Die soziale Frage – unverzichtbar, auch bei der Energiedebatte

Antwort auf  Till Seiler: Der hatte in einem „Kontrovers“-Beitrag am letzten Montag auf seemoz Die Linke im Bundestag als „Ein-Themen-Partei“ kritisiert, die in der Debatte um den Atomausstieg „eine Chance verpasst“ habe. Auf diese Polemik bezieht sich Anke Schwede in ihrer Gegenrede: Was der Abgeordnete Seiler an der Linken meint bemängeln zu müssen, sei in Wirklichkeit deren Stärke.

Mit Erstaunen lese ich die Kritik des „neuen Mannes aus Berlin“, Till Seiler, an der Gysi-Rede zum Atomausstieg. Wir erinnern uns: Die Linke hat als einzige Fraktion geschlossen gegen den Beschluss gestimmt, sechs Abgeordnete der Grünen haben sich „nur“ enthalten – warum eigentlich kein klares Ja oder Nein?

Die Behauptung, mehr als 50% dieser Rede seien sozialpolitisch motiviert, kann nicht unwidersprochen bleiben. Gregor Gysi hat in seiner Rede sehr wohl energiepolitisch argumentiert und nicht nur die – in meinen Augen unverzichtbare – soziale Karte gespielt.

Erstens: Nach Auffassung der Linksfraktion ist ein Ausstieg bis Ende 2014 machbar. Die nun beschlossene Frist bis 2022 wurde in Absprache mit den vier großen Energiekonzernen  E.ON, EnBW, RWE und Vattenfall in Hinblick auf die Amortisation der noch betriebenen Atomkraftwerke gesetzt und damit die Bevölkerung unnötig weitere zehn Jahre einem Restrisiko ausgesetzt.

Zweitens fordert Gysi die Verankerung des unumkehrbaren Ausstiegs aus der Atomenergie im Grundgesetz. Zitat: „Wenn Sie das nicht machen, dann machen Sie einen Atomausstieg mit Rückfahrkarte“.

Drittens bildet die Forderung nach Demokratisierung und Rekommunalisierung der Energieversorgung den Schwerpunkt seiner Ausführungen – also die Einschränkung der Macht der vier großen Energiekonzerne, die gegenwärtig den Markt nach Gusto dominieren und Entscheidungen an der Politik und der Bevölkerung vorbei treffen. Wer eine wirkliche Energiewende will, muss bestrebt sein, die Macht dieses Kartells zu brechen und muss in diesem wichtigen Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge für demokratische Verhältnisse sorgen.

Viertens mahnt Gysi den stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien an, um „die Energiewende so schnell und zuverlässig wie möglich herbeizuführen“.

Fünftens: Last but not least – die soziale Ausgestaltung des Ausstiegs. Es mutet schon fast zynisch an, wenn ein wohlbestallter Studienrat behauptet, dies sei nicht Thema der Debatte. Die Realität in diesem Land ist, dass immer mehr Menschen in die Armut gedrängt werden. Immer mehr Menschen werden mit Niedriglöhnen abgespeist, müssen mit Hartz IV oder Sozialhilfe auskommen. Höhere Preise für Energie mögen für grüne Abgeordnete und die Mehrheit ihrer Klientel als Nasenwasser wahrgenommen werden, für viele, sehr viele Bürgerinnen und Bürger können sie eine existentielle Bedrohung darstellen.

DIE LINKE als „Ein-Themen-Partei“ zu bezeichnen und überdies noch mit der FDP gleichzusetzen, lässt tief blicken. Der Hinweis auf zunehmende Armut? Schade, aber das geht langsam wirklich auf die Nerven. Wundern muss man sich jedoch über Verlautbarungen wie die vorliegende nicht. Denn erinnern wir uns: So richtig Fahrt aufgenommen hat die neoliberale Offensive nicht unter Kohl, sondern mit Rot-Grün.

Fazit: Was der Abgeordnete Seiler an der Linken meint bemängeln zu müssen, ist in Wirklichkeit  deren Stärke. Die Linke sollte nicht den Fehler begehen, die „besseren (oder schlechteren?) Grünen“ sein zu wollen. Eine Partei, die konsequent für soziale Gerechtigkeit eintritt, ist in diesen Zeiten der zunehmenden Ungleichverteilung zwischen oben und unten unverzichtbar. Dies gilt für die Energiefrage ebenso wie für alle anderen Politikfelder.

Autorin: Anke Schwede

Die Rede von Gregor Gysi ist hier im Wortlaut nachzulesen: http://www.linksfraktion.de/reden/union-fdp-spd-gruene-beschliessen-halbherzigen-atomausstieg/