OB-Wahl 2012: Auf Anhieb nur 6743 WählerInnen für Burchardt
Im Vorfeld der kommenden Konstanzer OB-Wahlen gehen die Einschätzungen über den vermeintlichen Ausgang ziemlich deutlich auseinander. Die einen glauben, eine Wechselstimmung liege in der Luft, andere wiederum vermuten, dass sich nichts ändern werde und der momentane Amtsinhaber trotz aller Kritik erneut als Erster ins Ziel kommt. Unser Kommentator hält dagegen und verweist auf den knappen Ausgang der Wahl vor acht Jahren.
Es sah 2012 nicht besonders gut aus für Ulrich Burchardt. Die konservative Wählergemeinde in Konstanz konnte sich mit Sabine Reiser (CDU) im ersten Wahlgang eher eine Oberbürgermeisterin vorstellen. Mit 26,8 Prozent lag sie vor Ulrich Burchardt, der mit 25,9 Prozent und 6743 Stimmen im ersten Wahlgang als Zweiter ins Ziel kam, gefolgt von Sabine Seeliger mit 20,1 Prozent. Dass er im zweiten Wahlgang auf die erforderliche einfache Mehrheit kam, verdankte Burchardt offenbar seinem Flirt mit grünen Positionen, seinem Hinweis, als Parteiloser anzutreten, seiner Attac-Mitgliedschaft oder dem Wirken als Mitglied der Geschäftsleitung der Manufactum GmbH (heute Otto Group) – allesamt Sympathieboni, die es möglich machten, Stimmen aus allen erreichbaren Lagern von CDU über SPD bis zu den Grünen auf sich zu vereinen.
In seiner Biografie empfahl er sich zudem als „Berater im strategischen Marketing für namhafte deutsche Unternehmen“, was möglicherweise manches im Konstanzer Baugeschehen und bei Grundstücksgeschäften erklärbar macht.
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Die damals magere Wahlbeteiligung, 42 Prozent (26.198 von 62.400 Wahlberechtigten), spricht auch gegen Burchardt, dem es nicht gelang, mehr Menschen für diesen ersten wichtigen Wahlgang zu begeistern. Im zweiten Wahlgang 2012, den Burchardt mit 39,1 Prozent (10.801 Stimmen) für sich entscheiden konnte, sah die Wahlbeteiligung nicht viel besser aus: Gerade mal 44,5 Prozent der Wahlberechtigten gingen an die Urne. Das Ergebnis könnte in diesem Jahr noch schlimmer ausfallen, weil die Stimmabgabe mit Wahlschein, gültigen Ausweisen und geeigneter Mund-Nasen-Bedeckung in bisher nur neun Wahllokalen möglich sein wird. Insgesamt eventuell gute Aussichten für Jugendliche, Auszubildende, Studenten, HausbesetzerInnen oder Fridays-for-Future-AktivistInnen zu zeigen, dass sie bereit sind, für eine ökologisch–soziale Zukunft auch mal ein Kreuz an der richtigen Stelle zu machen. Wählen kann Spaß machen, wenn man gemeinschaftlich als Menschenkette für Demokratie und Fortschritt vor und mit dem Wahlschein (in den Wahllokalen) ein Zeichen setzt. Seid mal BUNT, seid mal WILD, weil man sonst Eure Zukunft killt. Pappschilder und Transparente dürfen bis vor das Wahllokal bestimmt mitgeführt werden, in den USA hieße so was Picket Line.
Mit Attac wird Burchardt wohl nicht mehr punkten können, seit die CDU zur Jagd auf gemeinnützige Organisationen geblasen hat, denen zunehmend die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde und wird. Das betrifft ziemlich viele mehr oder weniger bekannte Organisationen, die demokratische, antifaschistische und/oder ökologische Bildung zu ihren Grundwerten zählen.
