Vom Unsinn einer Sprachpolizei

Immer, wenn man glaubt, es geht nicht würdeloser, kommt aus irgendeiner Ecke wieder jemand angeflogen, um das Niveau noch weiter zu drücken. Jüngst fand der Verein Deutsche Sprache (VDS) ein breites Medienecho mit der Forderung, „Gender­wirrwarr“ zu beenden, womit nichts anderes gemeint ist als, nach französischem Vorbild, gendersensible Sprache zu verbieten.

Nun sollte Mensch nicht jeden Unsinn, der von irgendwelchen Vereinen und Persönlichkeiten geäußert wird, kommentieren und somit zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen als der Sache wert wäre, und dennoch: Nachdem neben taz und Tagesspiegel zahlreiche Medien über den Blödsinn dieses Vereins, den der Deutschlandfunk vor einiger Zeit mal als „Sprachpegida“ bezeichnet hat, berichtet haben, juckte es mich in den Fingern, diese populistischen Forderungen noch einmal einzuordnen oder vielmehr zu Ende zu denken.

Denn wie soll sich ein solches Verbot gestalten? Sollen in Zukunft Menschen, die sich dazu bemüßigen, gendersensible Sprache zu verwenden, mit vorgehaltener Waffe von der Tastatur weg geprügelt oder in Beugehaft genommen werden, bis sie jegliche Hoffnung, die deutsche Sprache inklusiver zu gestalten, aufgegeben haben? Soll also, mit anderen Worten, eine Sprachpolizei gegen die angebliche Sprachpolizei zu Felde geführt werden?

Aufschlussreich hierbei das Interview, welches der Geschäftsführer des VDS e.V., Dr. Holger Klatte, der taz gegeben hat. Hierbei zeichnet er das Bild natürlicher Sprachnutzer, welche ein noch nicht entartetes Deutsch zu sprechen wissen und noch nicht vom „Genderwirrwarr“ infiziert worden sind. Diesen steht eine kleine Gruppe von Expert*innen gegenüber, die in ihren Elfenbeintürmen und Universitäten hocken, damit ja freilich schon außerhalb der Sprache stehen, und uns mit klebrigen Fingern und böser Absicht ein „künstliches“, ein „verkommenes“ Deutsch aufzwängen wollen, das mit den Lebensrealitäten der natürlichen Sprachsubjekte nichts zu tun hätte.

Nun, abgesehen davon, dass dieses Bild aus anderen Kontexten bekannte Ressentiments und Stereotype schürt, ist dies auch absoluter Blödsinn; niemand steht außerhalb der Sprache, jeder hat das Recht, an ihr zu partizipieren, und genau hierdurch bleibt Sprache wandelbar und lebendig. Daher wird nur verständlicherweise mit neuen Ausdrucksformen und inklusiven Sprachregelungen experimentiert, ohne dass diese Versuche irgendeinen Allgemeingültigkeitsanspruch anmelden könnten.

Die Forderung, dies zu verbieten, stellt die einzig wahre Sprachpolizei dar, ein autoritäres Gebaren, die Menschen das Recht, Sprache auch außerhalb gängiger Konventionen zu gebrauchen, verbieten möchte – und da sind wir nicht einmal beim generischen Maskulin, sondern schlicht beim Recht eines jeden Menschen, sich auf die Art und Weise auszudrücken wie es ihm gefällt. Dass dies den Herren vom VDS sauer aufstößt, ist in erster Linie ihr eigenes Problem. Man sollte sich nur einmal vorstellen, machte dies Schule: Dürfte der Oberbürgermeister Berlins dann den Gebrauch schwäbischer Mundart verbieten? Müssten Polizist*innen dann über die korrekte Verwendung des Genitivs wachen? Wo beginnt dies, wo endet es?

Schließlich verwundert es nicht, aus welcher politischen Ecke dieser Vorstoß kommt und in welcher er die größte Resonanz erzielt. Denn diese Forderung ist nichts anderes als der Versuch, jene Menschen mundtot zu machen, die sich eine progressive und inklusive Gesellschaftsform wünschen. Ihre Sprache wird delegitimiert und darüber sollen sie ihre Stimmen verlieren. Nicht unpassend daher die zynische Bemerkung Dr. Holger Klattes zum Ende des taz-Interviews: Dieses Jahr sei erstmals Prof. Lann Hornscheidt für den Schmähpreis der Stiftung nominiert gewesen. Es ist wahrlich wohlfeil, nach einem Menschen nachzutreten, der für einen harmlosen Debattenbeitrag (und eben nicht die Forderung eines totalen Sprachzwangs, wie es der VDS selbst fordert), schon reichlich Schmähungen, Beleidigungen und Drohungen über sich ergehen lassen musste.

Michael Schiefelbein