Schicksalsjahre der Sozialdemokratie
Die SPD hatte sich am Wahlabend gegen den Eintritt in eine neue Große Koalition ausgesprochen. Und das war richtig so. Denn nach einer wiederholten Auflage von Schwarz-Rot wurde deutlich: Zumindest gefühlt nähern sich die Sozialdemokraten CDU und CSU immer weiter an und drohen, dabei völlig von Christdemokraten und Christsozialen vereinnahmt zu werden.
Solch einen Zustand kann man nur aus der Opposition heraus beenden: Die SPD muss sich mit Abstand von der Regierungsarbeit wieder selbstfinden. Und ja, es stimmt, dass wir heute eine andere Situation haben als kurz nach der Bundestagswahl. „Jamaika“ kam nicht zustande. Doch was hat sich für die SPD geändert? Abseits von der „staatstragenden Verantwortung“, die ihr immer wieder zugetragen wird, eigentlich nichts.
SPD sollte egoistisch sein
Nein, im Moment muss die SPD egoistisch sein, um sich zu kurieren von Jahren der Abhängigkeit unter Kanzlerin Angela Merkel. Die SPD muss wieder zeigen, dass sie ein eigenes Profil hat. Dass sie mit sozialdemokratischen Themen punkten kann – und das gelingt ihr am ehesten, wenn sie ihre Konzepte aus der Distanz zur Regierungsverantwortung präsentiert. Nein, ich denke nicht, dass ein aufgesetztes Lächeln hilft, mit dem man nun Zähne knirschend in eine Neuauflage eines Bündnisses geht, das für die SPD zum Todesstoß werden könnte.
Im Übrigen ist auch das Verhalten eines Parteivorsitzenden nicht hilfreich, der gestern noch ausgeschlossen hatte, Minister unter einer Regierungschefin Merkel zu werden, heute in die völlig entgegengesetzte Richtung taktiert – und sein Schicksal schlussendlich offenlässt. Zusammengefasst: Die Umfragewerte für die SPD spiegeln leider ihren Zustand wider. Selten war sie so unglaubwürdig wie im Augenblick. Und das haben auch die Wähler erkannt.
Sie suchen den politisch rechten Rand, vor allem aus Protest gegen eine Neuauflage der Großen Koalition. Denn in den Augen vieler Bürger braucht es einen echten Wechsel, weg von den eingefahrenen Kooperationen der beiden „Volksparteien“. Nicht zuletzt deshalb profitiert in aktuellen Umfragen auch die Linkspartei von den Selbstzerfleischungsprozessen der SPD. Die Menschen suchen echte linke Alternativen, die sie in der Sozialdemokratie nicht mehr vertreten sehen.
Helfen jetzt nur noch die Jusos?
Immerhin begeht die SPD mit den Koalitionsverhandlungen und einem Einlassen auf die Renten- und Sozialkonzepte, vor allem aber den Familiennachzug, ihren größten Fehler seit der Agenda 2010, die gerade die Menschen, die „Hartz IV“ beziehen, noch immer bis auf Euro und Cent genau in ihrem Geldbeutel spüren. Wieder einmal ist sie einem Rechtsrutsch nahe, nun helfen nur noch die Jusos, die die Sozialdemokraten auf ihre Wurzeln zurückbesinnen könnten.
Dass die SPD mit ihrem „Weiter so!“ den Steigbügelhalter für die Union gibt – und damit dazu beiträgt, die AfD stark zu machen, das sollte ihr wahrlich zu denken geben. Ein wachsendes Miteinander, das dagegen „Grüne“ und Linke mehr zusammenschweißt, kann für Deutschland nur ein Gewinn sein. Denn mit einer Polarisierung wächst auch die Debattierfreudigkeit in unserem Parlament. Und zumindest fällt manch‘ eine Entscheidung für den Wähler leichter, wenn er sich darüber bewusst sein kann, wo die Grenzen der Lager künftig verlaufen.
Aus der „linken Mitte“ hat sich die SPD weit entfernt, dort bleibt nun umso mehr Platz für die, die gerade in der Migrationspolitik auf Verhältnismäßigkeit, auf Logik und auch Mitmenschlichkeit setzen. Für die, die trotz Widerrede von Union und FDP auf eine sachgerechtere Besteuerung von großen Vermögen und Einkommen abzielen. Die die Bürgerversicherung in ihrer Eindeutigkeit wollen und sich nicht mit einer „Light“-Version zufrieden geben.
