Charlie Hebdo und das linke Appeasement
Das Attentat gegen Charlie Hebdo kam mit Ansage. Islamistische Gewalt oder ihre Androhung ist spätestens seit der Fatwa gegen Salman Rushdie Teil der politischen und kulturellen Landschaft Europas. Diesmal hat sie mit Charlie Hebdo eine Ikone der libertären Gesellschaften Europas getroffen: Wie kein anderes Medium war „Charlie“ ein Kind des Mai 68.
Die Frage ist, ob die europäische Linke aus diesem Angriff endlich Konsequenzen zieht. Denn die bittere Wahrheit ist, dass die europäische Linke viel zu lange die islamistische Gefahr banalisiert hat. Gefangen in einem werterelativierenden Multikulturalismus hat sie passiv zugesehen, wie an den Rändern der Zuwanderungsgesellschaften Westeuropas ein Klima des antiwestlichen Hasses heranwuchs. Wenn dieser Hass schließlich tätig wurde, hat sie sich meistens weggeduckt. Viel zu oft hat die europäische Linke aus Gründen der Political Correctness weggesehen: Als islamische Fanatiker im Zuge des Karikaturenstreits Menschen töteten und bedrohten, hat sie Verständnis für die verletzten Gefühle der Täter gezeigt, nicht für die der Opfer.
Erst nach einem Aufschrei der Öffentlichkeit ging die Labour-Regierung in Großbritannien gegen die Fanatiker vor, die mit ihren „Kill all Enemies of Islam“-Plakaten durch britische Städte zogen. Weggesehen wurde auch, als in britischen Islamschulen die Amputation von Gliedern zum Unterrichtsthema wurde. Wenn, wie in Rotherham, organisierte sexuelle Gewalt aus migrantischen Milieus gegen Minderjährige ausging, wurde die Strafverfolgung behindert. Als die französische Assemblée Nationale für das Verbot der Burka stimmte, enthielt sich die PS-Fraktion der Stimme. Weder Salman Rushdie noch Kurt Westgaard haben von der europäischen Linken viel Unterstützung erfahren. Im Gegenteil: Immer wieder hat die Linke eingestimmt in den Chor derjenigen, die Kritik an der kulturellen und politischen Praxis des Islam als menschenfeindliche Islamphobie und Xenophobie tabuisierten. Säkulare und assimilationsorientierte Einwanderer wurden in ihrem Kampf gegen religiöse Identitätspolitiken weitgehend allein gelassen.
Auf perverse Art artikuliert sich ein paternalistischer Gutmenschen-Rassismus
Die Dynamik und Pathologie der ideologischen und politischen Entwicklungen in der islamischen Welt hat die Linke nie ernsthaft interessiert. Religiöser Fanatismus, Gewaltkultur, Radikalisierung und Anti-Okkzidentialismus in migrantischen Milieus wurden immer nur als Reaktion auf angebliche Ausgrenzungserfahrungen behandelt. Auf eine perverse Art artikuliert sich hier ein paternalistischer Gutmenschenrassismus, der auch 50 Jahre nach der Entkolonialisierung den muslimischen Anderen nicht als Subjekt seiner Geschichte begreifen kann, sondern nur als reagierendes Objekt westlichen Handelns. Der Islamismus ist aber nicht in Seine-Saint Denis oder Neukölln entstanden, sondern in Riad, Kairo und Islamabad. Er ist ein ideologisches Kind der Modernisierungskonflikte der islamischen Welt selbst.
Diese Denkverweigerung artikulierte sich in den letzten Wochen auch in der Reaktion auf die Pegida-Bewegung. Natürlich ist diese Bewegung in vielen Aspekten suspekt. Aber in ihr artikuliert sich eben auch die Angst vor Ereignissen wie am 7. Januar in Paris oder am 7. Juli 2005 in der Londoner U-Bahn. Der Alt-68er Peter Schneider spricht in einem Artikel zu Pegida davon, dass die Menschen Angst hätten „dass die zivilen Gesellschaften Europas ihre eigenen Regeln nicht mehr verteidigen.“
Warum die Sorge vor Attentaten und der Wunsch nach der Bewahrung einer freiheitlichen und säkularen Gesellschaft eine „Schande für Deutschland“ sein soll, bleibt das Geheimnis des Justizministers und des deutschen Feuilletons. Wer die Faschisten sind, sollte spätestens seit dem 7. Januar klar sein. Man hätte es aber auch schon früher wissen können.
Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff hatte völlig Recht, als er erklärte, dass „der Islam zu Deutschland gehört“. Man mag das gut oder schlecht finden, es ist einfach so, weil in diesem Land (und auf diesem Kontinent) eine signifikante Gruppe von Menschen lebt, die dieser Religion angehören und sich ihrem Weltbild verpflichtet fühlen. Diese Normalität des Islam in Europa bedeutet aber auch, dass die europäische Linke sich mit ihm wie mit jeder anderen Ideologie auseinanderzusetzen hat.
Gegner eines linken Menschenbildes
Sie hat zu prüfen, wo und wie ihre Werte und Ziele mit den Normen und der kulturellen und gesellschaftlichen Praxis dieser Religion übereinstimmen, aber auch, wo sie diesen widersprechen. Dort, wo diese Ideologie im Widerspruch zu zentralen Zielen eines linken Menschenbildes steht, wo sie elementaren Freiheits- und Gleichheitsnormen widerspricht, ist sie ein politischer Gegner, wie jede andere derartige Denkschule auch. Oliver Schmolke, einer der klügsten Köpfe der deutschen Sozialdemokratie, schreibt in seinen Buch „Über die Freiheit“: „Die Menschen, die kamen, brachten die nationalen Identitätskämpfe ihrer Heimatländer mit, und sie als Gleiche anzuerkennen, muss auch heißen, ihre Ideologien mit gleichem Maß zu beurteilen. Nationalistische und religiös fundamentalistische Einwanderer sind Rechtsextreme, die wie ihre europäischen Verwandten einer Ideologie der Ungleichheit anhängen. Das hätten Linke immer wissen und sagen müssen.“
Das haben sie aber oft genug nicht getan. Die Tradition der Ideologie- und Religionskritik, die seit den Tagen der Aufklärung ein wesentliches Element der normativen und praktischen Emanzipations- und Freiheitsambition der europäischen Linken war, wurde durch das Schlagwort der Xenophobie mundtot gemacht. Stattdessen hat die Linke tatenlos zugesehen, wie sich eine radikal freiheits-, gleichheits- und frauenfeindliche Ideologie in Europa breit gemacht hat. Zur wachsenden Gewaltbereitschaft dieser Bewegung hat sie – jenseits von Warnungen vor „Verallgemeinerungen“ – fast nichts zu sagen gehabt.
Diese Realitätsverweigerung droht sich nun bitter zu rächen. Der Kampf gegen religiösen Totalitarismus und Obskurantismus hat im 19. Jahrhundert dazu beigetragen, die Linke in Europa groß zu machen. Ihre Feigheit, diesen Kampf unter geänderten Umständen wieder aufzunehmen, droht sie nun klein zu machen: politisch und moralisch.
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Autor: Ernst Hillebrand
„Warum die Sorge vor Attentaten und der Wunsch nach der Bewahrung einer freiheitlichen und säkularen Gesellschaft eine „Schande für Deutschland“ sein soll, bleibt das Geheimnis des Justizministers und des deutschen Feuilletons,“ schreibt Ernst Hillebrand im Hunblick auf Pegida. Ja, wenn dem so wäre, dass Pegida für die „Bewahrung einer freiheitlichen und säkularen Gesellschaft“ auf der Strasse wäre, gäbe es vermutlich kaum Gegenwind.
Wenn man sich aber die Köpfe dieser Bewegung anschaut, dann darf am Ziel, eine freiheitliche Gesellschaft bewahren zu wollen, gezweifelt werden. So selbstverständlich es sein sollte, sich gegen Islamismus einzusetzen, so selbstverständlich sollte es aber auch sein, keine Bevölkerungsgruppen auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit ausgrenzen zu wollen. Das aber tut Pegida, die sich ja nicht gegen Islamismus einsetzt, sondern gegen eine behauptete Islamisierung des Abendlandes, die sich statistisch nicht nachweisen lässt. Zumindest die Leute an der Pegida-Spitze werden nicht angetrieben durch Angst vor religiösem Radikalismus, sondern durch ihre Ablehnung der muslimischen Bevölkerungsgruppe.
Das – und nur das, nämlich die Ausgrenzung einer Bevölkerungsgruppe auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit – macht Pegida zu einer Schande für Deutschland. Vor allem da man in diesem Land mit einer solchen Ausgrenzung verheerende Erfahrungen gemacht hat. Dagegen müssten sich gerade Linke vehement wehren – und nicht Pegida verteidigen, wie das Ernst Hillebrand tut.
Ausserdem: Wo will diese Bewegung einen säkularen Staat? In ihren Veröffentlichungen und in Reden gibt sie an, die Werte des „christlichen“ Abendlandes verteidigen zu wollen. Welche sollen das sein? „Christliche Werte“ sind nicht die Werte der Aufklärung, die man als Linke gegen Islamisten verteidigen sollte. Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Gleichberechtigung, sexuelle Selbstbestimmung, Geburtenregelung, etc. wurden allesamt gegen den Willen der christlichen Kirche durchgesetzt. Als LinkeR kann man also kaum eine Verteidigung des „christlichen“ Abendlandes befürworten.
