Der Professor mit der Schokopistole

Man könnte herzhaft lachen über diesen Scherz, wenn nicht eine treudeutsche Amtsrichterin mitspielte. Darsteller in diesem Spektakel: Ein Professor aus Berlin, attac-Aktivisten aus Lindau, eine Richterin vom Bodensee und eine Reporterin aus Lindau. Vorwurf: Aufruf zum Banküberfall mit Schokoladenpistolen. Schauplatz dereinst: Die Deutsche Bank in Ravensburg. Schauplatz demnächst: Das Amtsgericht Lindau

Der Professor ist Peter Grottian (s. Foto), bekannt für seine provokanten bis spaßigen Aktionen im Politikumfeld zwischen Stuttgart 21 und Berliner Sozialprotesten. Den hatte die Lindauer attac-Gruppe um Lothar Höfler im Juni letzten Jahres zu einem Vortrag (Titel: „Wie kommen wir Bürgerinnen und Bürger aus der Geiselhaft der Finanzindustrie?“) auf die Insel Lindau eingeladen. Der Termin in der Schmiedgasse an einem sonnigen Freitagabend war gut besucht, die örtliche Presse berichtete dreispaltig.

Peter Grottian (68) war bis 2007 Professor für Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut  der Freien Universität Berlin. Daneben ist er seit 25 Jahren aktiv in Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen, bei Sozialprotesten, Sozialforen und globalisierungskritischen Bewegungen, u.a.. ist er Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von attac. 2007 wurde Peter Grottian emeritiert.

Der pensionierte Professor sprach zunächst von den Sparkassen, Genossenschafts- und Privatbanken, die einst Spargelder einsammelten und sie als Kredite an Handwerker, Industrie und Privatpersonen immerhin auch gewinnbringend weiter gaben. Bis sie das Geschäft mit Investments, Hegding, Devisen- und Rohstoffspekulation für sich entdeckten. Seitdem spielen Spareinlagen und Kleinkredite kaum mehr eine Rolle – Finanzaktionen rund um den Globus geraten stattdessen regelmäßig außer Kontrolle, die Steuerzahler nicht nur in Deutschland müssen immer häufiger für solche windigen Geschäfte und deren Verluste einstehen. Und Grottian stellte die Frage, ob nicht mit anderen, neuen Arten demokratischer Kontrolle von unten die ökonomischen und politischen Eliten zu wirksamen Maßnahmen und Kontrollen zu zwingen wären.

Banküberfall anderer Art

Schon die Reporterin der „Lindauer Zeitung“, Regionalausgabe der „Schwäbischen Zeitung“ aus Leutkirch, meinte in ihrem effektheischenden Bericht über die Grottian-Rede in vorauseilendem Staats-Gehorsam, dass solche Aktionen für die Teilnehmer zu unangenehmen Folgen – bis hin zu Strafbefehlen – führen könnten. Denn Grottian sprach doch tatsächlich von „öffentlichem Druck“, von „zivilem Ungehorsam“. Und irgendwie erinnerte das an spaßige 68iger-Aktionen, als Fritz Teufel „zum Sprengen der Banken“ aufrief – und dann mit Gießkannen vor den Bankportalen erschien. Grottian hingegen dachte darüber nach, „mit Schokoladenpistolen und ohne Maskierung“ die Banken heimzusuchen.

Tatsächlich besuchten dann attacis der Bodenseeregion, mit Megaphon, Transparenten – „Soll die Wirtschaftskrise zur Sozialkrise werden?“ – und Flyern und ohne Masken ausgestattet, am 29. September 2011 anlässlich des bundesweiten attac-Bankenaktionstages die Filiale der Deutschen Bank in Ravensburg; gemächlich wie normale Kunden betraten die attac-Mitglieder die Schalterräume; ihr Sprecher Lothar Höfler hielt eine kurze Rede; die Angestellten staunten; die Geschäftsleiter ließen sich nicht blicken; die Polizei vor Ort blieb tatenlos.

Verhandlung nächsten Mittwoch

Nur die Lindauer Amtsrichterin wurde tätig: Sie verfügte gegen Peter Grottian einen Strafbefehl über 3900 Euro wegen Anstiftung zum Hausfriedensbruch. „Dabei“, so empört sich die Lindauer attac-Gruppe in einer damaligen Pressemitteilung, „gab es weder Hausverbote noch polizeiliche Maßnahmen. Alles lief friedlich ab.“

Professor Grottian hat gegen diesen Strafbefehl seinen Widerspruch eingelegt. Verhandelt wird der Fall, der mittlerweile bundesweites Medienaufsehen erregt, vor dem Lindauer Amtsgericht, Stiftsplatz 1, am Mittwoch, 18. Januar, 15 Uhr, Saal eins.

Autor: hpk