Heute vor 80 Jahren begann der Überfall der deutschen Wehrmacht auf Griechenland

Am 6. April 1941 überfiel die deutsche Wehrmacht Griechenland. Bei ihrem erzwungenen Abzug im Herbst 1944 hinterließ sie ein nach dem „Prinzip der verbrannten Erde“ völlig zerstörtes Land. Weit über tausend griechische Dörfer waren nahezu ausradiert, Hunderttausende griechische Frauen, Männer und Kinder waren verhungert, durch Geiselerschießungen, Massaker an der Zivilbevölkerung oder bei Widerstandsaktionen getötet worden. Und annähernd 60.000 griechische Jüdinnen und Juden fielen dem deutschen Rassenwahn zum Opfer. In der Bundesrepublik Deutschland blieb all das ohne rechtliche Konsequenz; die meisten Opfer wurden niemals entschädigt.

Am 27. April 1941 wurde auf der Akropolis die Hakenkreuzfahne gehisst

Mitte 1940 hatten die Deutschen – nach den „Blitzsiegen“ gegen Polen und Frankreich siegessicher – mit den operativen Planungen für Hitlers Angriff auf die Sowjetunion begonnen. Der war für Mai 1941 geplant, musste aber zunächst noch zurückgestellt werden: Auf dem Balkan war die Sicherung der Südost-Flanke, auch die der für den Feldzug dringend benötigten rumänischen Ölvorkommen, nicht mehr gegeben, nachdem der italienische Diktator Mussolini – mit Nazi-Deutschland durch die „Achse Berlin-Rom“ (1936) und den „Stahlpakt“ (1939) verbündet – mit seinem Angriff auf Griechenland gescheitert war. Sein ambitionierter Plan, das italienische „Impero“ auf den Balkan auszudehnen, endete jämmerlich im Frühjahr 1941 und zog verstärkte britische Truppenverlegungen nach sich.

Willkürliche Erschießung von Zivilisten in Kondomari auf Kreta, Foto: Bundesarchiv, Bild 101I-166-0527-04 / Weixler, Franz Peter / CC-BY-SA 3.0

Drei Tage nach dem Beginn des deutschen Überfalls auf Griechenland nahm die Wehrmacht am 9. April 1941 Thessaloniki ein. Nach weiteren Geländegewinnen erfolgte am 21. April 1941 die bedingungslose Kapitulation der hoffnungslos unterlegenen griechischen Armee. Am 27. April 1941 nahm die deutsche Wehrmacht Athen ein und hißte auf der Akropolis die Hakenkreuzfahne. Dort hing sie bis zum 12. Oktober 1944 – mit einer kurzen Unterbrechung, als nämlich Manolis Glezos und Apostolos Santas in der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1941 die Fahne vom Mast holten und damit ein Fanal zum Widerstand gegen die Fremdherrschaft setzten.
Vor allem die katastrophale Ernährungslage (bereits der erste Besatzungswinter 1941/1942 forderte circa 100.000 Hungertote), hervorgerufen durch die wirtschaftliche Ausplünderung des Landes, führte zur Gründung diverser Widerstandsorganisationen. Diesen Widerstand versuchten die Deutschen mit Durchkämmungsaktionen ganzer Regionen, Razzien und Massenerschießungen zu unterdrücken. Allein am 1. Mai 1944 ermordeten sie 200 im KZ Chaidari inhaftierte griechische Antifaschisten und Widerstandskämpfer am Schießstand von Kesariani.
Bis kurz vor dem Abzug der deutschen Besatzungstruppen aus Griechenland im Herbst 1944 dienten Razzien – vor allem in den „roten Hochburgen“ im Großraum Athen – nicht nur zur Einschüchterung der Bevölkerung und der Suche nach „Kommunisten“. Sie waren auch ein probates Mittel, um den Arbeitskräftemangel der deutschen Rüstungsindustrie zu befriedigen. Aus den zusammengetriebenen Männern eines ganzen Bezirks wurden jeweils mehrere hundert Arbeitsfähige zwischen 14 und 60 Jahren ausgewählt, zunächst in das berüchtigte Athener KZ Chaidari transportiert und danach zur Zwangsarbeit in deutsche Lager deportiert. Viele von ihnen mussten sich auch in Konzenzentrationslagern in Baden-Württemberg zu Tode schuften.

