Immer Ärger mit der Kirchensteuer
Die katholische Kirche in Deutschland hat, wenige Tage bevor sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Möglichkeit eines teilweisen Kirchenaustritts befassen will, ein Dekret veröffentlicht, in dem bestimmt wird, dass diese Möglichkeit nicht besteht: Wer nichts zahlt, wird komplett ausgeschlossen. Eine Missachtung des Gerichts und der Religionsfreiheit
Übermorgen, am Mittwoch, 26. September, wird sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Möglichkeit eines „teilweisen Austritt“ aus der katholischen Kirche befassen. Es geht um die Klage des emeritierten Freiburg Kirchenrechtlers Prof. Hartmut Zapp, der aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts ausgetreten war, aber erklärt hatte, dass er sich weiterhin als Mitglied der Glaubensgemeinschaft verstehe. Seinen finanziellen Beitrag zur Kirchenarbeit werde er freiwillig in angemessener Höhe leisten.
Das Erzbistum Freiburg klagte dagegen – es geht um das Geld der Kirchensteuer -, verlor in der ersten Instanz, gewann in der zweiten Instanz, und Zapp ging vor dem Bundesverwaltungsgericht in Revision, das sich Mittwoch damit befassen will.
Der Kirchenaustritt wird geächtet
Die Richter des Bundesverwaltungsgericht wurden nun von der katholischen Kirche ‚vorgeführt‘, denn letzte Woche veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz ein, wie es heißt, mit der römischen Kurie und dem Papst persönlich abgestimmtes „Allgemeines Dekret“, das verfügt: Der Kirchenaustritt vor einer staatlichen Behörde „stellt als öffentlicher Akt eine willentliche und wissentliche Distanzierung von der Kirche dar und ist eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft.“ Damit wird der Kirchenaustritt geächtet und es erfolgt der Ausschluss von den Sakramenten, auch wenn das Wort Exkommunikation dabei offiziell vermieden wird.
Abgesehen von dem Vorgriff vor die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, das sich seine Befassung mit der Thematik wohl an den Nagel hängen kann, wird auch die Religionsfreiheit der Katholiken beschädigt.
So hält der Bund für Geistesfreiheit (bfg), als Körperschaft des öffentlichen Rechts den Kirchen rechtlich gleichgestellt und die Interessenvertretung von weltlichen Humanisten in Bayern, die neuen Richtlinien der katholischen Bischofskonferenz für den Umgang mit Menschen, die aus der Kirche austreten, für unvereinbar mit dem Grundsatz der Religionsfreiheit.
Speziell die Praxis, die Ausgetretenen nochmals anzuschreiben und zu einem „Gespräch“ mit dem Pfarrer „einzuladen“, lässt jeden Respekt vermissen vor dem Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Person, die quasi einem Rechtfertigungsdruck unterworfen wird.
Dabei liegen die Gründe für einen Austritt doch in den meisten Fällen ohnehin auf der Hand: Wer als wehrloser Säugling von seinen Eltern in eine Glaubensgemeinschaft hinein gezwungen worden ist, wird später in vielen Fällen nicht einverstanden sein mit der Glaubenslehre dieses Bekenntnisses, mit der undemokratischen Struktur dieser Gemeinschaft oder auch nur mit dem unverschämt hohen Mitgliedsbeitrag. (Immerhin summiert sich die Summe der Kirchensteuern bis zum Ruhestand samt Zinsen und Steigerungen minus Inflationsrate auf etwa 150 000 €.)
Der deutschen Bischofskonferenz geht es nur ums Geld
Pikanterweise widerspricht die jetzige Richtlinie der Bischofskonferenz eklatant dem Rundschreiben des Heiligen Stuhls vom März 2006, wo es u.a. heißt „Der rechtlich-administrative Abfall von der Kirche“ könne aus sich heraus nicht „einen formalen Akt des Glaubensabfalls“ bilden. Fast exakt ein Jahr später, am 5.3.07, titelte die Katholische Internationale Presseagentur der Schweiz wörtlich: „Kirchenaustritt ist nicht Austritt aus der katholischen Kirche“. Es handle sich lediglich um einen Austritt aus der Kirchensteuerpflicht. Genau so sieht dies seit einigen Wochen die Schweizer Bischofskonferenz, während es der deutschen offensichtlich ums Geld geht.
Nutzen wird der Kirche diese Richtlinie allerdings wenig. Inzwischen verlieren die Kirchen mehr Menschen durch Überalterung als durch Kirchenaustritte: Von 100 Verstorbenen sind rund 72 katholisch oder evangelisch, aber von 100 Neugeborenen wurden 2010 nur 50,8 katholisch oder evangelisch getauft. Während jede der beiden Kirchen durch Austritte netto (also nach Abzug der Eintritte) nur je etwa 100 000 bis 120 000 Mitglieder jährlich verliert, summiert sich der Gesamtverlust beider Kirchen seit 1990 auf fast exakt eine halbe Million pro Jahr. Daran wird sich auch nichts ändern, denn 70 Prozent der Austretenden sind jünger als 35 Jahre, und diese Generation entscheidet über die Taufe der Kinder.
Autor: Gerhard Rampp/hpd
Als Hinweis kann an dieser Stelle für deutsche Arbeitnehmer in der Schweiz, die dort ihren Wohnsitz haben, noch angemerkt werden, dass man darauf achten sollte, dass, auch wenn man nachweislich nicht in der Kirche ist, diese Steuer nicht belastet wird. Denn einige Kantone handhaben es nach meiner Erfahrung seit längerem so, dass diese Arbeitnehmer Kirchensteuer bezahlen und innerhalb der Quellensteuer es nicht direkt ersichtlich ist, dass sie sie zahlen!
