Deutschland bleibt das Reichenparadies

Vor wenigen Tagen einigte sich der Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag auf einen Gesetzesentwurf zur „Reform“ der vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig bezeichneten Begünstigung reicher Unternehmenserben. Hatte doch das Bundesverfassungsgericht am 17.12.2014 zur Erbschaftsteuer festgestellt: „Die Privilegierung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen Vermögens ist jedoch unverhältnismäßig, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Einkommen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen.“

Durchgesetzt haben sich die Meineidbauern der CSU – unter Bruch der bayerischen Landesverfassung (Artikel 123: „Die Erbschaftsteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern“.) Nicht nur die CSU definiert die Besteuerung von Vermögen und hohem Einkommen als staatlichen Diebstahl. Völlig auf der Strecke bleibt so weiterhin die stärkere Erbschaftsbesteuerung großer Unternehmensvermögen, herausgekommen ist eine noch weitergehender Steuerfreistellung wie bisher.

Viele Verfassungsgebote sind dem Kapital und ihren politischen Vertretern schon lange lästiges, zu ignorierendes Beiwerk. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits zum dritten Mal wegen Ungleichbehandlung unterschiedlicher Vermögensarten das Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetz als mit den Bestimmungen des Grundgesetzes unvereinbar verworfen, so 1995, 2007 und schließlich 2014.

Jedes Mal wurden danach die gesetzlichen Grundlagen einer „gerechteren“ Besteuerung neu gefasst, allerdings immer unter einseitiger Begünstigung von großen Vermögen, bis das BVferG das Gesetz wieder einkassiert hat. Genau das Gleiche passiert jetzt wieder: Jedem Steuerfachmann, der das Grundgesetz ernst nimmt, stellen sich sämtliche Nackenhaare auf, weil klar ist, dass die neuen Bestimmungen ebenfalls verfassungswidrig sein werden. Das letzte Wort wird das Bundesverfassungsgericht haben. Er bleibt also spannend.

Die CSU als Interessenwahrer milliardenschwerer Unternehmenserben haben sich vorläufig unter Ignorierung des BVerfG durchgesetzt und in das genaue Gegenteil verkehrt. Nachdem schon 1997 die Vermögensteuer unter durchsichtig interessenwahrender Nutzung der Rechtsprechung des BVerfG abgeschafft wurde, ist jetzt die Erbschafts- und Schenkungssteuer dran.

Gegen das Grundgesetz

Artikel 106 des Grundgesetzes sieht die Erhebung einer Vermögensteuer grundsätzlich vor. Die konkrete Form der Erhebung einer Vermögensteuer in ihrer damaligen Form erklärte das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 22. Juni 1995 für nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar. Grund war, dass Immobilienvermögen nicht – anders als geschehen – gegenüber anderem Vermögen besser behandelt werden dürfe.

In einer weiteren Bemerkung erwähnte die Mehrheit der Bundesverfassungsrichter zudem den so genannten Halbteilungsgrundsatz, wonach die Vermögensteuer zu den Ertragsteuern (wie z. B. der Einkommensteuer) nur hinzutreten dürfe, wenn dadurch die steuerliche Gesamtbelastung „in der Nähe einer hälftigen Teilung“ zwischen Steuerzahler und Finanzamt bleibe. Dieser Grundsatz wurde einige Jahre später vom Bundesverfassungsgericht aufgegeben: Eine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze für Steuern in der Nähe von 50 % des Einkommens lasse sich aus dem Grundgesetz nicht ableiten, obwohl dies wider besseren Wissens von bürgerlichen Politikern immer wieder frech behauptet wird.

Steueroase Deutschland

Dies alles geschieht vor dem bekannten Hintergrund, dass andere Kernländer des Kapitalismus, die USA, Großbritannien und Frankreich Vermögen und Erbschaften mit ca. 3 % des Bruttoinlandsproduktes jährlich wesentlich höher besteuern als Deutschland, das bei ca. 0,4 % liegt. Dafür befindet sich Deutschland im Vergleich aller OECD-Länder bei der Besteuerung von Arbeitseinkommen in der Spitzengruppe mit ca. 49,4 % des Arbeitseinkommens. In dieses Bild passt ebenfalls, dass die Ertragssteuern für Kapitalgesellschaften (AG, GmbH u.a.) von einst 56 % unter Kanzler Kohl auf 15 % unter Kanzler Schröder gesenkt wurde.

Steuerfachleute und Verfassungsexperten sind zuversichtlich, das deutsche Verfassungsgericht wird auch diese noch weitergehenden Begünstigung großer Firmenerben u.a. aus den Familien der Quandts und Klattens (u.a. BMW), Schaefflers (Schaeffler Technologies) und Fincks (Mövenpick) vermutlich sehr bald wieder kassieren.

Die wichtigsten Einigungspunkte sind eine Einladung an kreative Steuerumgehungsstrategen:

a) Unternehmenserben sind künftig immer vollständig von der Steuer freigestellt, völlig unabhängig vor der Größe des Unternehmens, wenn gemäß Vertrag laufend höchstens 37,5 % des Gewinnes nach Steuern ausgeschüttet wurden und Firmenanteile ausschließlich an Mitgesellschafter und Familienangehörige übertragen werden und die Abfindung bei Ausscheiden aus der Firma niedriger als der übliche Verkaufspreis ist. Bisher mussten für die neue Steuerfreistellung weitere Bedingungen eingehalten werden, so zum Beispiel Aufrechterhaltung von Lohnsummen und Haltefristen von 5 bzw. 7 Jahren für die Firmenanteile sowie Begrenzung der Entnahme alter Gewinne auf 150.000 €. Diese neuen Regelungen sind eine Einladung an kreative Gestaltungen zur vollständigen Steuerfreistellung ohne weitere Einhaltung von Bedingungen.

b) Pensionsrückstellungen, auch für Vorstände und Geschäftsführer, werden vom eigentlich schädlichen Finanzvermögen bei Unternehmensübertragung abgezogen.

c) Absenkung der Unternehmenswerte für Steuerzwecke. In 2016 macht dies eine Absenkung der Unternehmenswerte von ca. 25 % aus (Kapitalisierungsfaktor des bereinigten Gewinnes 2016: 18,2, künftig einheitlich 13,75).

Nur Feigenblattfunktion haben:

d) Weitere „Luxusgegenstände“ wie Briefmarken, Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge etc. sollen nicht mehr begünstigt sein.

e) Mögliche Stundung der Erbschaftssteuer künftig 7 anstatt 10 Jahre, neu ist die Verzinsung ab dem 2. Jahr mit 6 Prozent.

Peter Mannherz