König von Konstanz – das Machtrezept des Uli B.
Nun ist es also offiziell, selbst der zumindest ansatzweise rebellisch geglaubte Leiter der Konstanzer Museen, Tobias Engelsing, ist seinem Regenten und dessen höchstpersönlichen Herold – dem Südkurier – huldig. Wenn schon ein Museumsdirektor – eine Person, der Kultur eigentlich am Herzen liegen sollte – den Kampf für den Erhalt eines Independent-Kinos und somit auch den für einen kritischen Journalisten als „schrille Kampagne“ bezeichnet, muss mit dieser Stadt Konstanz etwas im Argen liegen.
Den einzigen aussichtsreichen Weg, das Scala-Kino vor einem WindelParfümDuftkerzen-Riesen zu retten, hätte die Stadtverwaltung beschreiten müssen. Michael Lünstroths letzter Weg lief nun, wie wäre es anders zu erwarten, auch über die Stadtverwaltung. Schon krass, was so eine Stadtverwaltung alles kann. „Verwaltung“ ist viel zu abstrakt: Wenn in Konstanz von Verwaltung die Rede ist, ist das eigentlich OB Uli Burchardt, der überall das letzte Wort hat.
Hofberichterstattung
Die Frage, die uns da natürlich allen unter den Nägeln brennt, lautet: Wie macht der das bloß? Tja, darüber haben sich in letzter Zeit wahrscheinlich viele Konstanzer Bürgerinnen und Bürger den Kopf zerbrochen. Wie die letzten Wochen gezeigt haben, ist es schon einmal von erheblichem Vorteil, das lokale Blatt auf seiner Seite zu haben. Auch wenn es für Herrn Engelsing wohl eine Spiegel-Affäre oder zumindest einen korrupten Bundespräsidenten, der nachts bei der Bild-Zeitung anruft, braucht, um eine Gefahr für die Pressefreiheit darzustellen, so fragt man sich doch, wo der Unterschied zwischen einem telefonierenden Wulff und einem telefonierenden Burchardt liegt. Naja, vielleicht hat Uns Uli eine Mail geschrieben? Das würde die Sachlage natürlich drastisch ändern.
Was davon allerdings unberührt bleibt, ist die Tatsache, dass Lünstroth offensichtlich wegen Hochverrats gehen musste. Denn hätte unsere königliche Hoheit den Stein nicht ins Rollen gebracht, hätten die untertänigen Leiter der Hofberichterstattung Lünstroths „Fehlverhalten“, ob die Artikel nun gefärbt waren oder nicht, sicher nicht an die große Glocke gehängt und dabei nicht auch noch den eigenen Ruf ruiniert.
Aber wie heißt es so schön? „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.“ Dass es die selbsterklärte Aufgabe des Südkuriers ist, die Arbeit der ‚Stadtverwaltung‘ in der Öffentlichkeit über alle Maßen zu loben und nebenbei dunkelgrüne Propaganda zu betreiben, ist für den aufmerksamen Leser nichts Neues. Der OB hat es bisher einfach nur geschickt genug angestellt, die Steuerung des Mediums zu verschleiern und anstatt jetzt mit der Wahrheit ans Licht zu kommen, hüllt man sich in majestätisches Schweigen. Sind da Spekulationen in der Bürgerschaft verwunderlich? Nein, lieber Herr Engelsing. Denn werden die Leute nicht überzeugend eines Besseren belehrt, bleiben sie eben bei ihrer eigenen Wahrheit.
Burchardt und sein Hofstaat werden damit leben können; ob es der Südkurier kann, ist fraglich. König Uli hat eine Amtszeit von acht Jahren und damit das Wahlamt mit der in Deutschland längsten Amtszeit (eine Baden-Württemberger Spezialität) inne, in der er schalten und walten kann, wie er will. Der Südkurier hat eine bestimmte Anzahl von Lesern, die für das bedruckte Papier Geld zahlen, die das aber auch verweigern können, wenn es ihnen zu schwarz-weiß wird. Das ist ein Dilemma, dem die Dienerschaft oft unterliegt, solange sie in der Gunst des Regenten steht, so wähnt sie sich in Sicherheit und wird überheblich. Diese Überheblichkeit wird ihr spätestens dann zum Verhängnis, will sie in ihre ursprünglichen Kreise zurückkehren, weil der König sich nicht mehr für sie interessiert, denn dann wird sie von den eigenen Leuten fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel.