Für mich geht aus dem angedachten Dekret erneut hervor, dass es der (katholischen) Kirche mit der Nächstenliebe nicht so wichtig ist. Wer sich gegen den Vergleich zwischen der Kirche und einem Verein bislang gewehrt hat, der muss nun kläglich eingestehen, dass es die Kirche mit der Einhaltung ihrer Satzung jetzt ganz genau nimmt.
Ob eine Institution, die wohl mit den rasantesten Mitgliederschwund aller Organisationen zu verzeichnen hat, besonders gut daran tut, mit Druck und Drohung ihren Abtrünnigen zu begegnen?
Wie wäre es stattdessen mit Selbstkritik und Überzeugungskraft? Nahezu diktatorisch mutet das an, was die katholischen Kirchenobersten da beschließen möchten. Und im Sinne Jesu dürfte es schon gar nicht sein. Aber dass Papst und Bischöfe ohnehin mehr zu sagen haben als die eigenen Schriften, das ist gerade auf katholischer Seite ja schon seit der Reformation kein Geheimnis mehr.
Besonders hinterlistig ist der Einschüchterungswille, mit einem Kirchenaustritt auch den Abfall vom Glauben zu verbinden. Aufgeklärte wissen um die Unmöglichkeit dieses Nötigungsversuches – Religion bleibt das Höchstpersönliche, unantastbar vor jeder Kirche. Viele derjenigen, die austreten, tun das aus Gewissenskonflikten. Ihnen darüber hinaus dann auch noch den Glauben als möglichen Halt in Frage zu stellen, ist unbarmherzig.
Wenn die Kirche sich anmaßt, bis in private Überzeugungen hinein verängstigen und beeinflussen zu wollen, hat sie wohl offenkundig nicht mehr verdient, als einen weiteren Absturz ihrer Anhängerzahlen.
Zwischen dem Läuten der Glocken (haben Sie schon mal in der Nähe einer Kirche gewohnt und wollten am Sonntag ausschlafen?)und dem Singen der Vögel besteht ein wesentlicher Unterschied: Vögel singen (im Winter weniger oder gar nicht), weil es ihre Natur ist; Glocken läuten – überflüssigerweise – nur dann, wenn sie geläutet werden. Vögel brauchen also keine Satzung, für oder gegen das Glockenläuten wäre eine solche hilfreich.
„Verhöhnung“ würde ich nicht sagen, eher handelt es sich um eine Kritik an den Ritualen der Kirche, die oft wie Zauberei wirken. Um Menschen zu beeindrucken, soll das auch wohl so sein. Das praktizieren auch die Naturreligionen. – Haben Sie mal ein Papst-Begräbnis gesehen? Vergleichen Sie das mal mit der Grablegung Jesu (wenn es denn damals, wie im NT beschrieben,so gewesen ist).
Es geht hier darum, daß jeder Religion ihre Stelle zuzuweisen ist; diese befindet sich an einem rein privaten Ort und nirgendwo sonst!
An Herrn Matzerath: „Einzelheiten wie Glockenläuten am Morgen oder … regeln kommunale Satzungen.“
1.) Glocken läuten zum Glück nicht nur am Morgen!
2.) Es könnte ja auch noch das Singen der Vögel durch „kommunale
Satzungen“ geregelt werden!
3.) Sind Ihre Vorschläge eigentlich als Verhöhnung gemeint?
Begriffe wie „Zaubereien“ oder auch die letzten beiden Sätze
lassen die Vermutung zu!
Zu fordern wäre zunächst mal, daß Staat und Kirche strikt getrennt sind. Der Staat treibt für die Kirche keine Steuern ein, diese muß sehen, wie sie sich über freiwillige Beiträge ihrer Mitglieder finanziert. (Die Klagen über die dann wegfallenden Angebote der Kirchen: Kindergärten usw.,können sich in Grenzen halten, da diese keineswegs rein kirchlich, sondern aus allgemeinen Steuertöpfen finanziert werden.)
Jedwede Religion wird in der Verfassung zur reinen Privatsache erklärt. Wer einer Glaubensgemeinschaft beitreten möchte, kann dies – sofern er mündig ist – tun und diese finanziell nach besonderen Regeln unterstützen, wie es auch bei Parteien, Vereinen etc. üblich ist. Als Gegenleistung erhält er nach Maßgabe der Kirchen z.B. Taufe, Abendmahl, letzte Ölung, Konfirmation, Kommunion und andere Zaubereien.
Religion wird als Unterrichtsfach aus den Schulen verbannt, religiöse Symbole (Kreuze, Marienbilder, ggfs. auch Mohammed bei seinem Himmelsritt) ebenfalls. Die Diskussion über Koran-Unterricht an Schulen ist damit beendet.
Die Religionsgemeinschaften finanzieren sich grundsätzlich selbst, dies gilt vor allem auch für ihr Personal. Kirchliche Baudenkmäler, sofern sie erhaltenswert sind, stehen unter dem Schutz des Staates, der auch für die Erhaltung mit aufkommt.
Die Glaubensgemeinschaften können sich im Rahmen der Verfassung frei entfalten. Besondere Privilegien genießen sie nicht. Einzelheiten wie Glockenläuten am Morgen oder Umzüge/Prozessionen usw. durch die Straßen regeln kommunale Satzungen.
Kurzum: Niemand wird in eine Kirche hineingeboren (muß also auch nicht austreten), sondern entscheidet ab einem festzulegenden Alter, ob er Mitglied werden will und kann jederzeit straflos wieder austreten. Die Exkommunizierung müßte allerdings hingenommen und abgewartet werden, ob die Auferstehung und das ewige Leben dadurch verhindert würden. Die Nachwelt hätte darüber zur eigenen Orientierung gerne einen Bericht.