Beispielsweise Marktwirtschaft
Zeiten des Wahlkampfes – am 25. Mai ist es auch in Europa wieder soweit – sind Anlass, um die großen Tendenzen in die Mitte zu stellen. Die, die im Alltag von diesen sekündlichen Pseudo-Aktualitätchen in die Vergessenheit verdrängt werden
Beispielsweise, dass nirgendwo in der Eurozone die Vermögen so ungleich verteilt sind wie in Deutschland, so das DIW, Berlin. Hans Ulrich Wehler, Sozialhistoriker: „Hundert Milliardäre stehen 2012 an der Spitze von 345 000 Vermögensmillionären: Die deutschen Reichen waren noch nie so reich wie in der unmittelbaren Gegenwart.“ Übrigens: Gerhard Schröder spielte da die Rolle eines der größeren Geldscheißer.
Beispielsweise, dass nach Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) die öffentlichen Hände, also Bund, Länder und Kommunen, in den vergangenen 15 Jahren wegen der Steuerpolitik im Saldo knapp 500 Milliarden Euro weniger eingenommen haben und unter anderem deshalb die öffentliche Infrastruktur verrottet und die Staatsschulden explodieren.
Beispielsweise, dass bei allen Banken-Rettungsaktionen – in der EU wurden mindestens 1,7 Billionen Euro an Steuergeldern dafür zur Verfügung gestellt – nur eines gerettet wird, wie Hans-Werner Sinn, Wirtschafts-Professor mit marktradikalem Antlitz, weiß: „Typischerweise konzentriert sich der Besitz der europäischen Bankaktien und Bankschulden auf die reichsten fünf Prozent der Haushalte …. . Der Reichtum der Vermögenden wird zu Lasten der Steuerzahler, Rentner und Sozialhilfeempfänger der Eurozone gesichert.“
Beispielsweise, dass nur etwa sechs Milliarden Euro investiert werden in eine so genannte europäische Jugendgarantie, um die Jugendarbeitslosigkeit – die reicht mit Stand Dezember 2013 von 59,2 Prozent (Griechenland) und 23,3 Prozent (EU-Durchschnitt) bis 7,4 Prozent (Deutschland) – zu bekämpfen.
Beispielsweise, dass dies alles kein Zufall ist, weil Forscher der renommierten ETH Zürich vor zwei Jahren in akribischer Arbeit ermittelt haben, dass von insgesamt etwa 43 000 transnationalen Konzernen gerade einmal 147 dieser Unternehmen über Verflechtungen und Beteiligungen sagenhafte 40 Prozent der Unternehmenswerte aller dieser 43 000 weltweit agierenden Konzerne kontrollieren. Und dass diese 147 Super-Konzerne wiederum untereinander engstens verflochten sind, so dass demjenigen, der heute noch das Wort Marktwirtschaft in den Mund nimmt, sofort alle Zähne verfaulen und die Aussicht auf Implantate versagt bleiben mögen.
Beispielsweise, dass – laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2013 – „Arbeitslosigkeit, Bildungsstand und Kaufkraft … nachweislich maßgeblichen Einfluss auf die Wahlbeteiligung“ haben und deshalb die vergangene Bundestagswahl „sozial nicht repräsentativ“ gewesen sei. 29,4 Millionen Wählern für die Parteien der Großen Koalition stünden 17,6 Millionen Nichtwähler gegenüber, wobei letztere vor allem aus sogenannten „sozial prekären“ Verhältnissen stammen. Man habe es inzwischen mit einer Demokratie für Besserverdienende zu tun, bilanziert die marktradikal geneigte Stiftung.
Das war das nervende Elend. Und nun der Fortschritt
Wahlkampf, das heißt auch, die Erfolge in die Mitte zu stellen, sie zu würdigen und – wer mag – zu feiern. Der renommierte Wirtschaftsjournalist Harald Schumann, Redakteur beim „Tagesspiegel“, Berlin, hat jüngst auf diese Erfolge hingewiesen. Netzneutralität, Girokonto für alle, Verhinderung Wasser-Privatisierung, Aussetzung der Verhandlungen zwischen EU und USA in Sachen Investitionsschutz, Einführung automatischer Informationsaustausch für Steuerbehörden und damit viel größere Jagd-Chancen auf Steuer-Kriminelle – bei all diesen erfreulichen Entscheidungen des EU-Parlamentes gab es ein erfolgreiches Zusammenspiel zwischen hunderttausenden von hartnäckigen widerständigen Bürgern und Organisationen wie Campact oder dem „Tax Justice Network“ (TJN) und aufgeschlossenen und/oder zum Handeln gedrängten EU-Parlamentariern. Also: Bitte weiterspielen am 25. Mai.
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Autor: Wolfgang Storz/ND