„Don Alphonso“ hat Methode

Der Biedermann erweist sich nur zu oft als Brandstifter, und lustvoll schreit er nach der Feuerwehr, damit der Brand, den er selbst gelegt hat, auch wirklich von allen bemerkt wird. Gerade in den letzten Jahren, in denen die Grenzen zwischen bürgerlichem und rechtem Lager zunehmend verwischt werden, machen sich in den bürgerlichen Leitmedien JournalistInnen daran, einen neuen McCarthyismus zu etablieren: Hier wir – dort das linke Geschmeiß. Haut drauf! Oder trügt der Schein?

„Rainer Meyer ist ein deutscher Journalist, Autor und Blogger“[1], heißt es auf Wikipedia. Diese Einleitung kommt derart sammetpfötig daher, als handele es sich bei Meyer um einen wenig wirkungsmächtigen Journalisten, der der Kontroverse, zumal der öffentlichen, wenig abgewinnen kann. Doch Meyer ist nicht irgendwer: er ist besser als „Don Alphonso“ bekannt und schreibt für das Springer-Blatt „Welt“. Besonders in den letzten Tagen hörte man von „Don Alphonso“ auch außerhalb der Twitter-Blase und der politischen Diskurse in Kommentaren, denn er ist dafür verantwortlich, dass die Journalistin Natascha Strobl einer Welle diffamierender, hetzerischer und bedrohlicher Angriffe ausgesetzt ist.

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Hintergrund war eine Recherche Strobls für das Magazin „Panorama“, die sich mit rechtsradikalen Strukturen im Netz und deren Verbindung zu hohen Ämtern der Bundeswehr befasst. Sie fand heraus, dass sich ein hoher Rang der Bundeswehr zumindest virtuell durch zustimmende Äußerungen mit der rechtsradikalen „Identitären Bewegung“ handgemein gemacht hatte.[2] „Don Alphonso“ schien so viel investigativer Journalismus gründlich gegen den Strich zu gehen, weshalb er – der sich auf Twitter selbstverliebt als „Mann, vor dem Euch Eure grünen Bundestagsvizepräsidentinnen immer gewarnt haben“ beschreibt – in der „Welt“ seine Solidarität mit dem Soldaten bekundete, und dabei die Intentionen des Strobl-Artikels gekonnt misszuverstehen wusste.

Das Muster solcher Polemiken ist bekannt, und das nicht erst seit Trump. Anstatt politisch zu argumentieren, greift „Don Alphonso“ zu persönlichen und gezielt provokativen Äußerungen, die die grundsätzliche Diskursverschiebung innerhalb „sozialer Netzwerke“ abbilden. „Don Alphonsos“ Beitrag führte dazu, dass Strobl den Hass der mittelbaren und unmittelbaren Gefolgschaft des „Don Alphonso“ als volle Breitseite abbekam. Im Gespräch mit der „jungen Welt“ erzählt Strobl, dass NutzerInnen sogar das Online-Kondolenzbuch ihres Vaters aufspürten und für hasserfüllte Kommentare und offene Hetze missbrauchten.[3]

Rechte Methode

Diese Methodik ist alles andere als neu. Bereits vor seiner Tätigkeit als Blogger für Springer stellte Rainer Meyer sich konsequent gegen alles, was seiner Meinung auch nur im geringsten entgegenstand. Auch als er für die FAZ schrieb, verschwand Rainer Meyer formal distanziert hinter seiner Blogger-Maske und hetzte besonders 2014/2015 gegen feministische Diskurse, die u. a. von Anne Wizorek losgetreten wurden.[4] Überhaupt scheint „Don Alphonso“ Probleme mit progressiven Ideen zu haben, auch dann, wenn es sich nicht einmal um dezidiert linke Positionen handelt.

Die Anonymität, die Meyer für sich beansprucht, soll als Trennung zwischen der Rolle, die er spielt, der Privatperson und unter Umständen auch seiner journalistischen Identität dienen. Ob diese Trennung grundsätzlich möglich ist, darf bezweifelt werden: Eine strikte Trennung des Politischen vom Persönlichen erweist sich schnell als typisch bürgerliche Fremd- und vielleicht auch blauäugige Selbsttäuschung. Auch Meyers Twitter-Aktivitäten zeigen eine Gratwanderung zwischen seinem (vermutlich) realen Ich und der angenommenen Rolle, die ein wesentlicher Bestandteil des Twitter-Games für Provokationen ist.

Ganz selbstverständlich versteht sich „Don Alphonso“ nicht als Rechtsradikaler und Rechter, denn er kann ja gar nichts für seine Gefolgschaft, die laut „Volksverpetzer“ zwar nur zu einem kleinen Teil aus rechtsradikalen und ultrarechten Personen besteht, deren Aktivismus jedoch trotz ihrer überschaubaren Zahl nicht zu übersehen ist.[5] Die Rolle, die Meyer verkörpert, passt genau in die Schnittstelle zwischen der zutiefst bürgerlichen Antipathie gegenüber jeglichen fortschrittlichen Vorstellungen und der verschärften Diskussions“kultur“ in sozialen Netzwerken, wo Menschen in Rächer- und Rechthaberpose aufeinander eindreschen, als dürfe ihr Gegenüber auf keinen Fall ein Morgen erleben.