Felix Müller, der mit der Rücknahme seiner OB-Kandidatur eine wichtige Wegmarke setzte, sieht nach meiner Meinung in einem Pantisano-Wahlsieg alle Hoffnungszeichen für eine ehrliche ökologisch-soziale Wende. Nachdem er sich, ebenso wie viele andere von Burchardt getäuscht sah, der den Beschluss zum Klimanotstand wie selbstverständlich „zu den Akten“ gelegt hat. Auf seemoz erklärte Müller im Juli: „Konstanz braucht dringend einen neuen und progressiven Oberbürgermeister, der gute Politik für die Menschen in unserer Stadt macht, statt Immobilieninvestoren den roten Teppich auszurollen und dafür Bürgerinteressen und Umweltschutz hintenan zu stellen. Die Ära Burchardt muss nach acht langen Jahren enden. Dafür werde ich mich nun gemeinsam mit Luigi Pantisano einsetzen.“ Und: „Ich glaube, mit vereinten Kräften schaffen wir ein zukunftsfähiges und gerechtes Konstanz für alle.“ Damit gab Müller einen wichtigen Hinweis, ohne Umwege schon beim ersten Wahlgang für einen Paradigmenwechsel in der Konstanzer Kommunalpolitik zu sorgen.
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Die CDU maskiert sich derzeit mit einem Pokerface, das die „Nürnberger Nachrichten“ jüngst als „Umweltgesicht“ ins Gespräch brachten, mit dem die CDU „einen Mehrwert gegenüber vielen Grünen und insbesondere der SPD“ („Nürnberger Nachrichten“) verbindet. Das sorgt für eine positive Grundstimmung in Medien und sozialen Netzwerken, so dass beträchtliche Sympathiewerte für die CDU dabei herauskamen, auf die vermutlich neben Burchardt auch Andreas Matt setzt. Während die SPD noch an ihrer (linken) sozialdemokratischen Wiedergeburt wurschtelt, könnte es sinnvoll sein, zur Abwechslung mutig ein links stehendes Original mit Herz und Verstand zu wählen, bis sich denn unentschlossene Parteikandidaten für wirkliche Zukunftsmodelle entscheiden.
Nachtrag: In einer ursprünglichen Fassung hieß es, Andreas Matt sei Mitglied der CDU. Das ist nicht der Fall, denn Andreas Matt ist parteilos. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
Text: Peter Groß
Foto: H. Reile. Es zeigt OB Burchardt mit VertreterInnen von Fridays For Future Konstanz
Bei aller Liebe zu der bestehenden Demokratie und den
„konstruktiven Kommentaren“
Alle Kandidaten und damit meine ich persönlich „alle“ wollen doch nur das Beste für :
Die Umwelt (muss Grüner werden ohne Atomstrom ohne Kohlekraftwerke ohne Autos)
Die Radfahrer (brachen mehr Radwege)
Die Mieter (brauchen bezahlbaren Wohnraum)
Die Rentner (bezahlbare Wohnungen und Ruhesitze)
Die Studenten (optimale Bedingungen für Ihre Ausbildung)
Die Kinder (Spielplätze,Kita Plätze, Schulen und Gymnasien)
usw…..
in erster Linie aber wollen sie unsere Wählerstimmen und das Beste (vom Kuchen) für sich.
Die Wähler (und Kommentatoren in den Medien) vergessen aber
Wir wählen keinen „König“ der alles alleine bestimmt und entscheidet. Wir wählen eine Person welche sich erst einmal für mindestens 4 Jahre Klebstoff (Pattex) an die Hose schmiert, egal welche Partei oder soziale Minderheiten sich zur Unterstützung des neu gewählten OB outet. Das dieses Vorgehen bei allen Parteien und „Volksvertretern“ funktioniert, sehen wir an unendlichen Beispielen in der Bundes- und Kommunalpolitik.
Alle Entscheidungen werden von Gremien welche wir wählen getroffen und nicht von einem OB alleine.
Hört auf zu Jammern
Wählt erst einmal die Stadträte welche in der Lage sind einem OB welcher politischen Richtung auch immer er persönlich angehört die Stirn zu bieten und mit einer Mehrheit bei Abstimmungen die richtige (Volksnahe) Richtung einzuschlagen.
Und vergesst bitte nicht, dass auch das öffentliche Leben und die Infrastruktur von uns allen Arbeitnehmern welche einen Beitrag zur Wertschöpfung beitragen und von den Unternehmen sowie von der Industrie bezahlt wird.
Der Strom für das Handy und PC kommt weiterhin aus der Steckdose.
