der Helfer Staat nicht mitentscheiden kann? Während des Lockdowns, als ihre Lobbyisten mit der Bundesregierung über die Rettung verhandelten, sind neue Aktionäre in die Lufthansa eingestiegen: An der Spitze Heinz Hermann Thiele, mit seinem 15 Milliarden-Vermögen einer der reichsten deutschen Multimilliardäre. Er hat im Vorfeld der Rettung sein Aktienpaket schnell auf 15 Prozent aufgestockt. Und schnell eingestiegen sind ebenfalls die Banken Morgan Stanley und Goldman Sachs mit Sitz in der US-Finanzoase Delaware. Und einer mit Sitz in Delaware war sowieso schon da: BlackRock.
Da fragt sich nur, von welchem Virus wir eigentlich befallen sind. Und gegen den soll es keinen Lockdown geben?
Werner Rügemer
Foto: Protestaktion von MieterInnen der Vonovia-Wohnungen in der Schwaketenstraße im September 2018 (Foto: Mieterbund Bodensee)
Der Text erschien zuerst bei: verdi publik 2020/4