Der etwas andere Blick auf Blockupy
Kurz nach 11 Uhr vormittags im Sammelpunkt „Naxos“ hinter dem Frankfurter Zoo: Knapp tausend AktivistInnen sitzen im Hinterhof des Theatergebäudes und ruhen sich kurz aus, Freiwillige sorgen mit „VoKü“ (Volksküche) für Verpflegung – und überall wird telefoniert oder Nachrichten ins Handy eingetippt. Die einen antworten auf besorgte Nachfragen von Freunden und Familie, die anderen fragen selbst nach bei aus dem Auge verlorenen Bekannten, die meisten beides
Kein Wunder: Sieben komplett ausgebrannte Mannschaftswagen, 94 verletzte Polizisten, in und um die Ostendstraße kurz vor dem EZB-Sperrgebiet überall brennende Mülltonnen und zerschlagene Fenster – das sind die Bilder, die zumindest an diesem Morgen und wohl noch viel länger mit Blockupy verbunden werden.
Dabei wird vergessen, dass laut Polizeiangaben 80 der 94 Polizisten durch eigene Gaskanonen und Pfefferspray-Einsätze verletzt wurden und die Großdemo vom Römer zum Postplatz friedlich war. Bei der Kundgebung sprachen unter anderem Naomi Klein (Kanadische Schriftstellerin und Globalisierungsgegnerin) sowie Sahra Wagenknecht von der Partei Die Linke. Auf 20 000 AktivistInnen vergrößerte sich die Menschenmenge dann beim Demozug. Das sind doppelt so viel als erwartet wurden.
Die brennenden Polizeiautos sind auch auf Fahrlässigkeit zurückzuführen: Dass 12 Beamte und zwei Mannschaftswagen die 2 000 AktivistInnen auf dem Weg zur Blockade der EZB-Schleusen nicht stoppen konnten, war abzusehen. Warum also dieser Vorposten, ein paar hundert Meter weit entfernt von den Wasserwerfern und dem Nato-Draht?
Weit angereist waren die DemonstrantInnen, die meisten der AktivistInnen kamen aus Italien und Spanien. Die waren bei den morgendlichen Auseinandersetzungen an vorderster Front, was nicht verwunderlich ist: Wer keine Perspektive hat, weil es in den gebeuteltsten Krisenländer eine Jugendarbeitslosigkeit von zum Teil über 50 Prozent gibt, hat auch nichts zu verlieren. Da scheint es die ein oder andere Stunde in der „Gesa“ (Gefangenensammelstelle) durchaus wert zu sein, seinen Unmut über Austeritätspolitik und Troika auf militante Art und Weise Luft zu machen.
Unter den anderen AktivistInnen legendär ist der rund 200 Personen starke „Rainbow-Block“: Der hat im Alleingang die Einkesselung von rund 500 BlockiererInnen von ebenso vielen Polizeikräften verhindert.
Blockupy 2015 zeigt also vor allem eines: Ohnmacht. Ohnmacht auf Seiten der Polizei und des Staates über zu allem bereite, vom Kapitalismus zerschundenen DemonstrantInnen, die ohnmächtig gegenüber diesem System sind, dass sie zu solchen Mitteln greifen. Der Höhepunkt an Unruhen in Deutschland oder erst der Anfang? Immerhin ist im Juni der G7-Gipfel im bayerischen Elnau, ein zweites internationales Großereignis, welches sinnbildhaft für die aktuelle Eurokrise steht.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Unser Reporter war mit GenossInnen vor Ort, ist froh, dass seine Gruppe bis auf Pfefferspray nicht viel abbekommen hat und möchte anonym bleiben.
Sodele, schön wars! Ich danke euch sehr für die schöne Zusammenarbeit und wünsche euch eine erfolgreiche Zukunft! Bis hoffentlich bald in Konstanz, André
Hallo Herr Schumm,
der Beitrag enthält kein Wort über die jetzige griechischen Regierung.
Pauschalierungen sind nie ganz richtig- das stimmt. Andererseits tragen ein paar Oligarchen auch nicht die Alleinschuld an der Misere, Vetternwirtschaft und Steuerhinterziehung (73 Milliarden lt DLF) waren/sind auch im giechischen Mittelstand weit verbreitet.
