Aufruhr im Hinterhof der USA

Viele reißerische Nachrichten, aber kaum nachprüfbare Informationen gibt es hier­zulande über Venezuela, so das Fazit von Carolus Wimmer. Der gebürtige Bayer mit Konstanzer Abitur lebt seit 47 Jahren in Südamerika, ist dort zum Internationalen Sekretär der Kommunistischen Partei Vene­zuelas (PCV) aufgestiegen und berichtete nicht zum ersten Mal in Konstanz über die „Hinterhof-Politik“ der USA in seiner neuen Heimat.

Er werde keine Schwarzweiß-Malerei betreiben, versicherte Carolus Wimmer vor 40 Zuhörern im Barbarossa-Hotel, sondern schonungslos auch die Probleme benennen, die seine neue Heimat beuteln. Ja, es gebe Versorgungs-Schwierigkeiten, z. B. beim Sanitär-Bedarf – nur müsse man wissen, dass dieser Sektor in Südamerika vom US-Konzern Procter and Gamble beherrscht wird, der das Angebot jederzeit auch künstlich verknappen könne. Gleiches gelte für die Versorgung mit Medikamenten, die fast ausschließlich vom US-Hersteller Pfizer betrieben wird.

Wimmers Vortrag ähnelte in weiten Teilen einem historischen Abriss, in dem er die „Hinterhof-Politik“ der USA gegenüber seinen südlichen Nachbarn beschrieb. Seit der Monroe-Doktrin (1823) bis zum Obama-Dekret (2015) verlaufe die Hegemonial-Politik der USA gegenüber Venezuela, aber früher auch gegenüber Chile und jetzt aktuell gegenüber Brasilien wie ein roter Faden durch die Beziehungen zwischen Nord- und Südamerika: Jede Regierung in Washington betrachtet seit 200 Jahren die südamerikanischen Staaten als ihren Hinterhof, in dem die USA sich das Recht nehme, für Ordnung in ihrem Sinne zu sorgen.

Da werde auch vor Umsturzplänen und Putschen nicht Halt gemacht – genau das spiele sich derzeit in Venezuela ab, so Carolus Wimmer. Söldnertrupps beherrschten die Straßen von Caracas, die Opposition verweigere die parlamentarische Mitarbeit, obwohl sie im Parlament über die Mehrheit verfügt, alles deute auf einen Putsch hin: „Ich schlafe jeden Abend mit der Angst vor einem Bürgerkrieg ein“, beschreibt Wimmer die aktuelle Lage.

Neueste Nachrichten scheinen diese Einschätzung des Deutsch-Venezulaners zu bestätigen. An der Wahl zu einer verfassungsgebenden Versammlung, die am 30. Juli in Venezuela stattfinden soll, beteiligt sich die Opposition ausdrücklich nicht. Stattdessen ruft sie, wie die Deutsche Presseagentur (dpa) aktuell berichtet, im Ausland lebende Landsleute zu einer symbolischen Abstimmung auf. Doch diese mittelständischen Auslands-Venezulaner, so Wimmer, repräsentierten keineswegs die Meinung der Mehrheit des Volkes. Er rechnet hingegen mit einer breiten Zustimmung für Staatspräsident Maduro und dessen Plänen zu einer neuen Verfassung. Ob allerdings ein solches Votum für Frieden in Venezuela sorgen wird, muss nach Wimmers Vortrag in Konstanz bezweifelt werden.

hpk