„So viele Medienschaffende in Haft wie nie zuvor“

The right to wright

Das Bild zeigt den oberen Teil einer Schreibmaschine. Auf dem Blatt steht: „The right to wright“ („Das Recht zu schreiben“).

Mit dem Jahr 2022 nimmt die Einhaltung der Pressefreiheit weltweit deutlich ab und die Zahl an Repressionen gegenüber Medienschaffenden steigt erheblich: Zum 1. Dezember befinden sich weltweit mindestens 533 Journalist*innen wegen ihrer Arbeit im Gefängnis, 65 wurden entführt, 57 getötet und 49 sind verschwunden. Diese Zahlen gehen aus der kürzlich veröffentlichten Jahresbilanz (PDF Download) der Pressefreiheit 2022 der Reporter ohne Grenzen (RSF) hervor.

Mehr inhaftierte Journalist*innen

RSF kommentiert: „Diese Zahl macht uns fassungslos: 533 Journalistinnen und Journalisten sitzen zum Jahresende aufgrund ihrer Arbeit im Gefängnis, so viele wie nie zuvor. 533 Journalistinnen und Journalisten, die für kritische Recherchen einfach weggesperrt wurden.“ Diese Zahl bedeute einen Anstieg von rund 13 Prozent zum Vorjahr. Wichtig anzumerken ist auch, dass etwa 64 Prozent der Medienschaffenden ohne Gerichtsverfahren inhaftiert seien. Weiterhin seien darunter auch Personen, die seit über 20 Jahren auf einen Prozess warten würden.

Die fünf Länder mit den meisten inhaftierten Journalistinnen

Die Grafik zeigt die fünf Länder mit den meisten inhaftierten Journalist*innen auf einer Weltkarte. Folgende Zahlen sind vermerkt: Belarus: 31, Vietnam: 39, Iran: 47, Myanmar: 62, China: 110. © Reporter ohne Grenzen

Zu den Ländern mit den meisten inhaftierten Journalist*innen zählen Belarus, Iran, China, Myanmar und Vietnam, wie in der obigen Grafik ersichtlich wird. RSF betont außerdem, dass auch Russland seit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 verstärkt gegen die Pressefreiheit vorgehe. Demnach drohe Journalist*innen, die „falsche Informationen“ über den Krieg verbreiten würden, bis zu 15 Jahre Gefängnis.

Die Menschen hinter den Zahlen

 

Inhaftierte Medienschaffende im Iran

Die Grafik zeigt Portraits von drei Medienschaffenden, die im Iran inhaftiert sind. Links zu sehen ist Narges Mohammadi, die den RSF Press Freedom Award für Mut gewann. Die anderen beiden Personen sind Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi. © Reporter ohne Grenzen

RSF fährt fort: „Hinter der Zahl 533 stehen Schicksale: Die chinesische Journalistin Zhang Zhan, die zu vier Jahren Haft verurteilt wurde, weil sie durch ihre Berichterstattung über die Covid-19-Pandemie in sozialen Medien „Unruhe gestiftet“ haben soll. Die vietnamesische Journalistin Pham Doan Trang, die wegen „Propaganda gegen den Staat“ zu neun Jahren Haft verurteilt wurde. Der russische Investigativjournalist Iwan Safronow, der 22 Jahre ins Straflager muss, weil er „Staatsgeheimnisse“ offengelegt haben soll, obwohl es sich um Dokumente handelte, die lange online öffentlich verfügbar waren. Die iranischen Journalistinnen Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi, die im September verhaftet wurden, weil sie als erste Medienschaffende auf den Tod von Jina Mahsa Amini aufmerksam gemacht hatten. Beide sind nun wegen „Propaganda gegen das System und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ angeklagt, worauf die Todesstrafe steht.“

Mehr getötete Journalist*innen

Mit der Zahl an inhaftierten Journalist*innen vergrößere sich auch die Zahl an getöteten Medienschaffenden. Laut der Pressebilanz des RSF starben 57 Personen im Jahr 2022 bei journalistischer Arbeit, etwa drei Viertel davon seien gezielt ermordet worden. Dies stelle einen erheblichen Anstieg von etwa 19 Prozent zum Vorjahr dar.

RSF erläutert: „Hier blicken wir vor allem auf die Ukraine, wo seit Beginn des russischen Angriffes auf das ganze Land acht Medienschaffende getötet wurden. Wie gefährlich die Berichterstattung dort derzeit ist, zeigen exemplarisch die Schicksale des ukrainischen Fotografen Maxim Lewin, der nach unseren Recherchen am 13. März gezielt von russischen Soldaten erschossen wurde, sowie des französischen Videoreporters Frédéric Leclerc-Imhoff, der auf dem Weg zu Dreharbeiten in der Ostukraine durch einen Granatsplitter getötet wurde.“ Die gefährlichsten Themen bei der Berichterstattung seien vor allem Kriege, organisierte Kriminalität und Korruption. Demnach seien 45 der insgesamt 57 Personen umgekommen, weil sie in diesen Themenfeldern berichteten.

Zu den gefährlichsten Ländern für Medienschaffende zählen unter anderem Brasilien, Mexiko, Syrien, Jemen, Haiti und die Ukraine. Mit 11 getöteten Medienschaffenden ist Mexiko demnach zum vierten Mal in Folge auf Platz 1 der gefährlichsten Länder für Journalist*innen.

Ein Appell für die Pressefreiheit

Zur Unterstützung von flüchtenden Medienschaffenden hätte RSF in Zusammenarbeit mit der Schöpflin Stiftung und der Rudolf Augstein Stiftung den JX Fund gegründet. Dieser soll Journalist*innen schnelle und unbürokratische Hilfe nach einer Flucht aus Kriegs- und Krisengebieten zur Seite stellen, damit diese von anderen Orten aus weiterarbeiten können. Der Fond kann durch Spenden oder Mitgliedschaften unterstützt werden.

RSF schließt deren Kommentar zur Jahresbilanz der Pressefreiheit mit einem Appell, der so nur bestärkt werden kann: „Wir trauern um die verstorbenen Kolleginnen und Kollegen, wir denken an die Reporterinnen, die in den Gefängnissen autoritärer Regime ausharren müssen, wir warten auf erleichternde Nachrichten zu den verschwundenen und entführten Medienschaffenden, deren Schicksal teils jahrelang unklar bleibt. Wir möchten die Namen hinter den Zahlen sichtbar machen und uns weiterhin für all’ die einsetzen, die für ihren Beruf ihre Freiheit und ihr Leben riskieren.“

Autor*in: Connie Lutz /MM
Bildrechte:
Teaser: Suzy Hazelwood, Pexels
Grafiken: Reporter ohne Grenzen