AfD: Erfolge wirrer Politik

IMG_1116.JPGDie junge, eher rechtskonservative „Alternative für Deutschland“ (AfD), ein Sammelbecken aller Euro-Gegner, wird weiter reüssieren. Dafür spricht viel, auch Meinungsumfragen, die im Vorfeld der drei ostdeutschen Landtags-Wahlen angefertigt werden; in Sachsen wird am kommenden Sonntag gewählt, in Thüringen und Brandenburg dann im September. Sie tut dies auch auf Kosten der FDP, die über Jahrzehnte vor allem den Mittelstand in den Parlamenten vertrat

Nun schleppt sich die „AfD“ – keine Überraschung bei einer jungen Partei, die noch im ersten Gärungsprozess ist – zwar von einem kleinen Skandal zum nächsten , aber die scheinen ihr zunächst nichts anzuhaben. Da geht es um völlig zerstrittene Landesverbände, um persönliche Fehltritte von wichtigen Führungsleuten, vor allem jedoch um die vermutete und auch teilweise belegte Nähe zu Rechtsradikalen – in manchen Kreisen, rechten wie linken, gilt sie als „NPD light“.

Es gibt im Wesentlichen drei Gründe, welche die relative Stabilität dieser neuen Partei erklären können. Sie verkörpert eine tiefe Skepsis gegen den Euro, den EU-Apparat und die offizielle Euro-Rettungspolitik und trifft damit einen Nerv in Teilen der Bevölkerung; ihre konkrete Forderung, zu einer nationalen Währung zurückzukehren, wird nach Umfragen jedoch nur von einer kleinen Minderheit geteilt.

Zurück zum Nationalstaat?

Diese grundsätzlich EU-kritische Position, kombiniert mit einer Rückbesinnung auf die Stärke des Nationalstaates, verleiht ihr in weiten Teilen der Bevölkerung ein Alleinstellungsmerkmal. Denn Union, SPD, Grüne und FDP halten interne Kritik eisern unter dem Deckel und halten ebenso eisern an dem Grundsatz fest: Im Prinzip und in fast allen Details ist alles richtig, EU und Euro sind faktische Friedens- und Wohlstands-Politik. Die AfD hat damit auch eine Art Ventilfunktion: Wer nicht links wählen – die Partei Die Linke lehnt aus sozialen und ökonomischen Gründen die Euro-Rettungspläne ab – , aber seinen Bedenken Ausdruck verleihen will, der kann nur auf die AfD zurückgreifen.

Und diese eher klassisch-bürgerlichen Mittelschichten können letztlich ohne Bedenken auf die AfD zurückgreifen: Zwar ist einiges skurril, aber unverändert prägen seriöse Politiker das Bild der Partei. So ist Bernd Lucke, der Parteivorsitzende, ein kompetenter Wirtschaftswissenschaftler. Hans-Olaf Henkel, einst profilierter Sprecher des BDI, Deutschlands mächtigsten Arbeitgeber-Verband, sitzt für die AfD im EU-Parlament ebenso wie Joachim Starbatty, ebenfalls Wirtschaftswissenschaftler und Euro-Gegner von Anfang an, und Alexander Gauland, einst renommierter CDU-Politiker der zweiten Reihe, ist Spitzenkandidat in Brandenburg.

Inhaltlich bietet diese Partei für den eine wirre Mischung, der die Positionen nach dem Rechts-Links-Schema einordnen will. Es gibt das Bündnis-Konzept der Querfront, das – verkürzt gesagt – versucht, mit sich widersprechenden Positionen Wählergruppen von rechts bis links anzusprechen. So arbeitet die AfD an mehreren Nahtstellen, greift widersprüchliche Positionen auf, ohne sich zu bemühen, diese Ambivalenzen aufzulösen. Beispiele: Die AfD-Leute beteuern, sie seien leidenschaftlich für Europa, zugleich werben sie für einen Rückzug auf den Nationalstaat; auch mit dem Argument, nur der sei demokratisch. Natürlich plädiert zeitgleich Hans-Olaf Henkel für eine Politik der Globalisierung und Internationalisierung. Andererseits steht die Partei kritisch zu dem geplanten Freihandelsabkommen TTIP, da sie Nachteile für die mittelständische deutsche Wirtschaft befürchtet.

Protestwähler von allen Parteien

Die AfD kritisiert sehr deutlich die Rolle der Banken. So stand auf einem AfD-Plakat im letzten Bundestagswahlkampf: „Die Deutschen zahlen, die Banken kassieren, die Griechen leiden“. Plakate im sächsischen Wahlkampf lauten: „Alle Macht geht vom Volke aus“. Und: „Einwanderung braucht klare Regeln“. Einen prominenten Platz nehmen momentan Positionen ein, welche die Sanktionspolitik gegenüber Russland klar ablehnen.

Die sehr konservativen gesellschaftspolitischen Positionen werden stärker: Beatrix von Storch, bundesweite Frontfrau, ist gegen Abtreibung, und gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind für sie keine Ehen. Frauke Petry, Spitzenkandidatin in Sachsen, fordert eine Volksabstimmung zur Verschärfung der Abtreibungsgesetze. Es sei wünschenswert, dass jede deutsche Familie drei Kinder habe, so Petry.

Dieses Querfront-Konzept – ob bewusst inszeniert oder intuitiv praktiziert – sorgt für den Zustrom von Wählern aus allen Richtungen: von der FDP, der Union, der Linkspartei bis zur NPD, die auch wegen der AfD um ihren Wiedereinzug in den sächsischen Landtag bangt. Offiziell positioniert sich die AfD so: Man stehe vorne, wahlweise in der Mitte, so der Vorsitzende Bernd Lucke, je nach Diskussionslage. Die Prognose für Sachsen: Bis zu sieben Prozent für die AfD, womit sie in den ersten Landtag einzöge. Und die in Sachsen mitregierende FDP? Drei Prozent, so die Prognose, nach einst stolzen zehn Prozent.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

Autor: Wolfgang Storz/woz.ch