Die höchste Priorität von Familie und Sippe, verbunden mit 0 Gemeinsinn ist in der Kultur der Mittelmeerländer verankert und eine der Ursachen der Missstände. Das erkärt z. B. auch das Nord- Süd- Gefälle in Italien.
Ja .wir waren in Frankfurt, weil Europa wieder von gewählten Regierungen regiert werden soll und nicht von Banken und Finanzmärkten . Power to the people! sag ich mal.
@Helmut Dietrich
Sie sollten ein wenig differenzieren. Wenn man von `den Griechen` spricht argumentiert man in Bildzeitungsmanier. Nicht die Mehrheit der Griechen, die am oder unter dem Existenzminimum leben haben Griechenland an die Wand gefahren, sondern die Multimillionäre, die in der Schweiz sich angesiedelt haben, mit Hilfe der korrupten Bürokratie , welche die Steuerhinterziehungen aktiv unterstützt haben.
Das nun einer Regierung anzuhängen, welche ein bisschen mehr als zwei Monate im Amt ist sehe ich als unlauter an.
@Autor
veilleicht sollte man zwischen Ursache und Wirkung unterscheiden –
nicht die Weltbank bzw. die EZB haben Griechenland an die Wand gefahren, sondern die Griechen selber : Korruption, Ausbeutung des Sozialstaates, grossflächige Steuerhinterziehung und die daraus folgende Staatsfinanzierung auf Pump, Vetternwirtschaft und Egoismus statt Bürgerbewusstein waren bzw. sind die wichtigsten Gründe. Die Geldgeber haben nur aufgrund der drohenden Staatspleite die Notbremsen gezogen. Wenn es nun die Ärmsten trifft ist dies auch ein Zeichen der mangelnden Solidartät unter den Griechen selbst
Ich war von morgens 6 Uhr, zu Beginn der Blockaden, bis zum Ende des großen Demonstrationszuges am Mittwochabend in Frankfurt bei Blockupy. Zwar nicht im Zentrum den Zyklons, habe aber doch eine Menge mitbekommen. Allem voran, den Willen und die Kraft der Europäer/innen aus vielen Ländern der Union. Wir haben unter großen Opfern Nationalismus und Fremdenhass überwunden und wollen in Frieden und sozialer Sicherheit leben. Viele aber sind zunehmend wütend auf den Ausverkauf unserer lang erkämpften europäischen Werte wie: Menschenrechte, Humanität, Rechtstaatlichkeit, Demokratie, soziale Marktwirtschaft und Sozialpflichtig des Eigentums. Die Menschen wehren sich jetzt gegen die alles erstickende Globalisierung, Privatisierung und zunehmende Knechtschaft durch den anglo-amerikanische Raubtierkapitalismus.
In Griechenland sinkt seit der Austeritätspolitik die Lebenserwartung, steigen Suizidrate und Kindersterblichkeit an; Italien, Spanien und Portugal sind auf dem selben Weg. Was ist denn das für ein Verständnis einer Währungsrettungspolitik?
Darüber sollte man sich aufregen – nicht über ein paar brennende Autos. Auch wenn die dem Protest nichts nützen, sind die Beweggründe für das Abfackeln nachvollziehbar.
Und ja, wenn die Polizei dies wirklich gewollt hätte, wäre weitaus weniger zu Bruch gegangen: Holzplatten vor die sowieso bereits geschlossenen Geschäfte, so dass diese nicht entglast werden können.
Keine Polizeiwägen ohne ausreichende Begleitung. Die Baustelle unweit der Blockade an der Ohlandstraße abriegeln, statt den gewaltbereiten der Demonstranten noch Material zu Verfügung zu stellen. – Was ist denn das für ein Deeskalationsverständnis.
Wenn sich die Polizei „fahrlässig“ verhält, dann ist sie selbst schuld, wenn ihr das Polizeiauto abgefackelt wird. Und wem Armut und Arbeitslosigkeit droht, kann ungestraft randalieren. – Was ist denn das für ein Staatsverständnis.