Nur zu Ihrer Sicherheit
Ein Familienbetrieb in einer schwäbischen Kleinstadt, auf Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik spezialisiert, wird von einem großen Stuttgarter Unternehmen übernommen. Nichts Ungewöhnliches heutzutage. Ungewöhnlich aber ist, dass Beschäftigten vom neuen Arbeitgeber ein Chip auf den Führerschein geklebt wird: Ein Lehrstück über Datensicherheit hierzulande und über die Sorglosigkeit vieler ArbeitnehmerInnen im Umgang mit ihren persönlichen Daten.
Micha F. ist 22 Jahre alt und arbeitet als Anlagenmechaniker, er montiert und repariert Heizkörper, Klimaanlagen und Sanitäreinrichtungen. Als seine Firma von einem größeren Unternehmen aufgekauft wird, werden alle Beschäftigten zu gleichen Konditionen übernommen. Doch eines schönen montagmorgens wird Micha F. aufgefordert, seinen Führerschein abzugeben. Auf die Frage nach den Gründen antwortet sein Chef, dass aufgrund der Firmenübernahme eine neue KFZ-Zulassung nötig sei.
Ein paar Stunden später erhält Micha F. seinen Führerschein zurück. Nicht nur das – als Entschädigung für die kurze, führerscheinlose Zeit bekommt er sogar einen kleinen Aufkleber auf seiner Fahrerlaubnis. Bei genauer Betrachtung entdeckt der Anlagenmechaniker, dass es sich bei dem kleinen „Geschenk“ nicht um einen gewöhnlichen Aufkleber handelt, sondern um einen Mini-Chip. Micha F. ist schockiert. Nach langer Recherche wird ihm klar, dass es sich um eine elektronische Führerscheinüberwachung handelt.
Am darauffolgenden Tag spricht er seinen Vorgesetzten auf den Chip an. Es handele sich um einen RFID-Chip, der bei Verlust des Führerscheins helfen soll, ihn wieder zu finden, wird ihm erklärt. Auf die weitere Frage nach GPS-Installationen antwortet der Chef nervös, er glaube nicht, dass dieser Chip über GPS geortet werden könne. Wie bitte? Bei Verlust kann der Führerschein leichter gefunden werden, orten aber kann man ihn nicht? Micha F. fühlt sich hintergangen und ausspioniert. Kurz darauf löst er das Arbeitsverhältnis auf.
Motive des Arbeitgebers
Laut §21 des Straßenverkehrsgesetzes ist ein Arbeitgeber berechtigt, Führerscheinkontrollen durchzuführen; als Halter von Dienstfahrzeugen ist er sogar verpflichtet, in regelmäßigen Abständen die Führerscheine seiner Mitarbeiter zu überprüfen. Natürlich nur, wenn der Arbeitnehmer ein Dienstfahrzeug während der Arbeitszeit nutzt. Sollte ein Mitarbeiter im Dienst ohne Fahrerlaubnis ein Dienstfahrzeug fahren, muss der Arbeitgeber auch haften; die Versicherung braucht in einem solchen Fall nicht zu zahlen; der Arbeitgeber müsste alle Kosten selber tragen.
Demnach ist eine Führerscheinkontrolle sogar vorgeschrieben. Als Absicherung könnte der Arbeitgeber Kopien der Führerscheine seiner Mitarbeiter anfertigen und seine Arbeitnehmer einen Aufklärungsbescheid unterzeichnen lassen. So wird der Mitarbeiter verpflichtet, Änderungen der Fahrerlaubnis unverzüglich dem Arbeitgeber zu melden. Sollten Dienstleister die Führerscheinkontrolle einer Firma übernehmen, so ist ein Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung nach §11 des Bundesdatenschutzgesetztes notwendig. Das Angebot webbasierter Dienste zur automatisierten Kontrolle, wie zum Beispiel der Führerscheine, ist in den letzten Jahren zu einem neuen, lukrativen Geschäftsfeld geworden – vor allem größere Firmen sind das Zielobjekt dieser Dienstleister.
Wie funktioniert eine elektronische Führerscheinkontrolle?
Mithilfe eines Siegels, in das ein sogenannter RFID-Chip integriert ist, kann an öffentlichen Prüfstationen wie beispielsweise einer Tankstelle via Lesegerät die Fahrerlaubnis des Fahrenden überprüft werden. Über den Datenaustausch werden die personenbezogene Siegelnummer und auf dem Führerschein gespeicherte Informationen zur Gültigkeit der Fahrerlaubnis an den Dienstleister übermittelt. Zu jeder Siegelnummer, also zu jedem Arbeitnehmer, gibt es einen Datensatz, der unter anderem Telefonnummern und Email-Adressen gespeichert hat und ständig aktualisiert wird.
Und was sagt Micha F. dazu?
War Dir klar, weshalb Du den Führerschein abgeben solltest?
Nein, klar wurde mir die Sache erst, als ich in der Mittagspause meinen Führerschein genauer betrachtete. Mein Chef meinte, er bräuchte kurz meinen Führerschein wegen neuer Kennzeichen der Betriebsfahrzeuge.
Gab es irgendeine Information zur elektronischen Führerscheinüberwachung?
Nein, weder beim Info-Tag zur Firmenübernahme in Stuttgart noch danach.
Und wie hast Du reagiert, als Du die ganze Tragweite durchschaut hast?
Ich war sehr schockiert und wütend. Ich habe im Internet versucht, etwas herauszufinden. Als ich auf die Suchbegriffe ‚GPS Ortung‘ und ‚elektronische Führerscheinüberwachung‘ gestoßen bin, sprach ich meinen Chef darauf an und habe ihn direkt gefragt, was sich auf meinem Führerschein befindet. Das mit der elektronischen Führerscheinüberwachung bestätigte er mir und meinte, dass das jetzt bei Firmenübernahmen so üblich sei. Zu ihrem Schutz, damit niemand ohne Führerschein fährt.
Waren Deine Kollegen auch von dieser Sache betroffen?
Ja, alle bis auf die Sekretärin und den Meister.
Und wie haben Deine Kollegen reagiert?
Sie waren alle sehr ruhig und dachten sich nichts Schlimmes dabei. Ich war der einzige, der sich aufgeregt hat, was mich eigentlich ziemlich gewundert hat, aber die Kollegen sind auch schon älter, vielleicht können die sich nicht vorstellen, was mit so einem Chip alles möglich ist. Ich war auch der einzige, der daraufhin gekündigt hat.
Beate Fleischhauer
Frage: Ist dieser Chip rechtlich sauber? Kann ich im Ausland Probleme bekommen?
Anstatt zu kündigen hätte er den RFID auch wegkratzen können, außerdem können diese RFID nur im Abstand von wenigen cm gelesen werden und schon garnicht per GPS geortet werden.