Keine Bürgerbeteiligung in einer anständigen Monarchie
Doch ein Südkurier braucht in einer Stadt wie Konstanz keine Angst zu haben, denn wer ein gepflegter Monarch ist, hat auch sein Volk im Griff. Nach dem Motto: Das Volk hat den Südkurier zu lesen und die transportierte Meinung anzunehmen. Aus. Fertig. Punkt. Gegen die paar hofnärrischen, alternativen Medien und Bewegungen wird so sehr gewettert, dass auch die irgendwann die Lust verlieren. Diejenigen, die sich schon mehrmals in Bürgerfragestunden von unserem Oberhaupt haben inhaltslos niederbügeln und von seinem ‚gewandten Mundwerk‘ bloßstellen lassen mussten, werden das nachvollziehen können.
‚Bürgerfragestunde‘ … Moment, ah, da war ja noch was? Ja, genau die Projektgruppe „Bürgerbeteiligung“. Diese Institution, bestehend aus Mitgliedern der Gemeinderatsfraktionen, der Verwaltung und mehreren Gruppen bürgerschaftlichen Engagements, hatte ursprünglich zum Ziel, einen Rahmen für künftige Bürgerbeteiligungsprozesse zu entwickeln. Hierfür sollten verbindliche Leitlinien zur Einleitung und Durchführung von Bürgerbeteiligung erarbeitet werden, die vor allem das Was, Wann und Wie bürgerlicher Mitbestimmung, transparent sowohl für die Verwaltung als auch für die Bürgerschaft, regeln sollten. In Konstanz muss man sich das allerdings so vorstellen. Volk so: „Hey, wir wollen mitbestimmen. Bezieht uns mal mit ein. Lass uns Bürgerbeteiligung machen!“ Und Verwaltung so: „Bürgerbeteiligung? Was ist das? Und, wenn wir das machen würden, wo kämen wir denn da hin?“
Auch wenn viele von den nicht-öffentlichen Treffen der ‚Konspirateure‘ noch gar nicht wissen, so gibt es diese Projektgruppe nun schon fast zwei Jahre. Während dieser Zeit wurde mühsam ein Leitlinienkatalog ausgearbeitet, der nun von der Verwaltungsspitze in persona Uli B. durch den Reißwolf gedreht wurde. Schon zu Beginn der Leitlinienentwicklung sollte die Verwaltung miteinbezogen werden (der König muss ja schließlich immer wissen, was seine Untertanen so treiben), um ein ‚Aneinander-Vorbei-Regieren‘ zu verhindern. Sie erschien jedoch nur spärlich, weswegen die Projektgruppe eifrig und munter im Auftrag des großen Uli vor sich hin entwarf. Dieser bekam nun die vorläufige Endfassung der Leitlinien, über die eigentlich der Gemeinderat als letztes mickriges Überbleibsel von Demokratie in dieser Stadt abstimmen sollte, in seine königlichen Finger und warf kurzerhand den Großteil zweijähriger ehrenamtlicher Arbeit über den Haufen.
In einem Neuentwurf wird schlichtweg des OBs Willen zur Bürgerbeteiligung diktiert: Bereits organisierte, verfasste Bürgergruppen, wie etwa die Bürgergemeinschaft Allmannsdorf-Staad-Egg, sollten nicht unter einfacheren Bedingungen schnöde Bürgerbeteiligungsverfahren einleiten dürfen. Um ein solches Verfahren einzuleiten, sollten 800 innerhalb kürzester Zeit gesammelte Unterschriften erforderlich sein. Die Leitlinien sollten für die Verwaltung keinerlei Bindungswirkung haben. Schließlich sollte es den für die entsprechenden Themengebiete zuständigen Fachämtern selbst überlassen werden, ob sie die Bürgerinnen und Bürger miteinbeziehen wollen oder nicht anstatt diese Entscheidung einem unabhängigen, nicht in die Sachentscheidung involvierten Verwaltungsgremium zu überlassen. Bürgerbeteiligung in Konstanz ist also ein Zuckerchen, das nur durch den gönnerhaften Regenten freiwillig gewährt werden kann, wenn er mit dem richtigen Fuße aufgestanden ist und der Wind gerade nicht gegen den Scheitel weht. So geht Monarchie.
