Angst und Schrecken am Amazonas

Mehr als 50 Zuhörerinnen und Zuhörer lauschten am letzten Mittwoch im Palmenhaus den Worten von Paulo Roberto Ignacio, der über die aktuelle Stimmung in Brasilien berichtete. Im Fokus seines Vortrags stand vor allem die Umweltpolitik von Präsident Bolsonaro und deren Folgen. Der Sozialaktivist war einer Einladung der Initiative „Pro Amazonia“ gefolgt. 

Ignacio ist Mitbegründer der sozialen Organisation „Associacao Comunitaria Monte Azul“, die seit 1979 in den Armenvierteln, den „Favelas“, im Süden der Stadt Sao Paulo aktiv ist und durch Tätigkeiten im Bereich Erziehung, Gesundheit, Kultur und Gemeinschaftsentwicklung Kindern und Jugendlichen eine sinnvolle Zukunft ermöglicht. Den musikalischen Auftakt machten Be Ignacio, die Tochter des Referenten, und ihr Ehemann Markus Schmidt mit einem passenden brasilianischen Lied, das den Urwald mit den Haaren von „Mana“ – der „Mutter Erde“ – vergleicht, die sich im Licht der aufgehenden Sonne rot färben. Das Palmenhaus gab den passenden Raum dazu.

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Nach einem kurzen, ermutigenden Grußwort von Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn sprach Paulo Ignacio zunächst über mögliche Gründe, die zur Wahl eines solchen Präsidenten geführt haben. Von außen betrachtet erscheint es doch meist unverständlich, wie es dazu kommen konnte. Nach Ignacios Überzeugung ist es der weitverbreitete Glaube an die Fähigkeit des Ex-Generals Bolsonaro gewesen, mit seiner rigorosen Art und Waffengewalt die Kriminalität zu bekämpfen, Ruhe und Ordnung ins Land zu bringen und die Wirtschaft anzukurbeln. Die meisten Stimmen habe er aber von Brasilianern bekommen, die so durch und durch enttäuscht und angewidert von der aktuellen Regierung der Arbeiterpartei PT und deren Korruptionsskandalen waren, dass sie Bolsonaro als das kleinere Übel ansahen. Vor allem diese Leute seien jetzt aber auch schon wieder auf dem harten Boden der Tatsachen angekommen und bereuten, Bolsonaro ihre Stimme gegeben zu haben – aktuell hat der Präsident nur noch 30 Prozent Rückhalt in der Bevölkerung.

Ignacio schilderte eindrücklich auch jenen Tag in Sao Paulo, über den Bilder um die Welt gingen. Um 3 Uhr nachmittags war es in der Stadt dunkel geworden, weil der Wind den Ruß und Staub der über 1000 Kilometer entfernten Brände im Amazonasgebiet bis nach Sao Paulo getragen und und den Himmel schwarz gefärbt hatte.

Der Aktivist stellte klar, dass Brände zum Zweck der illegalen Rodung und illegale Inbesitznahme eigentlich jedes Jahr an der Tagesordnung sind. Seit dem Regierungsantritt Bolsonaros hätten aber die betroffenen Gebiete ein ungeheures Ausmaß erreicht. Dessen Maßnahmen, Gesetzeslockerungen und die offen zur Schau gestellte Feindschaft gegenüber Indigenen und Waldschützer befeuere die Täter zusätzlich. Alle Menschen, die im Amazonasgebiet wohnen, berichtete Ignacio, sind in Angst und Schrecken versetzt und viele BrasilianerInnen sehr besorgt.

Im Anschluss erzählte Markus Schmidt von den Borari aus dem Dorf „Alter do Chao“, eines von ungefähr 350 indigenen Völkern im Amazonasgebiet. Die Indigene Vandria, die vor einigen Wochen Konstanz besucht und ebenfalls im Palmenhaus gesprochen hatte, gehört ebenfalls den Borari an und ist eine der ersten indigenen Rechtsanwältinnen in Brasilien.

Die nach ihrem Vortrag gegründete Bürgerinitiative „Pro Amazonia Konstanz“ versucht nun, eine Partnerschaft der Borari mit der Stadt Konstanz ins Leben zu rufen. Eine Idee, deren Nachahmung durch andere Städte erwünscht ist, um den Indigenen einen gewissen Schutz durch internationale Aufmerksamkeit zu verschaffen. Markus Schmidt wies darauf hin, dass er bei den von seiner Frau mit Menschen im Amazonasgebiet geführten Telefonaten und Skype-Gesprächen sehr stark spüren könne, wie sehr schon allein ein wenig Aufmerksamkeit aus einem fernen Land helfen und Mut machen kann, weiterzukämpfen – ganz abgesehen von konkreten Projekten wie zum Beispiel ganz aktuell der Unterstützung der Feuerwehr.

Be Ignacio, Renate Ignacio, Markus Schmidt/red

Das Bild zeigt (von links) Karl Langensteiner-Schönborn, Be Ignacio, Paulo Ignacio, Markus Schmidt (© Marco Walter)