Der Holocaust in Griechenland

Deportation der jüdischen Gemeinde von Ioannina, Foto: Bundesarchiv, Bild 101I-179-1575-08 / Wetzel / CC-BY-SA 3.0

Bereits Anfang Mai 1941 traf ein Sonderkommando des „Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg“, eine 1940 gegründete Rauborganisation der NSDAP für Kulturgüter aus den besetzten Ländern, in Athen ein. Zu seinen Aufgaben gehörten die Vorbereitungen zur „Beschlagnahmung“ historisch wertvoller Dokumente, Kulturgüter und lithurgischer Gegenstände und die Sammlung der nötigen statistischen Informationen für die späteren Deportationen der jüdischen Bevölkerung Griechenlands.
Entwürdigenden Schikanen aller Art waren Jüdinnen und Juden bereits ab Beginn der deutschen Besatzung Griechenlands ausgesetzt. Im Frühjahr 1943 setzten die Deutschen schließlich zur „Endlösung der Judenfrage“ in Griechenland an: Zwischen dem 15. März und dem 11. August 1943 wurden zunächst über 45.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder aus Thessaloniki in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Bis Mitte August 1944 erhöhte sich die Zahl der Deportierten insgesamt auf annähernd 60.000 Menschen; nur wenige von ihnen überlebten.
Ihre Fahrkarten für die Zugfahrt in die Vernichtungslager mussten die Menschen übrigens selbst bezahlen: Als staatseigenes deutsches Unternehmen berechnete die Reichsbahn in Griechenland wie überall in Europa pro Deportiertem und pro Schienenkilometer 2 Reichspfennige, ab Thessaloniki circa 39 Reichsmark.

Gedenkstätte auf dem Campus der Aristoteles Universität Thessaloniki

Die Deutsche Bahn AG als Nachfolgeunternehmen der Reichsbahn und die Bundesrepublik als deren Eigentümerin verweigern seit Jahren jegliche Entschädigungen.
Jüdinnen und Juden aus Thessaloniki machten auch über die Hälfte jener 86 Menschen aus, die nach ihrer Deportation in Auschwitz für den Aufbau einer „Jüdischen Schädelsammlung“ der Reichsuniversität Straßburg, einem Projekt der SS-„Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe“, selektiert wurden. Man fand ihre zerstückelten Leichen nach der Befreiung Straßburgs im Keller des Anatomischen Instituts.

„In Griechenland gibt es tausend Lidices – ihre Namen sind unbekannt und ihre Bewohner vergessen“

Gedenkstätte an der Erschießungsstätte von Kesariani

Noch heute ist die Legende weitverbreitet, dass die deutsche Wehrmacht in Griechenland einen „sauberen“ Krieg geführt habe. Kriegsverherrlichende Memoiren und nostalgisch-prahlerische Divisionsgeschichten trugen (und tragen nach wie vor) dazu bei. Aber auch das Bundesministerium der Verteidigung entschied sich erst mit teilweise über 50-jähriger Verspätung dazu, die „Traditionswürdigkeit“ von Offizieren, die bedenkenlos Geiselerschießungen und Massaker an Männern, Frauen und kleinen Kindern anordneten, wohl nicht mehr länger aufrecht erhalten zu können.
Dabei war die Schreckensbilanz der deutschen Okkupation Griechenlands härter und blutiger als in allen anderen nicht-slawischen Ländern. Der Grundsatz der kollektiven Verantwortung der Zivilbevölkerung kam dabei mit verbrecherischen Befehlen erstmals in Griechenland, auf Kreta, zur Anwendung – und das, bevor Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel im September 1941 den „Sühnebefehl“ für die gesamte Wehrmacht erließ, demzufolge für jeden getöteten deutschen Soldaten bis zu 100 Geiseln umgebracht wurden.

Gedenkstätte Kalavryta

„In Griechenland gibt es tausend Lidices – ihre Namen sind unbekannt und ihre Bewohner vergessen“, befand 1947 der US-Ankläger Telford Taylor im Nürnberger Prozess gegen die in Südosteuropa agierenden Generäle der Wehrmacht. Der Vergleich mit dem Massaker an der Bevölkerung des tschechischen Dorfes Lidice sollte die Schreckensbilanz der deutschen Okkupation Griechenlands verdeutlichen. Anders aber als die Massaker in Lidice und im französischen Oradour-sur-Glane, das seit dem 10. Juni 1944 zum Inbegriff deutscher Kriegsverbrechen auf französischem Boden geworden ist, wussten in Deutschland lange nur die Wenigsten von der am selben Tag im griechischen Distomo verübten Ermordung von 218 Männern, Frauen und Kindern. Dass die Balkanstaaten und vor allem Griechenland über viele Jahrzehnte nur weiße oder bestenfalls hellgraue Flecken auf der Landkarte des Okkupationsterrors darstellten, mit dem Nazideutschland Europa überzogen hatte, machten auch deutsche Gerichte möglich: Sie verurteilten nicht einen einzigen Soldaten oder Mitarbeiter der Zivilverwaltung wegen der in Griechenland verübten Verbrechen.
Und viel besser sind unsere Kenntnisse über die in Griechenland – einem der beliebtesten Urlaubsländer der Deutschen – verübten Verbrechen auch heute noch nicht. Daran haben auch Besuche deutscher Bundespräsidenten an den Gedenkstätten in Distomo, Kalavryta und Lingiades nichts geändert: Zwar erinnerten sie an die „politische Schuld“ der Deutschen und baten auch um Verzeihung für die NS-Verbrechen während der deutschen Besatzung – Reparationszahlungen lehnt Deutschland aber nach wie vor strikt ab.

Sabine Bade (Text und Fotos)