Das alles und noch viel mehr
Summa summarum ist aus dem kleinen Seilbahn-Uli mit dem Hang zu größeren Dimensionen nun doch ein waschechter König geworden, der seine Insignien einzusetzen und seine hörigen Diener zu benutzen weiß. Mittlerweile hat er seine Macht wahrscheinlich zwar nur noch von ‚dei gratia‘, aber so soll es ja sein bei einem richtigen Herrscher. Wäre ich König, würde mir die Meinung des Volkes auch am Allerwertesten vorbeigehen und ich würde testen, bei welchem Grad an Manipulation der Pöbel merkt, dass ich den lieben langen Tag nichts anderes mache, als ihn an der Nase herumzuführen.
Außerdem würde ich mir für viel zu viel Geld ein Konzert- und Kongresshaus bauen und mich fünf Jahre lang feiern lassen, für Dinge, die Personen 600 Jahre vor mir gemacht haben und von denen außerhalb von zehn Kilometern Umkreis sowieso noch niemand etwas gehört hat. Das hat Stil. Das alles und noch viel mehr würd‘ ich machen, wenn ich König von Konstanz wär‘. Allein mein Standbild fehlt noch.
Carla Farré
zu Herrn Sobisch, ich gebe Ihnen recht, es geht schon lang nicht mehr ums Scala. Ich hoffe nur, dass sich die engagierten Bürger dieser Stadt, nach dem was hier gerade geboten wird, nicht entmutigen lassen.
Der OB hatte sich eine Verbesserung der Bürgerbeteiligung auf die Fahnen geschrieben. Gilt das nur für die Bürger, die passende Vorschläge in städtische Workshops einbringen? Einiges hat sich schon in Richtung Bürgerbeteiligung bewegt, zumindest im Rahmen der Stärkung des Ehrenamtes in der Stadt und bei der Berücksichtigung der Bedürfnisse behinderter Menschen, deren Anliegen besser wahrgenommen werden.
Doch diese Provinzposse, die seit Wochen die Menschen beschäftigt, lässt das alles eher blass aussehen. Schade eigentlich.Transparenz und echte Bürgerbeteiligung sieht anders aus.
Frau Christina Herbert-Fischer, Sie haben die Worthülsen vom gängigen Politsprech gut gelernt.
In diesem Artikel geht es in genau zwei Sätzen – also nur am äußersten Rande – um das Scala-Kino. Es wird lediglich berichtet, dass die Stadtverwaltung als einzige Institution in der Lage gewesen wäre, wäre sie denn willens gewesen, an der Misere des Scala-Kinos tatsächlich etwas zu ändern. Ob dies dann auch vernünftig gewesen wäre oder nicht, wird hier nicht beurteilt und ist auch unwichtig, nachdem der Zug schon abgefahren ist. Der Initiative, die nach ihren Mitteln versucht hat, ihr Bestes zu geben, jetzt den Verlust des Scalas in die Schuhe zu schieben, finde ich nun doch etwas dreist. Eine Bürgerinitiative ist eine Bürgerinitiative und keine Ansammlung von Berufsprotestlern (falls es so etwas überhaupt gibt).
Vielmehr geht es hier doch darum, dass, und das hat man auch an der Scala-Initiative gesehen, sich die Spitze der Stadtverwaltung um die Meinung der Bürgerinnen und Bürger in vielerlei Hinsicht einen Dreck schert und das jetzt auch noch vor aller Augen institutionalisieren möchte. Mit der offensichtlichen Einflussnahme auf den Südkurier ist diese Institutionalisierung nun schon ein großes Stück vorangetrieben worden.
Werter Herr Sobisch, Sie haben’s erfasst. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Um es vorweg zu nehmen und das hat der eine oder die andere MitbürgerIn offensichtlich noch nicht realisiert, es geht bei dieser Auseinandersetzung schon lange nicht mehr um die „Causa Scala“. Da kann man in der Sache sicherlich unterschiedlicher Meinung sein; die beiden Gutachten dokumentieren dies ja auch. Es geht inzwischen darum, ob der Südkurier eine unabhängige Zeitung ist, für die er sich hält oder ob er , wie bei diesem Vorgang, offensichtlich Hofberichterstatter geworden ist. Die Meinungs- und Pressefreiheit, und nur um das geht es, als „ominöses Geschreibsel“ zu bezeichnen, das halte ich schon für recht kühn.