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Hetze ist gut fürs Geschäft

Diese Rolle als „Provokateur“ hat Meyer durchaus gekonnt fortentwickelt, indem er die Grenzverschiebung des Sagbaren bewusst mitgestaltet – zwar nicht wie andere durch eine grenzenlose Verrohung der Sprache, sondern in Form scharfer Anfeindungen, die sich als Journalismus tarnen. Liest man ihn, ist man schon bald nicht mehr verwundert, dass er beispielsweise ein Problem mit jeglichem Antirassismus hat und beispielsweise in Überlegungen, rassistische Straßennahmen zu verbannen, einen „Kulturkampf“ wittert. Ganz dialektisch kann er dann die politischen Lager von den Füßen auf den Kopf stellen: „Linke Weiße bejubeln Rassismus“ oder „Keine Solidarität für Hass auf den Staat“. Ist es denn kein Rassismus, mögen seine Fans denken, wenn ein Mensch mit Migrationshintergrund ein Amt erhalten oder geehrt werden soll, wo es doch genug Weiße dafür gibt?

Dass seine Artikel bei Springer hinter einer Paywall versteckt werden, ist ein weiterer Teil der Provokation, die sich letztlich als Profit in den Geschäftsbüchern niederzuschlagen hat. So sieht auch Strobl die Rolle Meyers als Versuch Springers, irgendwie noch relevant zu bleiben. Und Provokationen wirken durchaus, Click-Bait im Internet bringt Traffic und Umsatz. Aber womit wird diese Aufmerksamkeit in Zeiten des gesellschaftlichen Rechtsrucks erkauft? Meyer pflegt als „Don Alphonso“ einen konsequent antiaufklärerischen Diskurs und stellt sich klar in die Tradition eines – gelinde gesagt: recht konservativen – gesellschaftlichen Rollbacks.

Dieser Hass auf Liberale und Linke jeglicher Couleur, der strukturell weitere Diskriminierungsformen aufgreift, bündelt sich in der Rolle Meyers und der Funktion, die er für Springer spielt. Dass er nicht nur auf öffentliche Personen reagiert, sondern auch kritische Stimmen in den sozialen Netzwerken zum Abschuss freigibt, ist dabei nur eine logische Konsequenz der Radikalisierung eines provokativen Bloggers, der die Provokation nicht mehr als Mittel einsetzt, sondern nur noch als Zweck missbraucht. Der virtuelle Pranger, an den Meyer UserInnen stellt, zwingt sie dazu, sich komplett zurückzuziehen. Wer von Mayer im Netz angeschwärzt wird, sieht sich schnell auch in der realen Welt bedroht.

Was bleibt?

Wer sich das Narrativ einer ultrarechten Gefolgschaft zu eigen macht, faschistische Solidaritätsbekundungen hinnimmt und sich wonnevoll als Opfer inszeniert, sowie er auch nur einen leichten Hauch von links verspürt, ist Teil des Problems. Er ist mitverantwortlich, wenn das Online-Mobbing überhandnimmt und die Grenze zu realer Gewalt überschritten wird – und das wird sie nicht selten. Dass Springer sich hinter seinen rechten Blogger stellt, darf ebenfalls keine Verwunderung auslösen, denn der Konzern lebt bis heute ein oft reaktionäres Selbstverständnis, welches die Kalte-Krieg-Rhetorik aufwärmt und in teils schizophrener Selbstdarstellung ein Klientel befriedigt, das selbst hinter harmlosestem Liberalismus eine Gefahr für die traditionelle gott- und marktgewollte Werteordnung wittert.

Rainer Meyer ist kein normaler Journalist, Blogger und Autor. Er ist zugleich Privatperson und „Don Alphonso“, er versteht und inszeniert sich als Teil einer Verteidigungsfront eines zutiefst reaktionären Gesellschaftsbildes, er betreibt „Whatsaboutism“ in jeder erdenklichen Situation und beherrscht die Rolle des Opfers, das zwar kräftig austeilen, aber so gar nicht einstecken kann, perfekt. Er versteht sein Handwerk und weiß auch dumpfe Emotionen zu bedienen. Meyer ist eine intelligentere Radikalisierung der „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“-Fraktion, die behauptet, die Meinungsfreiheit (die sie selbst gern abschaffen möchte) sei in Gefahr. Meyer zählt schon längst zum unverzichtbaren Inventar auch der rechten und ultrarechten Blasen sozialer Netzwerke. Dort gehört er zwar als bürgerliches Aushängeschild nicht hundertprozentig hin, wird aber auch nicht als Fremdkörper abgestoßen.

Es scheint, als fühle sich Don Alphonso-Meyer in dieser Rolle pudelwohl. Wir müssen ihn uns wohl als glücklichen Menschen vorstellen.

Elisa Nowak (Bild: Senator Joseph McCarthy [1908-1957], drei Jahre vor seinem Ableben. United Press / Public domain)

Quellen:
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Rainer_Meyer
[2] https://www.tagesschau.de/investigativ/panorama/bundeswehr-social-media-107.html
[3] https://www.jungewelt.de/artikel/383667.hasskampagne-der-springerpresse-das-ganze-ist-aber-auch-ein-gesch%C3%A4ftsmodell.html
[4] https://taz.de/Bedrohungen-ausgeloest-von-Welt-Autor/!5705120/
[5] https://www.volksverpetzer.de/schwer-verpetzt/don-alphonso/