Nächstes Jahr wählt Baden-Württemberg neue Gemeindeparlamente – und die Sozialdemokraten haben nicht mehr viel Zeit, ihren entstandenen Rückstand auf die AfD einzuholen. Es wäre nicht nur eine Blamage für die SPD, wenn sie hinter die „Alternative für Deutschland“ zurückfällt. Es wäre vielmehr ein Armutszeugnis für die Demokratie, die es auf Dauer nicht verträgt, wenn sich Zustände der Übermächtigkeit zementieren. Große Koalition ist wahrlicher Mist. Seien wir gespannt, welcher SPD-Funktionär das zuerst begreift…
Dennis Riehle (Foto: SPD Aschaffenburg)
Einige Fundstücke aus dem Koalitionsvertrag:
„Zur Sicherung der bundesweiten Versorgung mit Presseerzeugnissen für alle Haushalte – in Stadt und Land gleichermaßen – wird bei Minijobs von Zeitungszustellerinnen und Zeitungszustellern der Beitrag zur Rentenversicherung, den die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu tragen haben, befristet für die Dauer von fünf Jahren bis zum 31. Dezember 2022, von 15 auf 5 Prozent abgesenkt.“ (S. 93)
– Ein Beitrag zur Förderung der Altersarmut.
Zum Ausgleich für die Schlechterstellung der Zeitungsausträger:
„Der Abschnitt über den neuen Status des eSports im Wortlaut
„Wir erkennen die wachsende Bedeutung der E-Sport-Landschaft in Deutschland an. Da E-Sport wichtige Fähigkeiten schult, die nicht nur in der digitalen Welt von Bedeutung sind, Training und Sportstrukturen erfordert, werden wir E-Sport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anerkennen und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive unterstützen.“
– Endlich wird den virtuellen Schumis die Möglichkeit eröffnet, echte Kohle zu machen ohne Ende. Nach den Aktivitäten Laschets in NRW bzgl. Steuerfahndung wird noch ein zusätzlicher Anreiz geboten, in den Steueroasen Kapital zu deponieren. Ein Tipp: Laßt aber um Himmels Willen die Finger und Zehen vom Schifahren!
Liebe SPD-Mitglieder, die Ihr aufgefordert seid, zwischen der Zukunft (Nahles) und Vergangenheit (Kühnert) zu wählen, wägt wohl ab, was Euch wichtiger ist. Die Gegenwart (oder auch Vergangenheit) wird wohl am ehesten durch die ZeitungsträgerIn verkörpert. Unbesehen des Profitstrebens des Südkurier bspw. – welche von beiden Wahlmöglichkeiten ist einen Einsatz wert?
Wann durfte die SPD an die Macht. Wenn in den Augen des Volkes die Sehnsucht nach Rebellion und Aufruhr abzulesen war. Dabei sollte man nicht vergessen, wie Noske, er ist ein wesentlicher Teil der SPD-Geschichte, Arbeiter durch Maschinengewehrsalven umbringen ließ. Der Spruch:“Einer muß der Bluthund sein“ läßt sich bis heute nachlesen. Es reicht auch nicht mehr, die bösen Schröder-Taten zu bejammern, und diese dennoch nicht grundlegend zu widerrufen. Wer hat das Volksvermögen, das von den „Alten“ geschaffen wurde vernichtet. Ich spreche hier von den hunderttausenden Wohnungen des städtischen Wohnungsbaus, die an Kapitalanleger praktisch für `n Appel und ´n Ei verschenkt wurden oder die Deutsche Bahn, die heute nicht mehr wiederzuerkennen ist, ob für den Gütertransport oder Pendler. Es gäbe da noch viele Fragen seitens der SPD zu beantworten – auf die auch von den Jusos keine Antwort kommt. Dem Bundestagskandidaten Hahn war die Region nur wenige Besuchstage wert, bevor er sich nach Berlin verzogen hat. Und wenn man aus der Region Fragen an ihn richtet werden diese nicht mehr beantwortet (Bodensee-S-Bahn etc.) Übrigens der sog. zweite oder soziale Arbeitsmarkt bedeutet nichts anderes als ein bzw. 1,50 Euro Stellen mit „Sozialbetreuung“ und Vollzeitüberwachung. Für diese Form von „Seelsorge“ gibt es zahllose Wirtschaftsunternehmen. Nicht nur die Tafeln. Deren Geschäftsführer höhere Bezüge haben als mittelständische Unternehmer.