Liebe Kinofreunde, leider hat das Scala keine Chance, ich finde es auch bedauerlich, doch hätte die Stadt nichts wirklich sinnvoll tun können, ohne ein unverhältnismäßig hohes finanzielles Risiko einzugehen. Dieses Risiko steht nicht im Verhältnis zu dem möglichen Ergebnis. Ich bin dankbar, dass der Gemeiderat, egal wie schade es auch sein mag, sich verantwortungsbewußt verhalten hat. Das Progammkino wird in Teilen im Lago, in der Innenstadt, weiter leben. Der geneigte Besucher wird also auch weiterhin in den Genuß eines Programmkinoangebots kommen.
Der Betreiber hatte kein Interesse mehr bekundet, das Kino an der alten Stelle weiterzubetreiben. Sein Mietvertrag wurde nicht verlängert.
Soweit so gut oder auch nicht. Das ist, ums klar zu stellen, keine Kulturdebatte. Ein Kino, auch ein Programmkino ist kein Kultur-, sondern in erster Linie ein Wirtschaftsbetrieb.
Anders ist es bei dem einzigen echten Independentkino in Konstanz. Das heißt Zebra, wird von einem gemeinnützigen Verein getragen und erfüllt einen kulturellen Auftrag. Geht doch mal hin, er rentiert sich.
Trotzdem bin ich dankbar für die Debatte, auch wenn sie teilweise nicht schön geführt wurde, weil hier Bewußtsein geweckt wurde. Unsere Innenstädte, auch wenn es in Konstanz noch nicht so schlimm ist, wie anderswo, verkommen immer mehr zur Austauschbarkeit, einer langen Reihe, der immer gleichen Filialen der selben Einkaufsketten. Hier ist die Kommunalpolitik gefragt und vor allem mündige Bürger, die sich zu Wort melden.
Sehr schade, dass sich der Südkurier hier derartig mies plaziert hat und zwar in jeder Beziehung. Auch wenn ich Herrn Lünstrohts Berichterstattung zu diesem Thema fragwürdig fand, er kann wenigstens mit der Sprache umgehen. Diese ganzen Vorgänge im Umfeld des Streites sind eine üble Provinzposse, die die Glaubwürdigkeit der Verwaltungsspitze und der Redaktion untergräbt. Schilda lässt grüßen.
Was soll dieses „ominöse Geschreibsel“ über den OB? Bringt doch null. Nicht mal ein Standbild für den redaktionellen Schreiber! Tatsache ist – da bin ich bei Engelsing – , dass die „Causa Scala“ nicht eben großartig aufgegleist wurde: Die „Kampagne“ hatte wenig Tiefe, war dem wertvollen Gegenstand „Independent-Kino“ ziemlich unwürdig, hatte das Ziel in vieler Hinsicht verfehlt, war kraftlos, unaufmerksam, unkreativ, zum Teil unsachlich unterlegt, kurz: unprofessionell. Und besonders nicht nachhaltig genug! „Schrill“ reichte nicht, Tendenziös-Politisches sowieso nicht. Da hatte es die „fiktive Gegnerschaft“ aus Verwaltung und Wirtschaft – oder umgekehrt – sehr einfach. Letztlich sprang von den „Scalafreunden“ und deren Mitbeauftragten am Prozess einfach auch kein Funke über, der ein (Kultur-) Feuer mächtig zu entfachen vermochte. Das war innenstadtkulturell gedacht zweifelsohne schade. Einziger (ziemlich schwacher) Trost: Im Lago geht das „Independente“ einigermassen weiter. Nun ist es so, dass wir uns hier in Berlin-Pankow, genauer: In Nieder Schönhausen, noch über ein ziemlich „Independentes Kino“ („Blauer Stern“) erfreuen. Der Kiez verändert sich aber täglich. Auch hier besteht die Aufgabe, das Kulturelle nicht einfach dem Kommerz zu opfern. Es muss überzeugend gekämpft werden. Dazu gehört in vorderster Linie, dass die Bevölkerung das kulturelle Angebote kräftig nutzt. Das ist der Fall. An der Markstätte wäre die Rechnung auf Dauer nicht aufgegangen, die Auslastung war zu gering. Das ist die ganz andere, relativ unbeachtete Seite. Wo sind die kreativen (und machbaren) Konstanzer Ideen, die Innenstadt abends kulturell breiter zu bevölkern? Wer packt es an? Die „Scalafreunde“?