Lieber Felix Müller,
bei allem Verständnis und auch meiner Zustimmung zu Ihrem Kommentar zu Herrn Matt, aber eine Frage hätte ich da: Haben Sie nicht in der Vergangenheit dafür plädiert, den Konstanzer Landeplatz (Flugplatz) zu versiegeln und mit Wohn- und Gewerbenutzung zu bebauen? Wie ist Ihre aktuelle Haltung , insbesondere als erklärter Unterstützer von Luigi Pantisano, zu verstehen? Ich habe Sie bereits schon einmal dafür kritisiert, dass Sie, in völliger Unkenntnis des dortigen Baugrunds, und das als Architekt, meinten, eine Bebauung wäre dort ohne Weiteres möglich, diese Parole in die weite Welt posaunt haben. Sieht Herr Pantisano, ebenfalls Architekt, das genauso? Wollen Sie das durchziehen? Wie unterscheiden Sie sich mit diesem völlig kontraökologischen, vorgeblich antikapitalistischen Vorhaben vom aktuellen OB? Fragen über Fragen, auf die es konkrete Antworten braucht.
Lieber Herr Matt,
Sie sind vielleicht kein CDU Parteimitglied, sie haben aber bis neulich noch in führender Position für einen als CDU-Vorfeldorganisation getarnten Industrielobbyverband gearbeitet.
Der „Wirtschaftsrat der CDU e.V.“ ist eine ziemlich bunte (um nicht unappetitliche zu sagen ) Mischung aus Wirtschaftsbossen aller Branchen und alten CDU-„Größen“ à la Friedrich Merz oder Roland Koch.
Der Lobbyverband brüstet sich u.a. damit effektiven Klimaschutz zu verhindern und macht Stimmung für mehr „freien Markt“ im Gesundheitswesen und auf dem Wohnungsmarkt.
Ob Sie mit dieser „Altlast“ im Lebenslauf tatsächlich allen Konstanzer*innen gegenüber gleich verpflichtet sein können, darf sich jeder selbst ausmalen. Und auch ob Sie damit tatsächlich für einen Wechsel von der desaströsen und unsozialen Wohnungspolitik eines Ulrich Burchardt stehen.
Sehr geehrter Herr Groß.
In der Präambel über Publizistische Grundsätze (Pressekodex) steht: „Die im Grundgesetz der Bundesrepublik verbürgte Pressefreiheit schließt die Unabhängigkeit und Freiheit der Information, der Meinungsäußerung und der Kritik ein. Verleger, Herausgeber und Journalisten müssen sich bei ihrer Arbeit der Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und ihrer Verpflichtung für das Ansehen der Presse bewusst sein. Sie nehmen ihre publizistische Aufgabe fair, nach bestem Wissen und Gewissen, unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen wahr.“
(Da Sie des Lateinischen scheinbar mächtig sind, habe ich auf die Übersetzung von Präambel und Kodex verzichtet).
Mit Ihrem Artikel und vor allem Ihrer persönlichen Stellungnahme in der Fortsetzung können Sie sich die Frage stellen, ob es dieses Mal mit den „journalistischen Prinzipien“ geklappt hat. Ich jedenfalls traue es Ihnen zu, dass Sie sich diese Frage selbst beantworten können.
Und erneut sind Ihre Angaben über mich voller Fehler. Ich habe nicht in den USA sondern in Kanada studiert. Bei meinen beiden Auslandsemestern an der St. Mary’s University in Halifax handelte es sich um ein Austauschprogramm der FH Konstanz und der St. Mary’s University, auf das sich alle Studierenden bewerben konnten, und nicht um ein Programm der Stiftung der Deutschen Wirtschaft.
In einem persönlichen Gespräch spreche ich gerne mit Ihnen über meinen Werdegang, meine Ideen für Konstanz, warum ich „Lucky Luke“ für mich als Vergleich viel passender finde als den Marlboro Mann und warum ich „Highlander – es kann nur einen geben“ noch nie cool fand.
