Technologiezentrum: Stadt und Ratsmehrheit verhökern Tafelsilber
Das Konstanzer Technologiezentrum ist in die Jahre gekommen, die Sanierung des Gebäudekomplexes in der Blarerstraße dringend erforderlich. Dass die Stadtverwaltung dem Gemeinderat auf der letzten Sitzung das Thema zur Entscheidung vorlegte, war deshalb überfällig.
Dies gilt umso mehr, weil auch nach den Vorgaben des im letzten Jahr vom Rat beschlossenen städtischen Neubauprogramms Handlungsbedarf besteht: Für das Gebiet im Stadtteil Paradies sieht das „Handlungsprogramm Wohnen“ eine Mischnutzung vor – entstehen sollen dort neben Arbeitsstätten auch neue Wohnungen, angesichts der herrschenden Wohnraumknappheit auch das ein unterstützenswerter Entwicklungsansatz.
Ganz und gar nicht zu begrüßen ist jedoch, dass die Verwaltung auch in dieser Angelegenheit nach dem sattsam bekannten neoliberalen Muster verfahren will: Genuine Aufgaben der Stadtentwicklung legt man vertrauensvoll am liebsten in die Hände privater Investoren, vorgeblich um den kommunalen Haushalt zu schonen. Folgerichtig forderte die Verwaltung vom Rat deshalb ein Votum für den Verkauf des städtischen Grundstücks, auf dem das Technologiezentrum steht, an einen Privatinvestor. Eine zweite, daran angrenzende und ebenfalls städtische Fläche soll ebenfalls an den Investor gehen, der den Zuschlag erhält.
Lapidare Begründung der Verwaltung für diese Privatisierung öffentlichen Eigentums: „Da die Stadt Konstanz eine Sanierung des Gebäudes bzw. Umsetzung des dargestellten städtebaulichen Konzeptes nicht selbst realisieren kann, soll dies zweckmäßigerweise durch einen Investor erfolgen.“ Eine große Mehrheit segnete den Antrag folgsam ab. Wieder einmal votierte eine Ratsmehrheit damit für die Privatisierung eines Kernbereichs öffentlicher Aufgaben.
Die restriktive Finanzpolitik in Sachen Stadtentwicklung kann fatale Folgen haben, wie verschiedene Beispiele zeigen. Erinnert sei nur an das Kompetenzzentrum (nebenbei: selten sprach ein Name der Sache mehr Hohn), bei dem man nach ähnlichem Muster verfuhr – dort herrscht bis heute hauptsächlich gähnende Leere in den neuen Büroräumen. Diverse Anteilseigner der Investorenfirmen, die sich dort die Klinke in die Hand gaben, mögen sich mit dem Projekt eine goldene Nase verdient haben – vom erhofften frischen Wind in Sachen zukunftstechnologischer Standortförderung blieb noch nicht einmal ein laues Lüftchen.
Oder nehmen wir als weiteres Exempel den ebenfalls an Privat vergebenen Bau zweier Studierendenwohnheime auf dem Chérisy-Areal. Auch das Projekte, die in der Universitätsstadt Konstanz von nicht geringer Bedeutung für die Stadtentwicklung sind und deshalb eigentlich demokratisch gesteuert und kontrolliert gehören. Doch auch in diesem Fall haben Stadt und Ratsmehrheit die Neubauten undurchsichtigen Konsortien überlassen, von denen eines jüngst für Negativschlagzeilen sorgte, weil es nicht nur Arbeiter rechtswidrig für Elendslöhne beschäftigt, sondern in mehreren Fällen selbst darum noch betrogen hat. Die Kommunalpolitik ist in solchen Fällen weitgehend machtlos, weil sie mit der Teil- oder Komplettprivatisierung öffentlicher Aufgaben freiwillig die Zügel aus der Hand gegeben hat.
Doch Verwaltung und bürgerliche Ratsmehrheit scheint das alles nicht anzufechten – sie wollen diesen riskanten Weg unverdrossen weitergehen, wie jetzt die Pläne für das Technologiezentrum zeigen.
Dabei hätte es andere Möglichkeiten gegeben. Die Linke Liste brachte bei der Gemeinderatssitzung für das Areal eine Lösung ins Spiel, die nicht nur die städtischen Grundstücke in öffentlicher Hand belassen, sondern auch die öffentliche Steuerung des Projekts erleichtert hätte. Denn neben der lokalen Initiative „Areal 56“, bestehend unter anderem aus im Technologiezentrum angesiedelten Unternehmen, hatte auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft Wobak ihr Interesse an der Entwicklung des Areals angemeldet. Ideale Voraussetzungen eigentlich, sollte man meinen, für eine lokale Lösung in städtischer Regie.
LLK-Stadträtin Anke Schwede plädierte im Gemeinderat deshalb dafür, dass die Stadt mit der Wobak und „Areal 56“ über den Abschluss eines Erbbaurecht-Vertrags verhandelt, um das Modellprojekt Wohnen und Arbeiten in Kooperation zu realisieren. Eine Lösung, deren Vorteile für Schwede auf der Hand liegen: „Die Grundstücke bleiben in städtischer Hand und die Umsetzung durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft garantiert eine demokratisch legitimierte Projektsteuerung.“ So könnten Unwägbarkeiten vermieden werden, die mit der Vergabe an private Investoren verbunden sind. Die Pachtlösung würde dem Stadtsäckel auf Jahrzehnte hinaus zudem verlässlich planbare Einnahmen sichern. Matthias Heider (CDU) machte sich nach der vorhersehbaren Niederlage den LLK-Antrag zu eigen, allerdings ohne die Erbbaurecht-Klausel. Auch dieser Vorstoß scheiterte, zu verlockend war und ist offensichtlich die Aussicht, mit einem Verkauf weiteren Tafelsilbers schnelles Geld zu machen. Die bürgerliche Kommunalpolitik, die nicht nur in diesem Fall von der CDU bis zu den Grünen reicht, bleibt weiter ins Korsett neoliberaler Konzepte eingezwängt.
Jürgen Geiger