Für ein echtes Miteinander von Mensch und Hund

Das Thema Hunde im öffentlichen Raum hat die KonstanzerInnen in den letzten Tagen im Anschluss an die Kampfhund-Debatte des Gemeinderates sichtlich bewegt. Dabei wurde von allen Seiten viel argumentatives Pulver verschossen. Zur Versachlichung dieser teils unerfreulichen Diskussion hier ein Blick auf hundegerechte und zugleich menschen­freundliche Lösungen in einer Großstadt in Südamerika, in der die Menschen das vermeintliche Problem ganz pragmatisch angehen – Buenos Aires.

Die Porteños, die knapp 15 Millionen Einwohner der Hauptstadtregion Argentiniens, sind für exzellentes Rindfleisch, leidenschaftlichen Tango und riesengroße Buchhandlungen bekannt. Hier lebt ein Drittel der Einwohner des weiträumigen Landes, und trotz der Enge vermittelt die Stadt eine tiefe Gelassenheit. Die Porteños sind im täglichen Umgang miteinander tiefenentspannt: Sie bilden etwa an den Bushaltestellen freiwillig Schlangen, um den Bürgersteig möglichst optimal auszunutzen und Passanten nicht zu behindern, und niemand käme auf die Idee, sich irgendwo vorzudrängeln. Außerdem sagt man dieser Stadt die weltweit höchste Dichte an Psychoanalytikern nach, was ja auch zu einem unneurotischen öffentlichen Umgang miteinander beitragen kann. Hier versuchen praktisch alle, den anderen möglichst wenig auf die Nerven zu gehen, und das gilt auch für ihre Haushunde. Einige Regelungen der Stadt am Río de la Plata könnten auch für deutsche Städte zum Vorbild werden.

Entspannte Menschen

Man schätzt, dass in Buenos Aires etwa 500 000-800 000 Haushunde (und weit über 100 000 streunende Hunde) leben – wie funktioniert da ein friedvolles Zusammenleben? Wichtigstes Instrument des echten Miteinanders ist die Hundeleine. Während man in Deutschland versucht, bestimmte (angeblich besonders gefährliche) Hunderassen in Listen zu erfassen und für diese Hunde besondere Regelungen vom Leinenzwang bis hin zur Charakterprüfung durchzusetzen, gehen Porteños das Problem ganz anders an.

Für sie ist der Hund im öffentlichen Raum kein Problem, denn es ist schlichtweg undenkbar, dass ein Haushund unangeleint herumläuft und so gleichermaßen sich selbst wie die Fußgänger und die (in Südamerika seltenen) Radfahrer stört. Das ist für alle Beteiligten – Hunde, HundebesitzerInnen und sonstige VerkehrsteilnehmerInnen – äußerst entspannend. Niemand muss auf seinen Hund aufpassen und niemand sich gefährdet fühlen.

Respekt vor den Mitmenschen

Für hundebesitzende Porteños sind Leine und gegebenenfalls auch Beißschutz Ausdruck ihres Respekts vor ihren Mitmenschen. In Deutschland, wo in vielen Menschen ein wutschnaubender Michael Kohlhaas steckt, müsste das vermutlich in die Form einer strafbewehrten gesetzlichen Regelung gegossen werden. Das heißt: Leinenzwang plus obligatorischer Maulkorb für sämtliche Hunde im gesamten öffentlichen Raum, also nicht nur in der Stadt, sondern auch in den Wäldern und der Feldmark.

Die aus ausländischer Perspektive lächerlichen Diskussionen über Kampf- und andere Hunde entfielen damit. Eine flächendeckende Regelung für alle Hunde wäre unkompliziert, zugleich menschen- wie hundefreundlich und überaus alltagstauglich. Außerdem ist die Hundeleine ja ein wichtiger Bestandteil einer wirklich artgerechten Haustierhaltung, da sie die enge Bindung zwischen Mensch und Tier auch in der Öffentlichkeit herstellt.

Fröhliche Hunde

Es gibt noch weitere Einrichtungen, die zeigen, wie tierfreundlich man städtischen Raum gestalten kann: Am auffälligsten sind die Hundeplätze, wie man sie in Buenos Aires sogar im Park hinter dem berühmten Teatro Colón findet.