Lieber Herr Groß,
zur Ergänzung, war Herr Pantisano nicht auch mal auf Kosten der German Marshall Foundation in den USA? Gegen einen solchen Denkpanzer ist ein CDU Landesverband doch wohl eher ein Knabenchor. Die transatlantischen NGOs haben schon so manchem europäischen Politiker auf die Beine geholfen… Cem Özdemir – der gibt sich auch unabhängig, verteidigt dabei den transatlantischen Bund mit Zähnen – natürlich aus innerster Überzeugung.
Lieber Herr Groß,
Zeilen schinden, steinhartes Brot kauen und wirkliche Herausforderungen suchen, dass ist der wahre Marlboro Mann. :–))
@ Liebe(r) Pauli Heinzelmann. Für so ein grundsolides, den journalistischen Prinzipien eng verbundenes Medium wie seemoz zu schreiben, ist für einen alten Boulevard-Zeilenschinder echt wie steinhartes Brot kauen, eine wirkliche Herausforderung. Aber immerhin machbar, manchmal klappt es ja. Also freuen wir uns gemeinsam. Von Zeit zu Zeit jedenfalls.
@ Sehr geehrter Herr Matt. Ich würde annehmen, einen wesentlichen Teil Ihrer Karriere verdanken Sie dem Stipendium mit USA-Aufenthalt der Stiftung der Deutschen Wirtschaft und der Mitarbeit oder der persönlichen Mitgliedschaft im Deutsch-Türkischen Arbeitskreis des Wirtschaftsrats der CDU e.V., für dessen Landesverband Sachsen-Anhalt Sie in der Geschäftsführung bis zu Ihrem Umzug nach Konstanz (März 2020) tätig waren (vgl. http://matt-waehlen.de/ – Persönlich).
Die Stuttgarter Zeitung schrieb nach der Wahl 2012 über Burchardt: Der neu gewählte OB von Konstanz Ulrich Burchardt will unabhängig sein. Aber es gibt Zweifel, ob er das sein kann. Das CDU- und Attac-Mitglied ist vielen Steigbügelhaltern verpflichtet.“
Luigi Pantisano hat ehrlich offengelegt wer seinen Weg künftig mit Sach- und Fachkunde begleiten möchte, das schränkt seine Unabhängigkeit nicht ein, folgt er doch offenbar dem Leitbild primus inter pares (lat. für Erster unter Gleichen).
Ich vermute, dass Sie durchaus politisch vernetzt sind, auch ohne CDU-Parteimitgliedschaft. Der Highländer-Effekt: „Es kann nur einen Geben“, der mit seinem Schwert gegen das alte Barbarenvolk der Kurganen zieht passt nicht recht in die heutige Welt der modernen Netzwerke.
Parteilos, frei und unabhängig passt eher zur Marlboro-Reklame früherer Zeiten, wo man die Satteltasche packt und einsam davonreitet. Ich vermute mal, dass im Rathaus zahllose Burchardt ParteigängerInnen gern ihre Fußangeln auslegen und Fettnäpfchen aufstellen. Das ist nun mal so in der wirtschaftsorientierten Bürokraten- und Beamtenwelt, besonders wenn die Gefahr besteht, das dem ewigen CDU-Schlendrian ein Ende bereitet wird.
Da kann sich Luigi Pantisano zu seinem Vorteil auf eine belastbare Basis (Freie Grüne Liste, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE, verstärkt durch engagierte Gemeinderäte sowie außerparlamentarische Kräfte, stützen.
Dass in Konstanz eine frische Brise durch die Gassen zieht, die Folge politischer Vielfalt und farbenfroher BürgerInnenbündnisse ist, wie sie sich nach den Gemeinderatswahlen in Überlingen, Friedrichshafen oder auch Langenargen etabliert hat, kann oder wird auch in Konstanz nur Ergebnis eines grundsoliden Teamplay sein.
Peter Groß als neuer Seemoz-Autor ist keine schlechte Wahl!
Sehr geehrter Herr Groß.
Ich bin kein Mitglied der CDU und auch sonst keiner Partei. Ich bin parteilos, frei und unabhängig und somit nicht an Parteibücher und Spender gebunden. Ich bin allen Konstanzer*innen gegenüber gleich verpflichtet. Stadtpolitik ist Handwerk und orientiert sich an den täglichen Herausforderungen und neuen Aufgaben und eben nicht an Parteibüchern.