Kirchen-, Glaubens- und Religionskritik (un)erwünscht?

Die Humanistische Alternative Bodensee (HABO) hat das Organisationsteam des Konstanzer Konzilsjubiläums angeschrieben und will unter anderem wissen, welche Veranstaltungspunkte vorgesehen sind, die sich mit kirchen-, religions- und glaubenskritischen Fragen auseinandersetzen. „Im Anbetracht dessen, dass eine nicht unbedeutende und bislang wenig transparente Summe an Steuergeldern in die Feierlichkeiten fließen wird, scheint das Programm wenige, klar säkulare Fragestellungen anzusprechen“

Offenes Schreiben

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Konzilsjubiläum der Stadt Konstanz ab 2014 wird über mehrere Jahre hinweg mit einer Vielzahl von Festivitäten auf sich aufmerksam machen. Insbesondere wird dabei der bedeutsame Charakter dieser doch über viele Strecken hinweg von einer Vielzahl von damals Beteiligten sicher als unrühmlich und gnadenlos empfundenen Versammlung am Bodensee zentriert, ohne sich im Kern der früher wie auch weiterhin diktierenden und toleranzlosen Strukturen der Kirche zu nähern.

Nach den bisherigen Informationen, die für die Öffentlichkeit bekannt wurden, werden zwar durchaus aus den Reihen der – vor allem protestantischen – Kirchen auch kritische Beiträge über die klerikalen Institutionen bis in die Gegenwart laut werden und zu einer Debatte einladen. Im Anbetracht dessen, dass auch eine nicht unbedeutende und für uns bislang wenig transparent gebliebene Summe an Steuergeldern in die Feierlichkeiten fließen wird, scheint das Programm aber wenige, klar säkulare Fragestellungen anzusprechen.

Nicht nur 1414 – 1418 hat die (katholische) Kirche eine unrühmliche Rolle eingenommen. Das zeigt nicht zuletzt der Ausgang des Konzils, das für mehrere Ketzer tödlich endete. Gerade auch heute ist mehr denn je eine kritische Reflektion vonnöten, der sich die Kirche besonders in einem Rahmen, der feierlich anmuten mag, stellen müsste. Durch den Vatikan wurden aktuell interne Reformen angedeutet – doch wesentliche Eigenverantwortung für Dogmen, Moralvorstellungen und Erlasse, die vielen Menschen das Leben schwer mach(t)en, ist bislang kaum übernommen worden. Dabei stehen diese Komplexitäten aktuell ebenso brisant in der Konfrontation, wie sie schon im 15. Jahrhundert Anlass für die Einberufung der Zusammenkunft in Konstanz waren und deshalb nicht nur für das Konzil prägend sind, sondern historisch in rotem Faden bis in derzeitige Diskurse hinein reichen.

Im Schein eines Konzilsjubiläums, mit welchem man stets auch Veränderung verbindet, wäre es der richtige Augenblick gegeben, um sich einer Auseinandersetzung mit theologischen Streitpunkten, die für die Gesellschaft auch im 21. Jahrhundert von keiner geringeren Bedeutung sind, hinzugeben. Und so vermissen wir in der bisherigen Programmgestaltung das Einbeziehen von Akteuren, die nicht in mittelbarer Verbindung zu den Kirchen stehen, sondern losgelöst und unabhängig Religionskritik üben und aus eigenen Erfahrungen, aber auch aus wissenschaftlicher und alltagsnaher Sicht von Zweifeln und Ablehnung gegenüber dem Glauben berichten und anderslautende Impulse – beispielsweise des Humanismus – zur Betrachtung stellen.

Ein Fest, das sich nur unzureichend aus einer teils verklärten Vergangenheitsbetrachtung lösen kann und es nicht wagt, den Bogen bis in die Realität des Hier und Jetzt zu spannen, die von einer stetig wachsenden Konfessions- und Religionslosigkeit und von einer fragenden, wenn nicht gar abwendenden Haltung von mehr als einem Viertel der Baden-Württemberger und einer relativen Mehrheit unter den Bundesbürgern gegenüber dem Glauben gezeichnet ist, verliert den Anspruch daran, denkwürdige Stunden für Konstanz und die gesamte Region ehrlich zu begehen.

Wir würden daher in diesem Zusammenhang gern von Ihnen erfahren, welche konkreten Programminhalte Sie während des Konzilsjubiläums eingeplant haben, um der Kirche, den Religionen und dem Glauben kritisch gegenüber stehenden Personen oder Gruppierungen Raum für ihre Meinung zu geben. Oder ob Sie eher darauf setzen, dass sich ein eigenständiges Alternativprogramm entwickelt, bei dem keine Begegnung vorgesehen ist.

Für Ihre Rückmeldung bedanken wir uns und verbleiben

mit besten Grüßen,
i.A. Manuel Kühn, Dennis Riehle, Sprecher

in Kopie: OB, GR-Fraktionen, Landesministerium, Medien, Verbände

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