Abgesehen davon, dass es jedem einzelnen Staat (bzw. dessen Bewohnern) innerhalb dieses Abendlandes selbst überlassen bleiben sollte, wie er mit dem (behaupteten, aber nicht bewiesenen) starken Anwachsen einer Religionsgemeinschaft umgehen will. „Patrioten“ – also „Vaterlandsfreunden“ – könnten sich ja sowieso nur für ihr eigenes „Vaterland“ stark machen und nicht für ein Konglomerat von Ländern, wie es „das Abendland“ ist. Es sei denn, man strebe an, alle Länder dieses Abendlandes zum eigenen „Vaterland“ zu machen. Das allerdings wären wirklich erschreckende Vorstellungen.
Aus all diesen Gründen, frage ich mich, was sich Ernst Hillebrand bei seinem Verständnis für Pegida und seinen Angriff auf Holger Maas eigentlich gedacht hat. Dass bei Pegida viele mitlaufen, die einfach mal kurz „vergessen“ welchen Schlagworten sie folgen und nur ihre allgemeine Unzufriedenheit ausdrücken wollen, kann kein Grund sein, diese Bewegung zu „verstehen“. Das ist genauso falsch, wie Islamisten „verstehen“ zu wollen oder Kritik oder Karikaturen zurück zu halten, weil man die religiösen Gefühle von wem auch immer verletzen könnte.
Leset und staunet – eine Apologie für Pegida in linkem Gewand.
Kriegerische Archetypen in narzistischer Manier prolongiert:
die anderen sind die schlechten, seid auf der Hut, haltet den Schlagstock bereit, sonst purzelt das westliche Gehirn in den Sand.
Also sprach ein Gutmensch – Heureka, für Elfenbein-Stiftungen zündete Thilo Sarrazin die Fackel des Abendlandes.
Wie wäre es, wenn dieser Argonaut – Ernst Hillebrand – aus dem Olymp herabstiege, um ehrenamtlich Lebenshilfe für Flüchtlinge zu leisten?
Der terroristische Drache Islam passt aber wunderbar, um uranverseuchte Munition in Krisengebiete zu streuen. Der christliche Rache-Kreuzzug wird ideologisch verpackt, eingehakt legitimiert und vorgepredigt. Vergesst bloß die wichtige Rolle islamischer Gelehrtenschulen bei der Bewahrung antiker Schriften. Heute ist schließlich eine menschenverachtende Casa Nostra der Märtyrer am Werk.
Die Welt ist rund, also konnte die überlebensstarke Malala Yousafzai in gleichsam aufgeklärtem Geist für ein Recht auf Bildung der unterdrückten Mädchen in Pakistan kämpfen. Ihr Überleben gelang in globalen Schritten gestützt durch die britischen Imperialisten.
Überleben ist aber nicht garantiert: Große soziale Benefits realisierte Hugo Rafael Chávez Frías Staatspräsident Venezuelas, doch gelang eine konzertierte Genesung von der Krebserkrankung 2013 in Kuba leider nicht.
Viel ändert sich durch Zuspruch und Vertrauen, wenn sich die Menschen auf die universellen Menschenrechte besinnen, um Terror, Gemetzel und Kriegslüsternheit zu beenden.
Aber die Welt hängt in hochriskanten Eroberungs-Mühlen: Ukraine, Naher Osten.
Plünderung Afrikas durch die Industriestaaten. Ausbeutung fossiler Energiequellen trotz alternativer erneuerbarer Energiequellen.
Die NATO ändert ihre Militärdoktrin hin zu begrenzten Atomwaffeneinsätzen.
Demgegenüber sollten Linke international neue Konzepte wagen. Stellvertreterkriege müssen geächtet werden. Intoleranz und Hass lösen nicht die Missverhältnisse in der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums.
Mehr Mut zu mehr Demokratie, die Ketten sprengen, Ausbeutung und Kastenbildung durchbrechen. Die moderne Welt ist durch die vernetzten Medien transparent geworden.
Neue Beteiligungsmodelle müssen erstritten werden. Der Traum eines globalen Dorfes ohne Machtblöcke ist zwar vorstellbar, scheitert aber meist bereits an der kommunalen Haustüre.
Steuern funktioniert wohl nur durch taxieren. Da wird pausenlos geplant und verdichtet bis zum nächsten Crash.
Seien wir mal gespannt, was die griechischen linken Heroen der Syriza – vereinte soziale Front – dieses Jahr entwickeln.