Die SPD (d.h. deren Entscheidungsträger) kann sich zwar auf ihre Wurzeln zurückbesinnen, aber dahin zurückkehren dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein. Würde die SPD dies wahrnehmbar und offensiv verlautbaren lassen und praktisch umsetzen, so müsste sie ja Positionen einnehmen, die schon längst durch die Partei die Linke besetzt sind und dürfte dann viele Wähler und Wählerinnen an die Linke verlieren.
Die beste Lösung für die SPD wäre meiner Ansicht nach, die GroKo nicht zustande kommen zu lassen. Dies zeigte, dass die Verantwortlichen und Parteimitglieder doch noch genügend Rückgrat hätten und zu früheren Aussagen und „Versprechen“ stehen würden.
Ich glaube sogar, dass die SPD bei einem Scheitern lassen der GroKo Wählerstimmen hinzugewinnen könnte.
Es gäbe eine Menge anzumerken zum Niedergang der aSPD. Dass die Kernfragen Lohnpolitik und Rente qualitativ so gut wie keine Rolle gespielt haben in den Verhandlungen der letzten Tage, ist beispielsweise bezeichnend.
Belassen wirs dabei, daß wir Andrea Nahles, die Super-Partei-Linke falsch verstanden haben. Die aSPD wird verhandeln, bis die Union quietscht vor Vergnügen.
Die SPD kann zur Zeit machen was sie will – man wird es ihr nicht danken. Ich bin immer wieder verblüfft, wie viele Menschen, die ohne die SPD-Bildungsreform der 1970er Jahre vermutlich niemals eine Universität von innen gesehen hätten, nicht einen Hauch von Erkenntlichkeit haben. Denn die CDU konnte nicht so „jut jünne“ (Rheinisches Grundgesetz) wie die SPD.
Der Sündenfall waren die Hartz IV-Gesetze, die ich der SPD ganz persönlich übel nehme, obwohl ich zu meinem Glück nicht davon betroffen bin. So muß man leider feststellen, daß die SPD damals ihre „Werte“ verloren und bisher auch nicht wieder gefunden hat.
Die „davon gelaufenen“ Wähler der SPD haben von ihrer Partei eben Anstand, Zuverlässigkeit und Rechtschaffenheit (ich weiß, altmodische Begriffe) erwartet.
Mich wundert auch, daß niemand einen Kassensturz macht. Lt. Internet haben wir 111 Gesetzliche Krankenkassen und 44 Private Krankenkassen, die vermutlich doch alle dasselbe machen und alle sicher schöne, kostspielige Verwaltungen haben. Wozu brauchen wir diese vielen „Krankenversicherungen“, die von den Beitragszahlern bestens ernährt werden. Vermutlich ist genügend Geld im System, wenn das Geld – und nichts muß teuer werden, wie uns die CDU einredet – sachgerecht ausgegeben wird.
In der vorletzten Kontext hat sich ein kundiger Mensch über die Rente geäußert. Lesenswert! Aber ein normaler Verstand ist verblüfft, wie man eine Versicherungsleistung so berechnen kann, daß sie kein Mensch mehr versteht. Im aktuellen Spiegel äußert sich eine kompetente Richterin a.D. zu demselben Thema, die das Rentensystem für rechtswidrig hält. Genauso lesenswert! Immer mal wieder wird unwidersprochen berichtet, daß die Wiedervereinigung von den Rentnern, also aus der Rentenkasse, bezahlt wurde.
Und als letztes: Ich warte noch immer auf Berichte über die drohende Altersarmut der Beamten und Öffentlich Bediensteten – 17 nationale Regierungen und die EU und viele schöne Organisationen – alle vom Steuerzahler ernährt.
Das war eine praktische Betrachtung der Zustände, von der ich glaube, daß die Parteien – alle – gut zu tun hätten, wenn sie nur einen Teil ihrer Arbeitszeit den Bürgern widmen würden.