Hierbei handelt es sich um einen großen umzäunten Platz, der Hunden vorbehalten ist – ähnliche Plätze finden sich an vielen Stellen der Stadt. Natürlich steht auch ein Baum in der Mitte, der im Sommer den nötigen Schatten spendet, und es gibt Wasser für die Tiere. Man kann seinen Hund dort etwa beim Einkaufsbummel in der nicht allzu weit entfernten Fußgängerzone sicher „parken“. Der Hund wird einfach auf dem Platz freigelassen oder an den Zaun gebunden und kann so, trotz des großstädtischen Trubels ringsherum, eine gute Zeit mit seinen ArtgenossInnen verbringen. Natürlich ist die Anlage am Teatro Colón gesichert, damit kein Hund abhanden kommt. Diese Einrichtung ist bei Hunden und HundebesitzerInnen sehr beliebt.

Vorbildliche Einrichtungen

Auf deutsche Verhältnisse übertragen hieße dies, leere Innenstadtgrundstücke entsprechend herzurichten. Ein solcher Platz könnte dann dank der für einen Schlüssel zu entrichtenden Beträge sogar kostendeckend betrieben werden. Angesichts der Kälte im deutschen Winter könnte dafür natürlich auch eine Etage eines Parkhauses oder einer Tiefgarage entsprechend umgestaltet werden und der Betreibergesellschaft erkleckliche Zusatzeinnahmen bringen. Für HundehalterInnen hat dieser Freiraum außerdem den Vorteil, dass dort keine Aufnahmepflicht für Häufchen besteht, da der gesamte Unterhalt des Platzes einschließlich seiner Reinigung aus den Schlüsselgeldern bestritten wird.

Artgerechter Auslauf

Argentinien ist zwar eine sportbegeisterte Nation, man denke nur an Maradona und Messi oder die Rugby-Mannschaft. Aber an Hunde stellt man dort geringere sportliche Ansprüche als hierzulande. Es gibt in Buenos Aires sogenannte „Paseaperros“, Hundeausführer, die oft zehn oder fünfzehn Hunde gleichzeitig durch die Stadt geleiten. Dieser Ausgang gilt als ausreichende Bewegung, zumal es im Sommer oft zu heiß für intensivere körperliche Betätigung ist.

Da etliche deutsche HundehalterInnen mehr für die Fitness ihrer Schutzbefohlenen tun wollen, gibt es ja bereits Hundesportplätze für Training, Geselligkeit und Spiel. Dieses Angebot muss bei der Einführung eines flächendeckenden Leinenzwangs natürlich erweitert werden. Die vierbeinigen FreundInnen des Menschen brauchen insbesondere Bewegungsspiele, die auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind.

Dafür ist an den Erwerb und Ausbau von Brachflächen durch Hundehaltervereine oder -genossenschaften zu denken, die über die gebotene Sachkunde verfügen. In einem unterirdischen künstlichen Dachsbau könnte dann Rauhhaardackel Fido hingebungsvoll Echthaar-Rasierpinsel verbellen, und Dobermann Vlado vom kühlen Born kann sich nach Herzenslust in einen auf Schienen fahrenden künstlichen Radfahrer verbeißen. Mancher Zaungast dürfte gar eine Träne der Rührung im Auge haben, wenn Schäferhund Adi dankbar zu seinem Hundeführer aufblickt, wenn der ihn zwischen nachgebauten Panzersperren als Meldehund abrichtet.

Insgesamt ist es, wie das Beispiel Buenos Aires zeigt, mit einfachen Mitteln unschwer möglich, ein reibungsloses Miteinander von Hunden und Menschen im öffentlichen Raum herzustellen. Dazu bedarf es nur der Erkenntnis, dass das Problem nicht der Hund ist – sondern einzig und allein der Mensch, also das andere Ende der Leine.

Ein Gastbeitrag von Pedro Villamanrique, der in der Nähe von Buenos Aires sowie am nordöstlichen Bodenseeufer lebt. Fotos: Privatbesitz.

Weitere Abbildungen zum Thema (der Text hingegen ist eher einseitig): https://peterstravel.de/buenos-aires-hunde/