Rechts des gesunden Menschenverstandes

Österreich auf dem Vormarsch nach rechts? Hetzerische Leserbriefe, Schmähreden gegen Juden, die aufgehängt gehören, und ein Mandatsträger, für den Österreich offensichtlich wohl immer noch zu Deutschland gehört. Die Riege von rechts des Menschenverstandes macht wieder von sich reden. Und ist nicht nur dort beheimatet, wo man sie vermuten würde. Denn derlei ist man mittlerweile gewöhnt in einem Land, in dem die FPÖ von Wahlerfolg zu Wahlerfolg eilt: Nachbar Österreich marschiert nach rechts voran

„Sie gehören ja aus dem Verkehr gezogen und sterilisiert, damit sich so etwas nicht auch noch weiter vermehrt. Ihre Redaktion gehört angezündet und eingeäschert und das Hetzblatt ‚profil‘ verboten!“ Ein Leser macht gegenüber den Autorinnen eines kritischen Artikels über die Lehrergewerkschaft und Strukturschwächen des Bildungssystems aus seinem Herzen keine Mördergrube. Derlei ist man mittlerweile gewöhnt in einem Land, in dem die FPÖ von Wahlerfolg zu Wahlerfolg eilt.

Allein, der Mann ist kein Stammtischpoet. Zumindest nicht hauptberuflich. Er ist Geschichtslehrer am Stiftsgymnasium Seitenstetten. Zum Zeitpunkt, als er diesen Leserbrief schrieb, war er auch Gemeinderat für die ÖVP und Funktionär der Christdemokraten. Nachdem das kritische Wochenblatt ‚profil‘ den Leserbrief veröffentlicht hatte und nach einer für heimische Verhältnisse bemerkenswert kurzen Schrecksekunde ein öffentlicher Aufschrei erfolgte, gab der Betreffende seine politischen Funktionen auf. Die ÖVP, sonst nicht immer zimperlich bei Wortmeldungen ihrer Funktionäre, hatte die Reißleine gezogen.

Mittlerweile gibt sich der Historiker zerknirscht über seine Wortwahl und hat sich in einem neuen Leserbrief entschuldigt. Diese Wortwahl passe nicht zu seinem „christlich-humanistischen“ Weltbild. Was die Frage nicht beantwortet, wieso aus seiner Tastatur ausgerechnet diese Worte kamen. Von selbst fällt einem das nicht einmal im Zorn ein.

„Die gehören aufgehängt, de san wie die Juden“

Beinahe zeitgleich sorgte ein zweiter ÖVP-Mandatsträger mit einem Nazi-Spruch für einen neuen Eklat. „Mir gehen die Scheißasylanten sowieso am Oasch, aber schuld sind die Pressefritzen, die gehören aufgehängt, de san wia de Juden!“ schrie er bei einer Gemeinderatssitzung. (Mir gehen die Scheißasylanten sowieso auf den Arsch, aber schuld sind die Pressefritzen, die gehören aufgehängt, die sind wie die Juden.) Erstaunlicherweise blieb dieser Sager nicht ohne Konsequenzen. Der Bürgermeister musste zurücktreten. Er amtiert noch, bis sein Nachfolger gewählt ist.

Obwohl der Bürgermeister gegenüber Medien wie dem ‚Standard‘ treuherzig versicherte, dass er etwas ganz anderes gesagt habe: „Journalisten schreiben heute, was morgen nicht mehr stimmt. Die Diskussion um die Asylanten geht mir sehr nahe.“ Und: „Die Journalisten zitieren aus dem Duden.“

Nun mag ein Verweis auf den Duden für einen der deutschen Sprache im engeren Sinn nur mäßig mächtigen österreichischen Bürgermeister in der Tat ein gröberes und durchaus verständliches Ärgernis sein. Sinn macht die Aussage, wie sie der Politiker getätigt haben will, freilich nur wenig.

Ein Großdeutscher verteidigt die österreichische Identität

Die nachträgliche Interpretation der eigenen Aussagen erinnert frappant an die Umtriebe einer Partei, deren Funktionären man solche Zitate ungeschaut zuordnet. Wird’s bei der FPÖ heiß, hat man nicht gesagt, was alle anderen gesagt haben, man wurde bewusst missverstanden oder man selbst hört Dinge, die der Rest der Welt so nie gehört hat. Außerdem sind sowieso alles boshafte Unterstellungen und man hat von nichts gewusst.

Der stellvertretender Bundesvorsitzende der FPÖ, Johann Gudenus, hat einschlägige Erfahrungen mit derlei Missgeschicken. Mal redet er von Umvolkung oder will Steuern auf Verhütungsmittel und vergleicht die Migration mit der Türkenbelagerung. Auch gegen Andersdenkende kennt er kein Pardon.

‚profil‘ zitiert ihn bei einem Wahlkampfauftritt: „Jetzt heißt es ‚Knüppel aus dem Sack!‘ für alle Asylbetrüger, Verbrecher, illegalen Ausländer, kriminellen Islamisten und linken Schreier“. Jetzt – so Gudenus weiter – werde „aufgeräumt in unserem schönen Österreich!“. Das will er so nicht gesagt haben, alles böse Unterstellungen.

Keine böse Unterstellung ist eine Presseerklärung von Anfang Dezember, in der sich der Diktatorenfreund zum Schutzpatron der österreichischen Identität aufschwingt. Freilich nur, wenn sie christlich ist. Zitat: „Der voreilige Kniefall der rot-grünen Stadtregierung vor den Moslems ist längst in einen Feldzug linker Ideologen gegen die österreichische Identität ausgeartet“.

„Deutsch – einig treu – ohne Scheu“

Das entbehrt nicht einer gewissen Komik. Gudenus ist Mitglied der Schüler-Burschenschaft Vandalia (nicht zu verwechseln mit der Katholischen Studentenverbindung Vandalia). Das Motto der großdeutschen Verbindung lautet: „Deutsch – einig treu – ohne Scheu.“

Offenbar hat er nicht ganz verstanden, dass sich die Grenzen 1866 verschoben haben. Vielleicht ist ihm auch die kleine Geschichte mit dem Kriegsausgang 1945 entfallen. Unangenehmes vergisst man ja gern. Vielleicht war’s auch schlechter Geschichtsunterricht oder einfach nur familiäre Voreingenommenheit. Ähnliche Geschichtslücken seines Herrn Vater, langjähriger Berufspolitiker der FPÖ, sind jedenfalls gerichtsbekannt.

Andererseits könnten es auch die sattsam dokumentierten Deutschprobleme seiner Partei sein, die dazu führen, dass ein Treudeutscher nicht versteht, dass er nicht die österreichische Identität verteidigen kann. Entweder Großdeutschland oder Österreich. Beides geht nicht.

Auch das intellektuelle Potential eines Herrn Gudenus sollte ausreichen, um das zu verstehen. Wenn nicht, gibt es immer noch das in Österreich verpflichtende Kindergartenjahr, das er nachholen könnte.

Autor: Christoph Baumgarten/hpd