seemoz begeht Landesverrat
Generalbundesanwalt Harald Range ermittelt gegen zwei Kollegen des Internet-Blogs Netzpolitik.org und eine noch unbekannte Person wegen des Verdachts auf Landesverrat. Den Journalisten Markus Beckedahl und Andre Meister drohen damit nach § 94 des Strafgesetzbuchs bis zu zwei Jahre Gefängnis. Angezeigt hat sie der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen.
Der Grund: Netzpolitik.org, das sich für digitale Freiheitsrechte stark macht, hatte im Februar und April über Pläne des Verfassungsschutzes zur nachrichtendienstlichen Auswertung von Internetkommunikation berichtet – sprich: Die Öffentlichkeit mit Informationen darüber versorgt, wie die Schlapphüte unbescholtene Bürger_innen künftig im Netz noch umfassender bespitzeln wollen. Der Blog legte unter anderem offen, dass dazu 75 neue Mitarbeiter eingestellt werden sollen, deren spezielle Aufgabe in der noch ausgefeilteren Ausschnüffelei dessen bestehen wird, was wir alle so tagtäglich auf Facebook, Twitter, YouTube etc. tun.
Nach mehr als 30 Jahren packt die Bundesanwaltschaft damit wieder die juristische Keule des Landesverrats gegen ein Publikationsorgan aus. Dabei ist der Vorwurf, die von Netzpolitik.org veröffentlichten Dokumente könnten die „äußere Sicherheit“ der Bundesrepublik bedrohen, offenkundig lächerlich – dass in diesem Land flächendeckend Millionen Menschen von deutschen und ausländischen (vor allem US-amerikanischen) Diensten ausgespäht werden, ist ja nun wirklich sattsam bekannt und damit alles andere als ein Staatsgeheimnis.
Verfassungsschutz und Bundesanwaltschaft geht es offenkundig darum, gegenüber Netzpolitik.org ein Exempel zu statuieren, um so alle Medien einzuschüchtern. Die Schlapphüte wollen endlich wieder ungestört von einer lästigen Öffentlichkeit ihren Tätigkeiten nachgehen, zu denen übrigens in jüngster Zeit die Beihilfe zum Ausspähen deutscher Unternehmen durch die NSA ebenso gezählt haben wie das gezielte Wegschauen bei den faschistischen NSU-Morden.
Wen wunderts, dass Generalbundesanwalt Range, der es jetzt für „Landesverrat“ hält, wenn Einzelheiten über die Geheimdienstüberwachung des Netzes veröffentlicht werden, beharrlich sämtliche Ermittlungen gegen die Spionageumtriebe der NSA verhindert hat. Bundesverfassungsschutz-Präsident Maaßen, der den angeblichen Verrat zur Anzeige gebracht hat, zeichnet verantwortlich dafür, dass Teile der NSU-Akten geschreddert wurden.
Netzpolitik.org erfährt breite Solidarität aus Politik, Kultur und Medien. Die seemoz-Redaktion schließt sich dem ohne Wenn und Aber an. Der Angriff auf die Journalisten Beckedahl und Meister richtet sich gegen alle Medien, er ist eine nicht hinnehmbare staatliche Attacke auf die Pressefreiheit. Um unsere Unterstützung mit den verfolgten Kollegen zu demonstrieren, begehen wir ebenfalls Landesverrat. Wir veröffentlichen, wie andere Medien auch, an dieser Stelle die Dokumente, deretwegen die beiden verfolgt werden. Die Leser_innen können sich so selbst davon überzeugen, in welchem Ausmaß der Geheimdienst die Freiheitsrechte der Verfassung verletzt, die er eigentlich schützen soll.
Die Redaktion
Geheimer Geldregen: Verfassungsschutz arbeitet an „Massendatenauswertung von Internetinhalten“
Lesenswerter Beitrag von Katharina Nocun in einem Seitenbereich der sonst selten aufmüpfigen Faz:
„Wie viel Landesverrat braucht das Land?“
http://blogs.faz.net/deus/2015/08/04/wie-viel-landesverrat-braucht-das-land-2781/
Nun ist es grundsätzlich ja nicht so, dass Journalisten stets in einem luftleeren Raum zuhause sein können, um ihrer Arbeit nachzugehen. Was veröffentlicht wird, hat tatsächlich mitunter Gründe, die auch denjenigen Staat interessieren könnten, in dem diese Journalisten leben und publizieren. Das ist auf der ganzen Welt so. Dabei gibt es die bekannten „Abweichungen“ im Verhalten der Regierungen gegenüber Journalisten. Sie reagieren etwa stringent mit „Verhaftung“ und lassen einen Wust von Gegenpropaganda über die verschiedenen staatlichen Medien laufen und erwürgen so nicht nur den Journalismus, sondern auch „ihr geliebtes Volk“. Typisches Beispiel ist derzeit der gigantische mediale Zugriff russischer Prägung in Bezug auf die Ostukraine. Dass hingegen bei uns darüber diskutiert wird, „was gar nicht geht“, wenn die Sorge besteht, „der Staat“ würde sich zu sehr in die Belange der „Freien Presse“ einmischen, ist ein positives Zeichen von Demokratie. Man kann das Ganze natürlich auch für seine spezielle, persönliche, ideologische Ausrichtung nutzen, wenn es wiedermal gefällt.
Die linke Juristin Halina Wawzyniak schlägt 4 Handlungsoptionen vor:
1. gesetzl. Whistleblowerschutz
2. Quellenschutz und Zeugnisverweigerungsrecht für on-line-plattformen (auch Seemoz!!!) , blogger ect
.3. Streichung der Weisungsgebundenheit für Staatsanwälte(heißt: die Politik kann der Justiz Anweisung zu Ermittlungen geben.
4. Streichung des geplanten Straftatbestandes der sog.“Datenhehlerei“ im Gesetzentwurf zur Vorratadatenspeicherung.
Die Juristin geht davon aus, dass die Gründe für die Ermittlungen nach § 94 vorgeschoben sind und nur ein Ziel haben: EINSCHÜCHTERUNG!